Medizinisches Experten-Interview

Ebersberg · Herz und Nieren: Geht es einem Organ schlecht, leidet auch das andere

Chefarzt und Oberärzte der Kardiologie in der Kreisklinik Ebersberg (V.l.): Dres. Grigorios Valassis, Martin Ziegler, PD Martin Schmidt, PD Björn Krämer, Klaus Pürner und Mathis Schlüter. Foto: Alexander Zettl

Chefarzt und Oberärzte der Kardiologie in der Kreisklinik Ebersberg (V.l.): Dres. Grigorios Valassis, Martin Ziegler, PD Martin Schmidt, PD Björn Krämer, Klaus Pürner und Mathis Schlüter. Foto: Alexander Zettl

Ebersberg · Eine Herz- oder Gefäßerkrankung kann die Nieren schädigen, umgekehrt schwächt eine chronische Nierenerkrankung das Herz. Die Zusammenhänge erläutert Priv. Doz. Dr. Martin Schmidt, Chefarzt der Inneren Medizin II (Kardiologie, Nephrologie und Intensivmedizin) in der Kreisklinik Ebersberg.

Wie stehen Herz und Niere in Verbindung?

Dr. Martin Schmidt: Das Herz sorgt dafür, dass die Niere gut durchblutet ist und somit ihre Aufgaben erfüllen kann. Diese bestehen im Wesentlichen darin, aus dem Blut Giftstoffe herauszufiltern, die dann mit dem Urin ausgeschieden werden, und den Flüssigkeitshaushalt des Körpers zu regulieren. Erkrankungen des linken Herzens, wie etwa solche der Herzkranzgefäße oder des Herzmuskels (Kardiomyopathie), ein Herzinfarkt oder Bluthochdruck, können eine schlechtere Durchblutung der Nieren und somit eine Einschränkung ihrer Funktion verursachen.

Eine Rechtsherzinsuffizienz hat zur Folge, dass sich im Körper zu viel Flüssigkeit ansammelt und die Nieren mit dem Filtrieren und Ausscheiden nicht nachkommen. Es bilden sich Ödeme und es kommt zu einem Blutstau vor dem rechten Herz sowie einem erhöhten Venendruck, unter dem auch Nieren und Leber leiden.

Und wie wirkt sich eine eingeschränkte Nierenfunktion auf das Herz und den Herz-Kreislauf aus?

Dr. Martin Schmidt: In erster Linie durch eine Veränderung des Stoffwechsels. Für eine gute Funktion des Herzens ist ein ausgewogener Elektrolythaushalt wichtig. Die Pumptätigkeit des Herzens basiert auf dem Zusammenspiel von elektrisch geladenen Teilchen in unseren Körperzellen, vor allem Natrium, Kalium, Kalzium und Magnesium. Die Niere ist wesentlich an der Regulierung ihrer Zusammensetzung beteiligt.

Ist die Nieren-Funktion beeinträchtigt, kann es zu einem Anstieg des Kaliumspiegels kommen, was Herzrhythmusstörungen zur Folge haben kann. Störungen des Kalzium-Phosphat-Stoffwechsels erhöhen das Risiko für Gefäßverengungen. Zudem produziert die gesunde Niere das Hormon Erythropoetin, das die Bildung von roten Blutkörperchen im Knochenmark anregt. Werden bei einer Niereninsuffizienz nicht genug dieser Hormone gebildet, kann es zu einer Blutarmut kommen, was die Leistungsfähigkeit des gesamten Körpers und natürlich auch des Herzens reduziert. Auch Bluthochdruck kann durch eine chronische Nierenerkrankung mit verursacht werden.

Hat jeder Patient mit einer Nierenerkrankung auch Herzprobleme und umgekehrt?

Dr. Martin Schmidt: Nicht unbedingt. Wird zum Beispiel eine Herzrhythmusstörung gut behandelt, bleiben die Nieren in der Regel gesund. Allerdings wird bei einem Patienten mit einer schweren Niereninsuffizienz irgendwann das Herz darunter leiden und umgekehrt kann ein schwerer Herzinfarkt zu einem akuten Nierenversagen führen.

Eine gleichzeitige Herz- und Nierenschwäche nennt man heute auch „Kardiorenales Syndrom“ (KRS). Dabei werden fünf Typen unterschieden: Bei Typ eins und zwei liegt eine akute beziehungsweise chronische Herzschwäche zugrunde, die eine Nierenschädigung zur Folge hat, bei Typ drei und vier verursacht ein akutes Nierenversagen beziehungsweise eine chronische Nierenschwäche in der Folge eine Einschränkung der Herzleistung, bei dem Typ fünf ist eine generelle „systemische“ Erkrankung wie Diabetes oder eine Blutvergiftung der Grund für eine Schädigung beider Organe.

Wie wird das „kardiorenale Syndrom“ therapiert?

Dr. Martin Schmidt: Das ist sehr schwierig. Um das geschwächte Herz zu stärken, bedarf es einer medikamentösen Therapie, aber diese Medikamente blockieren u.a. das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System, kurz: „RAAS“, welches den Wasserhaushalt in und zwischen den Körperzellen sowie den Blutdruck reguliert.

Das Herz wird zwar durch diese Medikamente entlastet, aber bei einer eingeschränkten Nierenfunktion können sie zu einer weiteren Schädigung der Nieren führen. Das gleiche Problem besteht bei einer Rechtsherzinsuffizienz. Medikamente, die vermehrt Wasser aus dem Körper abführen lassen, entlasten den Flüssigkeitshaushalt, doch auch sie können bereits schwache Nieren weiter schädigen. Reicht eine medikamentöse Therapie nicht mehr aus, muss die Entwässerung und Entgiftung des Körpers über ein Dialyseverfahren, also eine künstliche Blutwäsche, erfolgen. Beim „KRS“ ist daher die Zusammenarbeit von Kardiologe und Nephrologe sehr wichtig. Die Kreisklinik Ebersberg arbeitet mit dem KfH Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation eng zusammen, das an der Klinik ein Nierenzentrum betreibt.

Kann man einem Kardiorenalen Syndrom vorbeugen?

Dr. Martin Schmidt: Man kann zumindest darauf achten, die Nieren nicht bzw. nicht weiter zu schädigen. Ist die Herzfunktion nicht deutlich eingeschränkt, sollte im Hinblick auf die Nieren auf eine ausreichende Trinkmenge geachtet werden. Generell sollte auf die meisten Schmerzmittel soweit wie möglich verzichtet werden, weil sie langfristig gesehen die Funktion der Nieren beeinträchtigen, vor allem Ibuprofen und sogenannte „nicht-steroidale Antiphlogistika“, auch als „Rheumamittel“ im Volksmund bekannt. Chronische Herzerkrankungen sollten frühzeitig gut behandelt werden, damit es gar nicht erst zu einer Nierenschädigung kommt. Bei Diabetes-Patienten ist eine optimale Blutzuckereinstellung wichtig. Kommt zu der Systemerkrankung noch eine chronische Nierenerkrankung hinzu, steigt das Risiko für einen Herzinfarkt und Herzrhythmusstörungen deutlich an.

Das Gespräch führte Sybille Föll

Artikel vom 21.11.2018
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