Wundersame Wandlung

Denkmalschutz in Erding: ein Beispiel für »Maß und Ziel«

Ein Kleinod ist das Haus am Rätschenbach geworden. Die Idee von einer Begegnungsstätte ist hier mustergültig umgesetzt worden. 	Foto: kw

Ein Kleinod ist das Haus am Rätschenbach geworden. Die Idee von einer Begegnungsstätte ist hier mustergültig umgesetzt worden. Foto: kw

Erding · Erdings Oberbürgermeister Max Gotz tritt in der Öffentlichkeit, wenn es um Denkmalschutz geht, für »Maß und Ziel« ein, wobei er nicht erst beim jüngsten archäologischen Sommersymposium auf die Bedeutung des Denkmalschutzes in einer Region, die einem derartigen Wandel unterliegt, einging.

Gerade hier sei es wichtig, die Wurzeln zu bewahren, so der Stadtchef immer wieder in der Vergangenheit. Seit Kurzem hat die Stadt, was das angeht, ein weiteres regelrechtes Referenzobjekt vorzuweisen, das zugleich als Beispiel dafür taugt, wie langsam die Mühlen der Bürokratie in diesen Fällen mahlen können. Das Haus am Rätschenbach direkt neben der hochmodernen Stadtbücherei bildete immer schon einen drastischen Kontrast: Es einen Sanierungsfall zu nennen, war lange Zeit glatte Tiefstapelei. Es war eher eine Ruine, reif für die Abrissbirne.

1684 wurde das Gebäude errichtet, was es zum ältesten Haus in diesem ganzen Bereich macht. Es war die Zeit wenige Jahrzehnte nach dem Dreißigjährigen Krieg, unter dem die Stadt Erding ohnehin massiv zu leiden hatte. Die ganze Stadt ist damals praktisch neu aufgebaut worden, so auch das Haus hier mit der Nummer 12. Lothar Matthäus posierte mal für Fotoaufnahmen vor der Haustür, das ist aber wohl der einzige Promi, denn General Tilly, Feldherr im Dreißigjährigen Krieg, hat allen Gerüchten zum Trotz nie hier residiert.

Die einzige Prominenz, die sich dieses Gebäude erworben hat, ist sein Alter und der damit verbundene »Adelsstand« durch die Aufnahme in die Denkmalschutzliste. 2007 erwarb die Stadt Erding das Gebäude, das aufgrund seines Zustands und der Auflagen durch den Denkmalschutz, praktisch nicht mehr anderweitig zu verkaufen war.

Es begann die Suche nach einem Nutzungskonzept, nach Zuschussmöglichkeiten für eine Sanierung. Und diese Sanierung hatte es wahrlich in sich: So mussten 36 Betonpfähle bis zu acht Meter tief in den Boden gebracht werden, um das Gebäude dauerhaft zu stabilisieren. So gesehen ist die ganze Stadt im tatsächlichen Sinne »auf Sand gebaut«, denn erst in dieser Tiefe sind tragfähige Schichten anzutreffen, zumindest in diesem Bereich. Damit nicht genug: Das ganze Gebäude musste hernach auf ein neues Fundament gestellt werden. Was die Nutzung angeht, war irgendwann auch Einigkeit erzielt: Eine Begegnungsstätte sollte es werden, betrieben vom Kreisverband Erding des Bayerischen Roten Kreuzes, dazu eine Geschäftsstelle des im Kreis Erding sehr rührigen Kunstvereins. Es ist eine alte Idee von Stadträtin Jutta Harrer (SPD), von der OB Max Gotz zunächst nicht viel wissen wollte: »Sie tun sich und uns keinen Gefallen«, kommentierte er seinerzeit.

Inzwischen hat das Rote Kreuz seine Arbeit in dem jetzt auch energietechnisch sanierten Gebäude aufgenommen. Das Programm der Begegnungsstätte kann sich sehen lassen. Die Stadt hat eine komplett barrierefreie Erschließung hinbekommen, was in denkmalgeschützten Beständen eine bemerkenswerte Leistung ist. Das Erzählcafé ist hier eingezogen, Bastelgruppen, aber auch ein Angebot gegen die immer wieder beklagte Vereinsamung von Senioren. Frühstück mit anderen, gegen eine Spende, ist hier möglich. Der Kunstverein hat im Dachgeschoss einen Atelierraum beziehen können, der mit einem Industrieparkettboden versehen ist und viele Möglichkeiten bietet.

Noch vor wenigen Jahren hat sich kaum einer vorstellen, dass aus einem potenziellen Abbruchhaus ein solches Vorzeigeobjekt werden kann. kw

Artikel vom 27.07.2018
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