Ein Dach über dem Kopf

Zahl der obdachlosen Männer in München nimmt zu

Einrichtungsleiterin Stefanie Kabisch präsentiert eines der typischen Zwei-Bett-Zimmer im Haus an der Pilgersheimer Straße: Zweckmäßig, ohne viel Komfort.	Foto: hw

Einrichtungsleiterin Stefanie Kabisch präsentiert eines der typischen Zwei-Bett-Zimmer im Haus an der Pilgersheimer Straße: Zweckmäßig, ohne viel Komfort. Foto: hw

Untergiesing/Harlaching · Die Wetterprognosen für diese Woche sind weiterhin ungemütlich, zahlreiche Niederschläge, niedrige Temperaturen bis minus 14 Grad und kaum Sonne. Die perfekte Zeit sich zuhause einzuigeln ­– wenn man denn ein Zuhause hat.

Für Männer, die kein eigenes Dach über dem Kopf haben, bietet das Haus an der Pilgersheimer Straße 9 bis 11 die Möglichkeit unterzuschlüpfen. Aber nicht nur ein warmes Bett wird dort geboten, sondern auch eine Kantine, die zum Selbstkostenpreis ein Essen anbietet, ärztliche Beratung, ein Waschdienst, Sanitäranlagen und soziale Beratung. Letztere ist Pflicht für alle, die länger im Haus unterkommen wollen, erklärt die Leitung Stefanie Kabisch.

Die Wohnungslosenhilfe steht unter der Trägerschaft des Katholischen Männerfürsorgevereins München e.V., offen steht das Haus aber für alle Männer, egal welcher Religion und Ethnie sie angehören, betont Stefanie Kabisch.

179 Betten stehen zur Verfügung, die große Zahl davon sind in Zwei-Bett-Zimmern aufgestellt, es gibt auch noch einige Vier-Bett-Zimmer und sechs Einzelzimmer, die aber kranken Besuchern vorbehalten sind.

Erbaut wurde das Haus im Jahr 1952, damals bot es in großen Schlafsälen sogar Platz für 400 Männer. Von 1979 bis 1984 wurden große Umbauarbeiten am Haus vorgenommen und die Schlafsäle in 4-Bett-Zimmer umgebaut. Mit der Fertigstellung des Anbaus im Jahr 2005 wurden diese vor allem 2-Bett-Zimmer umgewandelt.

Seit 1987 steht den Besuchern, aber auch allen anderen obdachlosen Menschen eine Arztpraxis zur Verfügung, in der sie sich untersuchen und behandeln lassen können. Ergänzt wird die medizinische Versorgung der wohnungslosen Männer durch die Münchner Straßenambulanz, die seit 1997 ihren Dienst versieht.

Angeschlossen an das Haus ist auch eine Soziale Beratungsstation, die 1972 ins Leben gerufen wurde und seit 1984 ebenfalls in der Pilgersheimer Straße 9 bis 11 untergebracht ist. Das Ziel ist es, den Menschen mehr als nur ein Bett zu bieten, sondern mit ihnen nach Perspektiven für eine bessere Zukunft zu suchen.

»Es dauert bis man das Vertrauen dieser Menschen gewinnt, denn viele von ihnen haben schon zahlreiche Beziehungsabbrüche erlebt. Wir verstehen uns hier aber auch nicht als Dauerlösung für Männer, die aus welchen Gründen keine eigene Wohnung haben«, betont Stefanie Kabisch. Die Mehrheit der Besucher ist zwischen 35 und 55 Jahre alt, allerdings wächst die Zahl der jungen Obdachlosen zwischen 18 und 25 Jahren. »Hier schauen wir immer, ob nicht noch die Jugendhilfe greift und welche Maßnahmen hier noch möglich sind, um die Menschen so schnell wie möglich von der Straße wegzubringen«, informiert die engagierte Sozialpädagogin. Nicht alle, die hier vorsprechen sind auch arbeitslos, im Gegenteil die Zahl derer, die einer Beschäftigung nachgehen steigt. »Die Männer verdienen manchmal so wenig, dass sie hier auf dem Wohnungsmarkt in München keine Chance haben. Eigentlich wären diese Männer ein Fall für ein weiteres Männerarbeiterwohnheim«, so Stefanie Kabisch.

In den Beratungsgesprächen soll herausgefunden werden, wohin die Reise für den jeweils einzelnen gehen kann. In besonders glücklichen Fällen kann am Ende der Beratung eine Vermittlung in eine eigene Wohnung stehen, aber auch in Wohnprojekte, die sich speziell um ehemals wohnungslose Männer kümmert, wie beispielsweise das Wohnprojekt in der Gravelottestraße. Dazu müssen aber die meisten der Männer ihr Alkoholproblem in den Griff bekommen. Auch hier vermittelt der Sozialdienst Plätze in Entzugskliniken und Therapieplätze. »Bei uns im Haus herrscht Alkohol- und natürlich Drogenverbot«, betont Stefanie Kabisch weiter.

Damit es auch unter den Besuchern friedlich bleibt, sorgt ein Wachdienst für Ordnung und Ruhe. Damenbesuch ist im Haus auf den Zimmern verboten, allerdings dürfen obdachlose Frauen auch die Kantine in Anspruch nehmen. »Frauen brauchen einen besonderen Schutz, den wir hier im Haus nicht bieten könnten«, erläutert sie und weiter: »Für Frauen gibt es spezielle Einrichtungen wie beispielsweise das Karla 51«.

Das Haus an der Pilgersheimer Straße ist eng vernetzt mit den anderen Obdachloseneinrichtungen in München, damit niemand, der nachts ein Dach über dem Kopf braucht auf der Straße stehen gelassen wird. Die Betten kann man allerdings nicht im voraus buchen, sondern muss jeden Tag aufs Neue eine Bettmarke kaufen: Kostenpunkt 5 Euro die Nacht.

Zwischen 8 und 14 Uhr müssen die Männer das Haus verlassen, hier sorgt in der Zwischenzeit ein Putzdienst für Ordnung und Sauberkeit. Darüber hinaus ist an das Haus das Café Bleifrei angeschlossen, hier finden Menschen, die für den ersten Arbeitsmarkt fit gemacht werden sollen, die Möglichkeit sich zu bewähren.

Kleiderspenden für Männer werden dringend gebraucht

Das Haus an der Pilgersheimer Straße betreibt zudem eine Kleiderkammer, in der gespendete Männerkleidung und Schuhe ausgegeben werden. »Hier freuen wir uns immer über gut erhaltene Männersachen, vor allem wasserabweisende Jacken sind sehr begehrt«, berichtet Stefanie Kabisch.

Abgegeben werden können die Sachen immer vormittags an der Pforte in der Pilgersheimer Straße. Betreut werden die obdachlosen Männer von einem rund 50 köpfigen Team.

Aus Spenden werden Freizeitangebote finanziert, z.B. einen Ausflug auf die Kegelbahn oder ein Stadionbesuch. Eine willkommene Abwechslung zum harten Alltag den die Männer auf der Straße erleben. »Hierfür brauchen wir Spenden, die solche Highlights ermöglichen, aber auch für Männer, die die 5 Euro für die Nacht nicht aufbringen können«, so Stefanie Kabisch. Wer helfen möchte, bekommt Infos unter der E-Mail: ph@kmfv.de
Woschée

Artikel vom 27.02.2018
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...