Kommunalpolitiker seit 1978: Stadtrat Alexander Reissl feiert 60. Geburtstag

Alles Gute, Alexander!

Alexander Reissl an seinem Arbeitsplatz im Rathaus.	Foto: sb

Alexander Reissl an seinem Arbeitsplatz im Rathaus. Foto: sb

Moosach/München · Seit 22 Jahren im Stadtrat, davor von 1978 bis 1996 Mitglied im Bezirksausschuss Moosach (BA 10), davon zwölf Jahre als Vorsitzender. Alexander Reissl ist ein politisches Urgestein in der Landeshauptstadt. Der gebürtige Münchner feiert am 15. Februar seinen 60. Geburtstag. Die Münchner Wochenanzeiger nehmen den runden Geburtstag zum Anlass einer kleinen Zwischenbilanz.

Simone Bauer hat mit dem Vorsitzenden der SPD-Stadtratsfraktion unter anderem über seine Kindheit, wichtige menschliche Begegnungen und den Zustand seiner eigenen Partei gesprochen.

»Dem Viertel bin ich treu geblieben«

Herr Reissl, wie charakterisieren Sie Ihre Kindheit?

Alexander Reissl: Mit meiner Kindheit bin ich sehr zufrieden. Ich komme zwar aus einem Scheidungselternhaus, bin aber wohlbehütet aufgewachsen und habe nur Zuwendung erfahren. Meine ersten Lebensjahre habe ich im Haushalt meiner Großeltern in Moosach verbracht und erst mit zehn Jahren bin ich wieder zu meiner Mutter gezogen, die dann eine Wohnung in Moosach hatte. Dem Stadtviertel bin ich bis heute treu geblieben.

Sie haben am Wittelsbacher Gymnasium Abitur gemacht. Wir würden Sie Ihre Schulzeit beschreiben?

Alexander Reissl: Ich könnte für mich nicht in Anspruch nehmen, dass ich zu den besseren Schülern gezählt hätte. Insgesamt bin ich aber mit einem relativ überschaubaren Aufwand durch meine Schulzeit gekommen.

»Das mag heute anders sein«

Das hört sich nach einer gewissen Leichtigkeit an. Würden Sie sagen, dass der Druck auf schulpflichte Kinder in der heutigen Zeit zugenommen hat – vor allem auch von Seiten der Familie?

Alexander Reissl: Das ist schwierig zu beurteilen. Mein Sohn, er ist heute 26 Jahre alt, war auch auf dem Gymnasium. Einen wahnsinnigen Druck haben wir als Eltern nicht auf ihn ausgeübt. Mag sein, dass das heute bei den Eltern anders ist. Was definitiv anders ist: Heute gehen in einer Stadt wie München über 50 Prozent der Viertklässler auf das Gymnasium und vom Rest mehr als die Hälfte auf die Realschule. Das war zu meiner Zeit bei weitem nicht so. Vermutlich haben sich damit auch die Ambitionen und Erwartungen der Eltern geändert.

»Mein Lehrer war ­äußerst beeindruckend«

Welche menschlichen Beziehungen haben Ihr Leben rückblickend entscheidend beeinflusst?

Alexander Reissl: Ich hatte ein sehr enges Verhältnis zu meinem Onkel, dem älteren Bruder meiner Mutter. Auch an zwei Lehrer erinnere ich mich gerne: Für mich der interessanteste und wichtigste Lehrer war Willi Reuther, ein ehemaliger Zehnkämpfer, der zu meinem 8. Schuljahr ans Gymnasium kam. Er war äußerst beeindruckend und hat jeden Einzelnen ernst genommen. Auch meine Englisch- und Französischlehrerin Annemarie Schmitz hat mich beeindruckt. Sie hatte eine besondere Affinität zu Kindern und ihr Unterricht war super. In meiner Wehrdienstzeit war es unser Spieß, Oberfeldwebel Harry Deubler. Viele meiner Kameraden mochten ihn nicht, aber er war ein sehr engagierter Mann. Als ich mit 16 Jahren in die SPD eingetreten bin, habe ich Max Ochsenkühn sehr zu schätzen gelernt. Er hat mich schon als jungen Kerl mit eingebunden und dazu beigetragen, dass ich mein politisches Interesse aufrechterhalten habe.
Mein großes politisches Idol war Willy Brandt. Zu dieser Zeit hat er für mich die Modernisierung der Gesellschaft verkörpert. Ich war auch absolut überzeugt von seiner Ostpolitik. Willy Brandt war immer angetrieben von dem Motiv, die Folgen der Teilung zu lindern.

Vor dem 16. Geburtstag eingetreten

Können Sie sich noch an den Zeitpunkt und die Motive für Ihren Eintritt in die SPD erinnern?

Alexander Reissl: Am 8. Februar 1974 bin ich in die SPD eingetreten, eine Woche vor meinem 16. Geburtstag. Meine politischen Erinnerungen reichen zurück bis in meine Kindheit. Im Haushalt meiner Großeltern wurde jeden Tag über Politik geredet. Meine Familie war grundsozialdemokratisch. Da bildet man sich natürlich schon als Kind eine Meinung. Kommunalpolitik mache ich bereits seit 1978, also seit genau 40 Jahren. Mit 23 Jahren war ich bereits schon Fraktionssprecher der SPD im BA.

Kann es sein, dass Sie vor allem deshalb immer ein Münchner SPDler geblieben sind, weil die SPD in München eine Macht und im Land, inzwischen ja auch im Bund, eher als schwächlich empfunden wird?

Alexander Reissl: Ich hatte nie einen politischen Lebensplan. Meine kommunalpolitische Arbeit macht mir auch nach über 20 Jahren im Stadtrat große Freude. Dass ich weder in die Bundes- noch in die Landespolitik gewechselt bin, habe ich nie bereut. Kommunalpolitik ist abwechslungsreich und spannend. Wir können Ideen einbringen und umsetzen. Außerdem sind wir viel näher an den Menschen.

Ist die SPD noch immer die Partei der sogenannten kleinen Leute, für die Sie sich gerade im Schicki-Micki-München noch immer verantwortlich fühlen?

Alexander Reissl: Die SPD ist seit langer Zeit keine Arbeiterpartei mehr und in ihrer Mitgliederstruktur eher Angestellten geprägt. Von ihrem Anspruch her ist sie aber immer noch sehr stark an den sogenannten kleinen Leuten orientiert. Ob das in der SPD allerdings immer richtig formuliert wird, weiß ich nicht, denn da sprechen die Wahlergebnisse eigentlich dagegen.

»Eine Stadt, in der viele Platz haben«

Welches sind die größten Herausforderungen, die die Stadtgemeinschaft München in den nächsten Jahren bestehen muss?

Alexander Reissl: Wir möchten auch in Zukunft eine integrierte Stadtgesellschaft sein, in der viele Platz haben – und zwar nicht wie in anderen Städten, nur während der Arbeitszeit. Auch das Thema Wohnungsbau ist ein Wichtiges. Die Stadt wächst stark. Das führt gleich zur nächsten Herausforderung: die Auseinandersetzung mit den Nachbarn. Das ist oft schwierig. Natürlich ist auch der zunehmende Verkehr ein Thema. Nach wie vor nehmen die Zulassungszahlen der Autos zu. Wir werden den Verkehr nur dann einigermaßen vernünftig bewältigen, wenn der öffentliche Nahverkehr massiv ausgebaut wird. Wir müssen zudem kräftig in die Infrastruktur, wie zum Beispiel Kindergärten und Schulen, investieren. Und auch das wird richtig Geld kosten.

Was ist mit dem Thema Integration?

Alexander Reissl: Da sehe ich keine große Herausforderungen auf uns zukommen, weil es in München eigentlich gut funktioniert. Natürlich bin ich nicht so illusorisch zu glauben, dass wir eine vollkommen integrierte Stadtgesellschaft haben werden. Das wird nie so sein, ist aber vollkommen unabhängig von Nationalitäten.

»Ergebnisse gemeinsam zu vertreten«

Wenn Sie einen parteipolitischen Wunsch zum Geburtstag frei hätten. Welcher wäre das?

Alexander Reissl: Ich würde mir wünschen, dass die SPD wieder vernünftige Willensbildung betreibt. Und wenn sie dann zu einem Ergebnis kommt, wäre ich froh, wenn die Partei das Ganze am nächsten Tag nicht gleich wieder in Frage stellt. Das halte ich nämlich für die Hauptursache, warum es der SPD so schlecht geht. Natürlich darf es einen Meinungsstreit geben. Zum demokratischen Prozess gehört aber auch, gemeinsam ein Ergebnis zu erarbeiten und dieses dann gemeinsam zu vertreten.

Gibt es in der Politik echte Freundschaften?

Alexander Reissl: Ja, die sind möglich, aber vielleicht nicht unbedingt an der Tagesordnung.

»Der Rest der Welt beneidet uns«

Sinkende Wahlbeteiligungen, nachlassendes Interesse an politischen Veranstaltungen: Sie haben jahrelange politische Erfahrung. Wie erklären Sie sich die heutige Demokratiemüdigkeit der Menschen?

Alexander Reissl: Die Frage ist, warum sich überhaupt so eine Unzufriedenheit breit gemacht hat. Am 8. Mai 2018 haben wir seit 73 Jahren Frieden. Wir leben in einem wohlhabenden und funktionierenden Staat und haben unser Grundgesetz, das eine große Errungenschaft ist. Ich will überhaupt nicht alles schön reden. Aber im Großen und Ganzen sind die allgemeinen Lebensumstände für die allermeisten Menschen so gut, dass uns der Rest der Welt beneidet. Ich persönlich wüsste kein Land, in dem ich lieber leben würde als in Deutschland.

»Der Druck darf nicht zu stark werden«

In fünf Jahren möchte ich…

Alexander Reissl: …, dass wir die Attraktivität unserer Innenstadt nach wie vor erhalten haben. Das ist heute in einer Zeit mit Online-Shopping keine Selbstverständlichkeit mehr.

In zehn Jahren möchte ich…

Alexander Reissl: … zurückblicken und sagen können, dass wir die Stadt weiterentwickelt haben. Der Druck auf die Menschen darf nicht so stark werden, dass sie aus der Stadt verdrängt werden.

Und eine kurze Abschlussfrage: Pro oder Contra GroKo?

Alexander Reissl: Es ist der Sinn einer politischen Partei, zu Wahlen anzutreten, um eine Regierung zu bilden oder sich daran zu beteiligen. Nur so hat sie die Chance, ihre politischen Ziele zu realisieren. In eine Koalition, egal mit wem, geht man nicht um jeden Preis. Aber man sollte über die mögliche Alternative nachdenken, denn bei einer Neuwahl würde die SPD unter ganz schwierigen Voraussetzungen antreten und nach meiner Überzeugung ein deutlich schlechteres Ergebnis als am 24. September 2017 erzielen. Das kann nicht unser Ziel sein.

Herr Reissl, vielen Dank für das Gespräch!
sb

Artikel vom 14.02.2018
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