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Direktkandidaten fordern die Bürger zur Stimmabgabe auf

Einer von ihnen wird's – er oder sie wird den Wahlkreis Erding-Ebersberg direkt in Berlin vertreten. Es wird erwartet, dass Andreas Lenz von der CSU (oben links) wieder das Rennen macht.

Einer von ihnen wird's – er oder sie wird den Wahlkreis Erding-Ebersberg direkt in Berlin vertreten. Es wird erwartet, dass Andreas Lenz von der CSU (oben links) wieder das Rennen macht.

Erding/Ebersberg · In der Bundesrepublik Deutschland gilt das Wahlrecht – ein Recht, von dem die Menschen vor allem bei Bundestagswahlen fleißig Gebrauch gemacht haben. Doch immer mehr Menschen scheinen auf dieses Recht keinen besonderen Wert mehr zu legen.

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Bei der Bundestagswahl 2013 lag die Wahlbeteiligung bei 71,5 Prozent, 0,7 Prozentpunkte über dem bisherigen absoluten Tiefstwert von 2009. Entgegen dieser Entwicklung ist die Beteiligung in Bayern von 71,6 (2009) auf ein Allzeittief von 70 Prozent (2013) gesunken. Das soll bei der Bundestagswahl am 24. September besser werden. Dafür plädieren die Direktkandidaten des Wahlkreises Erding-Ebersberg. In Deutschland wird niemand vom Staat zur Wahl verpflichtet – wohl aber von der Gesellschaft. So sieht es zumindest Dr. Andreas Lenz, CSU-Direktkandidat im Wahlkreis Erding-Ebersberg: »Wählen ist ein Privileg und eine Verpflichtung. Gerade wenn man sieht, dass es in vielen Teilen der Welt nicht möglich ist an Wahlen teilzunehmen, wird dies deutlich.« Eine moralische Verpflichtung zur Teilnahme an der Demokratie, die ohne die Stimmen der Bürger nicht funktionieren würde.

Für den SPD-Kandidaten Ewald Schurer handelt es sich auch um eine Verpflichtung sich selbst gegenüber. Er sagt: »Die Wahl zwischen politischen Ideen zu haben, bedeutet, dass politische Gegebenheiten der Möglichkeit unterliegen, verändert zu werden. Diese Möglichkeit sollte man stets nutzen.«

Anna-Maria Lanzinger, Direktkandidatin der Grünen, sieht in einer hohen Wahlbeteiligung auch ganz politisch-pragmatische Gründe. So sei in den Niederlanden durch die hohe Wahlbeteiligung ein Einzug der Rechten ins Parlament verhindert worden. »Das Wahlrecht stützt unsere Demokratie und jede Stimme kann die Richtung im Land verändern«, gibt Lanzinger den Wählern ermutigend mit – besonders denjenigen, die ihre Stimme in der Gesamtzahl von 60 Millionen Wahlberechtigten als nahezu wirkungslos betrachten.

Politik bedeutet Gestalten, Politik bedeutet aber auch Frust. Frust darüber, die eigene Position nicht in ausreichendem Maße in einen Kompromiss einbringen zu können. Darunter haben in erster Linie die am Politikbetrieb Beteiligten zu leiden. Und leidensfähig muss man in dem »Job« sein, egal ob man der Regierung oder der Opposition angehört.

Auch die Bürger haben Vorstellungen und Ansichten und wenn »die da oben« Entscheidungen treffen, die gegen die ganz individuellen Ansichten der Bürger stehen, sei es bei der Flüchtlingspolitik oder bei der Energiewende, dann wächst auch bei ihnen der Frust. Immer wieder und vor allem immer häufiger nutzen die Wähler ihren Stimmzettel als Denkzettel und wählen Protest. Dabei kann jeder in Deutschland politisch arbeiten. Das ist sogar ausdrücklich erwünscht und Teil der Herrschaft des Volkes, der Demokratie. Findet auch Peter Pernsteiner, der in Erding-Ebersberg für die FDP antritt: »Wir können stolz darauf sein, dass wir im Gegensatz zu anderen Ländern in einer echten Demokratie leben und diese durch unsere Wahl mitgestalten können. Wer nicht wählen geht, stärkt indirekt die radikalisierenden Tendenzen von Parteien am Rande der Demokratie.«

Protest, das könnte auch ein Grund für eine Stimmabgabe für die ÖDP sein – ein Protest gegen ein Parteiensystem, das nach Ansicht dieser hartnäckigen Partei, zu sehr von außen beeinflusst wird. Ohne ihre eigene Partei hervorzuheben, betont die ÖDP-Direktkandidatin Christina Treffler, es gebe »entgegen der landläufigen Meinung Alternativen, die unabhängige, weil von Konzernspenden freie Politik betreiben«. Die muss man halt finden und dabei hilft leider auch der Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung nicht. Denn die Frage nach Parteienfinanzierung stellt er nicht. Die großen, aktuell heiß diskutierten Politikfelder aber deckt er durchaus ab und eignet sich durchaus für die eigene Orientierung. Und dann ist die Entscheidung in der Wahlkabine auch nicht mehr so schwierig, was wiederum der Demokratie hilft.

Andreas Zimmer, Direktkandidat der Bayernpartei in Erding-Ebersberg, betont, das allgemeine und gleiche Wahlrecht sei die tragende Säule unserer Demokratie. »Die Teilnahme des Volkes an Wahlen entspricht politischer Mitsprache und bestätigt das wichtige Zusammenspiel zwischen Wählern und Repräsentanten.«

Kritik übt Zimmer an Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU), dem unterstellt wird, er habe dazu aufgerufen, nur »staatstragende« Parteien zu wählen oder gar nicht. Tatsächlich hat er als CDU-Politiker in einer Spontanentscheidung gesagt, es sei besser, nicht zu wählen als die AfD zu wählen. Um danach ausdrücklich klarzustellen, dass er nicht fürs Nicht-Wählen plädiere. Damit liegt Altmaier dann auch wieder auf einer demokratischen Linie mit Andreas Zimmer, der appelliert: »Die Bayernpartei und ich bitten alle Wähler zur Wahl zu gehen und ihre Stimmen abgeben. Nur das ist Demokratie.«

Diese Haltung vertritt auch die AfD-Kandidatin Brigitte Fischbacher. Sie sagt: »Das Wahlrecht ist ein elementares Recht der Demokratie und bezeichnend für diese. Durch das Wahlrecht hat der Bürger die Möglichkeit, seine Interessen über die Verteilung der Mandate in die Parlamente zu transportieren.« Dabei hofft sie aus nachvollziehbaren Gründen, dass sie und ihre Partei vom zuletzt leicht ansteigenden Trend für die AfD profitieren. Für sie selbst spreche die Tatsache, dass sie in der Politik ein unbeschriebenes Blatt sei: »Ich bin als Quereinsteigerin unbelastet von zurückliegenden politischen Entscheidungen und kann somit vorbehaltlos meine Ziele und die Ziele meiner Partei vertreten.«

Das nimmt auch Andreas Zimmer für sich in Anspruch und definiert dabei die Eckpfeiler seiner Politik und die der Bayernpartei: »Ich sehe mich und meine Partei als letzte liberale, wertekonservative und lösungsorientierte Kraft in unserem Land.«

Christina Treffler erklärt ihre Politik und die der ÖDP mit einem ganz einfachen Prinzip: »Ich verfolge mit meiner Politik genau das, was sich die meisten Wähler wünschen: dass der Mensch wichtiger als Profit ist.« Wer würde das nicht unterschreiben? Und doch sagt es nicht jeder explizit.

Die FDP hat vier Jahre Opposition genutzt, um sich neu zu positionieren. An sich klingt es durchaus attraktiv, wenn Peter Pernsteiner erklärt, »seine« FDP wolle unter anderem die ausufernde Bürokratie bekämpfen »und nicht Probleme durch halbherzige GroKo-Kompromisse vor uns herschieben.«

Anna-Maria Lanzinger wirkt dagegen eher gebetsmühlenartig, wenn sie fordert, Leute mit unteren und mittleren Einkommen oder Sozialleistungen zu entlasten und die Menschen mit hohem Einkommen sowie die Industrie zur Verantwortung zu ziehen, damit endlich Chancengleichheit herrscht, »egal, wo man her kommt oder welches Geschlecht man hat«. Auch fordert sie ein konsequentes Vorgehen gegen den Klimawandel, die Kohlekraft und den Dieselskandal. Immer dasselbe? Mag sein, aber so lange an diesen Themen niemand nachhaltig rührt, ist es wahrscheinlich einfach notwendig, sie immer wieder auf den Tisch zu bringen – Gebetsmühle hin oder her.

Die Sorgen und Probleme des Volkes sind vielfältig. Ewald Schurer setzt auf ehrliche Geradlinigkeit mit viel Erfahrung und starkem Rückgrat. »Damit setze ich mich auch weiterhin für bezahlbaren Wohnraum, eine gute öffentliche Infrastruktur und für eine gerecht bezahlte Arbeit ein, von der Menschen und Familien gut leben können.«

Etwas allgemeiner fasst Andreas Lenz seinen Ansatz: »Wir sind eine erfolgreiche Region, das soll auch so bleiben – dafür setze ich mich ein. Trotzdem gibt es auch bei uns Herausforderungen, die wir anpacken müssen.« Ihm sei es wichtig, »dass wir auch in Zukunft von unseren Stärken profitieren und die Schwächeren nicht zurück lassen.«

Für die Aussagen haben wir alle acht Direktkandidaten des Wahlkreises Erding-Ebersberg gleichzeitig per E-Mail angefragt. Verwendet haben wir die Aussagen aller Kandidaten, die uns innerhalb der gesetzten Frist antworten konnten, immerhin sechs von acht. Die siebte Rückmeldung erreichte uns erst nach Redaktionsschluss der Druckausgabe, wurde jedoch in diesen Online-Artikel noch eingepflegt. Ob ein Politiker auf Presseanfragen fristgemäß antwortet, sollte für die Wähler kein Kriterium für ihre Wahlentscheidung sein, sondern allein die Inhalte. Wichtig ist jetzt, dass möglichst viele ihr Wahlrecht nutzen. Von Carsten Clever-Rott

Artikel vom 22.09.2017
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