Späte Ehrung einer Heldin

Straßenname erinnert künftig an Widerstandskämpferin Mirjam David

Mit Blick in die Straße, die nun den Namen Mirjam Davids trägt: Kommunalreferent Axel Markwardt, ihre Tochter Dr. Franziska Rauch, Dr. Hildegard Kronawitter, Vorsitzende der Weiße Rose Stiftung, und Werner Albrecht, SWM (v. l.)	 Foto: kb

Mit Blick in die Straße, die nun den Namen Mirjam Davids trägt: Kommunalreferent Axel Markwardt, ihre Tochter Dr. Franziska Rauch, Dr. Hildegard Kronawitter, Vorsitzende der Weiße Rose Stiftung, und Werner Albrecht, SWM (v. l.) Foto: kb

München-Moosach-Schwabing · Wie so viele sprach Mirjam David nicht über die Zeit, in der sie im Konzentrationslager Ravensbrück interniert war. Die Haft hatte tiefe seelische Wunden hinterlassen.

So manches fiel ihr schwer. Selbst das Backen eines Kuchens war ihr nicht mehr möglich, da der Anblick eines Ofens die gebürtige Münchnerin in Panik versetzen konnte. Die Verbrechen des NS-Regimes blieben ihr als unauslöschliche Erinnerungen im Gedächtnis, quälten sie bis an ihr Lebensende 1975. Mirjam David wurde nur 58 Jahre alt. Ihr zur Ehren trägt nun eine Straße im Stadtteil Moosach den Namen Mirjam-David-Straße.

Neben der Mathematikerin Emmy Noether und der Physikochemikerin Agnes Pockels komplettiert sie nun das Trio wissenschaftlicher Namensgeberinnen für die Straßen rund um den M-Campus mit SWM Zentrale, Münchner Technologiezentrum und städtischem IT-Rathaus. Mirjam David wuchs in Schwabing auf. Sie studierte Chemie an der Ludwig-Maximilians-Universität und arbeitete im Umfeld des Nobelpreisträgers Heinrich Wieland. Den Nazis galt sie gemäß der NS-Rassenideologie als »Mischling«, da ihr Vater Jude war. Nur die schützende Hand des Chemieprofessors Wieland ermöglichte der begabten jungen Frau wissenschaftlich zu arbeiten. Ihre Doktorarbeit konnte sie jedoch nie fertigstellen.

1943 wurde sie verhaftet und kam ins KZ Ravensbrück. 1944 wurde sie zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt. Ihr Vergehen? Sie engagierte sich in der Widerstandsgruppe Weiße Rose gegen das NS-Regime.

»Ich bin gerührt«, erklärte Miriam Davids Tochter Franziska Rauch anlässlich der offiziellen Einweihung der nach ihrer Mutter benannten Straße, den Tränen nahe. »Trotz aller Hinderungen, die sie für den Rest ihres Lebens plagten, war meine Mutter ein wunderbarer, gerader und froher Mensch – immer ganz dem Positiven zugewandt. So lehrte sie mich: ›Stell Dir das Leben vor, als ob Du einen reißenden Fluss überquerst. Du springst von Stein zu Stein, bis Du am anderen Ufer ankommst. Die Steine sind die Freuden, der reißende Fluss die Widrigkeiten und Schmerzen. Spring einfach von Stein zu Stein.‹ Und eine Überlebende des KZ Ravensbrück sagte mir: »Menschen wie Deine Mutter haben die Ehre Deutschlands gerettet.‹ Ja, meine Mutter war eine Heldin. Sie hat Widerstand gegen die Unmenschlichkeit der Diktatur des Dritten Reiches geleistet und sie hat überlebt.«

Hildegard Kronawitter, Vorsitzende der Weiße Rose Stiftung, erklärte, dass Straßen, Schulen und Plätze »die intensivsten Träger von Erinnerung« seien und dass die Benennung einer Straße eine besondere Ehrung durch die Stadt München darstelle. »Die Würdigung von Mirjam David, dieser begabten und engagierten Münchner Wissenschaftlerin, ehrt eine für viele unbekannte Frau des Widerstands. Zu Recht! Neben den bekanntesten Namen wie Hans und Sophie Scholl, Willi Graf, und Prof. Kurt Huber sind es die vielen öffentlich unbekannten Unterstützer, die es seinerzeit gab und die der Weißen Rose ermöglichten, ihre Botschaften auch über die Ludwig-Maximilians-Universität und München hinaus zu verbreiten. Es ist daher ein guter Tag für die Erinnerungskultur in dieser Stadt, wenn wir dieser Münchnerin gedenken.«

Zu den bekanntesten Vertretern des Münchner Widerstandes gegen das NS-Regime gehört Mirjam David nicht. Dennoch ist sie eine Frau, die »Zivilcourage und Haltung« bewiesen habe, wie Kommunalreferent Axel Markwardt betonte. »Der Vorschlag, die neu geschaffene Verbindung vom Agnes-Pockels-Bogen zum Georg-Brauchle-Ring nach Mirjam David zu benennen, kam direkt von den SWM. Dieser Benennung hat der zuständige Kommunalausschuss des Stadtrats sehr gerne entsprochen.« Nach Frauen wie ihr wolle die Stadt auch künftig Straßen benennen.

Leben und Wirken Mirjam Davids sind noch nicht in Gänze erforscht. Nicht alle Quellendokumente wurden bisher gesichtet und ausgewertet. Selbst der Inhalt ihrer Anklageschrift ist nicht bekannt. Da Mirjam David selbst nicht über das sprechen konnte, was ihr widerfahren ist, müssen nun die noch vorhandenen Quellen von den nachgeborenen Generationen zum Sprechen gebracht werden. Als junge Wissenschaftlerin hat sie einem Unrechtsregime die Stirn geboten. Eine Straße nach der mutigen Münchnerin zu benennen, fordert auch die Nachwelt auf, sich mit ihr zu befassen. Katja Brenner

Artikel vom 07.06.2017
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