Bildung für Herz und Hand

AG der Artur-Kutscher-Realschule begeht in Nepal neue Wege

Zurück in München: Neun Schülerinnen und Schüler der Artur-Kutscher-Realschule waren gemeinsam mit ihren Lehrkräften Bianca Baur und Florian Kern sowie Schulleiterin Renate Lotterschmid im Himalaya unterwegs.	Foto: AKR

Zurück in München: Neun Schülerinnen und Schüler der Artur-Kutscher-Realschule waren gemeinsam mit ihren Lehrkräften Bianca Baur und Florian Kern sowie Schulleiterin Renate Lotterschmid im Himalaya unterwegs. Foto: AKR

Moosach/Manang · »Man merkt die Höhe vor allem beim Fußballspielen. Zwei Sprints und du bist k.o.«, erklärt Simon seinen Mitschülern an der städtischen Artur-Kutscher-Realschule (AKR) in Moosach. Klar: An Schulen wird Fußball gespielt. Aber warum denn so weit oben?

Lernen im Leben: Helfen in Nepal

Simon hat, so wie acht weitere Schülerinnen und Schüler der AKR, an dem Wahlkurs »Lernen im Leben – Wir übernehmen Verantwortung in Nepal« teilgenommen. Das Besondere: Dieser Kurs lebt nicht von der grauen Theorie. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer fahren gemeinsam für drei Wochen nach Nepal, um dort eine Partnerschule der AKR zu Besuchen.

Denn wie man es auch dreht und wendet: Nicht für die Schule, sondern fürs Leben lernen wir. Schulen sehen sich jedoch immer wieder mit den Vorwürfen konfrontiert, dass sie in ihrer Herangehensweise weltfremd seien, praktisches Handeln kaum eine Rolle spiele und Fächer und Unterrichtsstoff im Vordergrund stünden. Kurzum: Es mangle der Bildungsinstitution an Bezug zum »richtigen Leben«.

Ob eine Schule ihrem verfassungsmäßigen Auftrag, nicht nur Wissen und Können zu vermitteln, sondern auch Herz und Charakter zu bilden, gerecht wird, steht und fällt nicht zuletzt mit dem Geist, der an einer Schule herrscht.

Die AKR kann sich hier glücklich schätzen: Schulleiterin Renate Lotterschmid stehen engagierte junge Kolleginnen und Kollegen zur Seite, die ihr dabei helfen einen ganzheitlichen Bildungsanspruch zu verwirklichen. Schließlich werden die Bildungsziele Verantwortungsbewusstsein und Verantwortungsfreudigkeit an der AKR groß geschrieben.

Bereits in der siebten Jahrgangsstufe suchen sich die Schülerinnen und Schüler selbstständig ein Projekt, bei dem sie für ein halbes Jahr etwa einmal wöchentlich Verantwortung übernehmen, sei es nun im Tierheim, in einem Kindergarten oder im Altenheim.

Diese Möglichkeit besteht auch für die Achtklässler: Beim Projekt »Lernen im Leben – Wir übernehmen Verantwortung in Nepal« bereiten sich Jugendliche ab der achten Klasse darauf vor, selbst für drei Wochen mit Hilfsgütern ausgestattet ins Manangtal, nördlich des Annapurna Himals auf einer Höhe von fast 4000 Metern, zu ihrer Partnerschule zu reisen. Die erste Gruppe ist vergangenen Herbst dort gewesen. Nun haben sie denen, die gerne als nächstes fahren möchten, beim Nepal-Abend der AKR von ihrer Reise berichtet.

Die Vorbereitung hierauf dauert gut zwei Jahre. Viele wollen selbstverständlich mit, die mögliche Teilnehmerzahl ist jedoch begrenzt und die Teilnahme an Bedingungen geknüpft. Wer mit möchte, muss im Vorfeld ein Motivationsschreiben verfassen aus dem hervorgeht, warum man teilnehmen will, was man bei dem Projekt erreichen will und worin man seine eigenen Stärken und Fähigkeiten sieht. Bereits in diesem ersten Schritt müssen die Reise-Aspiranten selbst Verantwortung für den Fortgang ihres Bewerbungsprozesses übernehmen.

Nach einer Erstauswahl werden die Jugendlichen auf ihre Teamfähigkeit getestet, schließlich ist die Reise ins abgelegene Manangtal keine einfache: Auf den schmalen Pfaden, die zur Lophelling-Schule führen, ist man gute sechs Tage zu Fuß unterwegs. Hier muss man sich auf einander verlassen können. Zur Reisevorbereitung gehört aber auch der Wahlunterricht »Wir helfen in Nepal«. Alle zwei Wochen trifft sich die Gruppe, um Wissenswertes über Nepal und über die Partnerschule zusammenzutragen. Ein Jahr lang werden Hilfsgüter gesammelt, der Kontakt zur Lophelling-Schule aufgenommen und gepflegt. Zu Beginn der zehnten Klasse ist es dann endlich soweit: Die Nepal-Gruppe macht sich auf den Weg. Die Jugendlichen, die vergangenen Herbst dabei waren, hatten gleich 40 Paar Winterstiefel, warme Kinderkleidung und Medikamente mit im Gepäck – für die Kinder im Manangtal.

Eine echte Bildungsreise

Von ihrer Tour nach Nepal und von dem Fußmarsch ins Manangtal berichteten sechs der neun mitgereisten Schülerinnen und Schüler kürzlich bei einer Informationsveranstaltung für die achten Klassen der AKR. Gespickt mit Anekdoten erklärten sie, was einen auf der Reise – außer der Aussicht auf Annapurna II im Sonnenschein beim Frühstück – erwartet.

Sie erzählten von Chapati und Masala Chai, vom Gehen über Hängebrücken, von der Sorge, nicht gut genug Englisch zu sprechen um sich mit den Kindern der Partnerschule zu unterhalten und von der Herzlichkeit der Menschen, die in einem entlegenen Tal in einem der ärmsten Länder der Welt wohnen. Sie berichteten begeistert vom Singen und Tanzen mit den Kindern und vom gemeinsamen Spiel. Trotz aller Hilfsbereitschaft möchte die AG der AKR aber nicht als Geber anreisen. Die Nepal-Gruppe setzt auf die Begegnung auf Augenhöhe sowie auf langfristiges Engagement. Folglich hat die AKR auch selbst, als Schulgemeinschaft, ein Patenkind an der Lophelling-Schule im Manangtal übernommen. Denn die Kinder dort brauchen, um eine weiterführende Schule im knapp 50 Kilometer entfernten Pokhara zu besuchen, einen Sponsor.

An der AKR werden, um den Kindern im Manangtal durch Bildung ein besseres Leben zu ermöglichen, regelmäßig Spenden gesammelt, zum Beispiel durch Kuchenverkäufe der SMV. Zwei Drittel der Einnahmen aus dem im Zweijahresturnus stattfindenden Spendenlaufs gehen an die Nepal Initiative Schongau. Ohne den guten Kontakt zu dem gemeinnützigen Verein wäre das Hilfsprojekt der AKR womöglich nie zustande gekommen.»Wir schätzen die Kooperation mit der Nepal Initiative sehr. Hier können wir uns sicher sein, dass jeder Cent ankommt«, erklärt Schulleiterin Lotterschmid.

Denn hiervon profitieren nicht nur die Kinder im Manangtal. Lea, Lilly, Laura, Melina, Fin, Nico, Niklas, Simon und Simon waren vergangenen Herbst bei der Patenschule. Das Erlebnis hat sie nicht nur als Gruppe eng zusammenwachen lassen. Die Reise, wenn auch sie nur drei Wochen gedauert hat, hat sie nachhaltig geprägt – und das merkt man den aufgeschlossenen jungen Erwachsenen an.

Lernen im Leben heißt schließlich auch, an den Aufgaben, denen man sich stellt, zu wachsen. Das Leben »da draußen« in seinem ganzen Facettenreichtum und seiner Vielschichtigkeit, ist letztlich als Lernort und zur Persönlichkeitsentwicklung unersetzbar. Gerade deshalb ist es umso beeindruckender, dass eine Schule hier neue Wege beschreitet und es sich zur Aufgabe gemacht hat, interkulturelle Begegnungen jenseits des fast schon obligatorischen Schüleraustauschs zu ermöglichen. Beide Simons wollen übrigens nach der FOS erneut gemeinsam zu den Kindern im Manangtal reisen und dort ein freiwilliges soziales Jahr ableisten. Doch auch die Schülerinnen und Schüler, für die der Besuch dort ein einmaliges Erlebnis war, können zurecht stolz darauf sein, an dieser Reise gewachsen zu sein.

Katja Brenner

Artikel vom 29.03.2017
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