Krieg nährt den Krieg

Zum Frieden mahnend begeht Moosach den Volkstrauertag

Im Wandel der Erinnerungskultur: vom Kriegerdenkmal zum Zeichen der Mahnung.	Foto: Katja Brenner

Im Wandel der Erinnerungskultur: vom Kriegerdenkmal zum Zeichen der Mahnung. Foto: Katja Brenner

Moosach · »Meide den Krieg«, gab schon der bayerische Kurfürst Maximilian I., dessen halbes Leben von Zerstörung, Elend und Hungersnot während des Dreißigjährigen Krieges geprägt war, seinem Sohn Ferdinand-Maria in seiner »Monita Paterna« mit auf den Weg.

»Wer den Krieg nennt, der nennt allerhand Übel mit einem einzigen Wort.« Ferdinand Maria nahm sich diese Mahnung zu Herzen, und in Rückschau bleibt es ein frommer Wunsch, dass auch die nachgeborenen Herrscher der letzten beiden Jahrhunderte es ihm gleich getan und sich hie-rauf besonnen hätten. Doch Europa durchlebte erneut Verwüstung und Schrecken. Wieder musste die Bevöl-kerung vor dem Krieg fliehen. Generationen wurden ihrer Zukunft beraubt, Kinder ihrer Väter, Familien ihrer Töchter und Söhne. Bis heute vermissen viele Angehörige, die womöglich irgendwo auf der Welt in einem Kriegsgrab ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Um diese Gräber kümmert sich der »Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V.«, der auch die zentrale Gedenkstunde zum Volkstrauertag im Plenarsaal des Deutschen Bundestages am Sonntag, 13. November, veranstaltet. Der Volkstrauertag wird aber auch dezentral begangen, wie etwa am Moosacher St.-Martins-Platz. Seit nun fast 100 Jahren gibt es den Gedenktag hierzulande.

Er kann bereits jetzt auf eine wechselvolle Geschichte zurückblicken. Für politische Zwecke wurde er seit seiner Einführung von verschiedensten Gruppierungen instrumentalisiert, etwa während des Nationalsozialismus, als er zum »Heldengedenktag« überformt und seiner Funktion als Trauertag beraubt wurde. Heute erinnert er jedoch an die Kriegstoten und die Opfer von Gewaltherrschaft aller Nationen, er will zum Frieden, zur Versöhnung und zur Verständigung mahnen. Denn in Kriegen kommen nicht nur Soldaten, sondern auch Zivilisten zu Tode. Insbesondere die Endphase des Zweiten Weltkriegs hat ausgesprochen viele zivile Opfer, auch auf deutscher Seite, gefordert. Ein erheblicher Teil dieser Menschen starb auf der Flucht oder nachdem er gewaltsam vertrieben worden war. Aus aktuell gegebenem Anlass steht der diesjährige Volkstrauertag daher ganz im Zeichen von Flucht und Vertreibung – auch auf dem Weg zu einer gemeinsamen europäischen Erinnerungskultur, in der sich ein angemessener Platz für die Erfahrungen aller Beteiligten eröffnen muss, frei von der Patina nationalstaatlichen Pathos’. Denn getrauert wird an diesem Tag nicht alleine, jeder für sich, sondern in Gemeinschaft. Das ist wichtig, weil alle gemeinsam daran erinnert werden, wie kostbar Demokratie, Menschenwürde und Menschenrechte für Bayern, Deutschland und Europa sind. Weltweit müssen Menschen Angehörige betrauern, denen das Leben durch den Krieg genommen wurde. Dieses Erbe ging auch an Moosach nicht vorbei. Wenn man über den St.-Martins-Platz spaziert, kommt man an jenem Denkmal vorbei, an dem das Totengedenken am Sonntag, 13. November, ab 10 Uhr mit einer Kranzniederlegung vonstatten geht: Hier befindet sich heute ein Mahnmal, bestehend aus einer Pietà und einer Gedenkwand mit den Namen der Toten und Vermissten. Nächstes Jahr feiert das Monument in seiner gegenwärtigen Form 60-jähriges Bestehen. Entsprechend ist gerade eine Denkschrift in Arbeit, in der der »Geschichtsverein Moosach e.V.« Interessierten die Historie des Denkmals näher bringen will. Und die ist bewegt. Denn nach der ersten Einweihung im Juli 1910 wurde die damalige Statue 1939 entfernt. Erst durch Spenden und einen Zuschuss der Stadt München bekam Moosach 1957 wieder einen Gedenkort für die zahlreichen zu betrauernden Kriegsopfer.

Aufgabe Erinnerung

Die Figur des ursprünglichen Denkmals stand für einen anderen Zeitgeist, für einen jener Jahrhunderte, in denen kriegerische Auseinandersetzungen in Europa als sinnvolle Konfliktlösung angesehen wurden. Das frühere Monument gedachte der gefallenen Moosacher Soldaten der Jahre 1866 und 1870/71, das heutige Ensemble erinnert auch an die, die den beiden Weltkriegen von 1914 bis 1918 und 1939 bis 1945 zum Opfer fielen. Die Zahl der Namen derer, die ein ungewisses Schicksal ereilt hat und die nicht zurückgekehrt sind, ist auch in Moosach hoch. Das monumentale Erzstandbild eines bayerischen Infanteristen gehört der Vergangenheit an. Es ist einem stilleren, nachdenklicheren, weniger heroisierenden Gedenken gewichen. Die steinerne Mater dolorosa, die an dessen Stelle getreten ist, erinnert eben nicht ausschließlich an die Gefallenen, sie betrauert alle Kriegstoten. Auch ist sie als Zeichen der Solidarität mit all jenen, die Tote zu beklagen haben, zu verstehen. Sie gedenkt somit würdevoll der Verstorbenen, führt aber auch vor Augen, wo »Problemlösungen« durch Krieg letztlich enden.

Katja Brenner

Artikel vom 11.11.2016
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