Hinter Gittern

Auch die Richter müssen künftig in den Knast

Ein neuer Verhandlungssaal für hochsicherheitsrelevante Strafprozesse soll bald in der JVA Stadelheim entstehen. 	Fotomotiv: Architekt Peter Schwinde

Ein neuer Verhandlungssaal für hochsicherheitsrelevante Strafprozesse soll bald in der JVA Stadelheim entstehen. Fotomotiv: Architekt Peter Schwinde

Obergiesing · Derzeit erleben Beobachter beim NSU-Mammut-Prozess im Strafjustizzentrum an der Nymphenburger Straße ganz genau, wie schwierig und aufwändig derartige Verfahren in der Münchner Innenstadt sind.

Bald schon könnten aber derart aufsehenerregende Gerichtsprozesse in einem weit abgeschotteteren Umfeld stattfinden. Denn das Bayerische Staatsministerium der Justiz plant bereits seit geraumer Zeit, auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt Stadelheim für derart sensible Verfahren unter höchster Sicherheitsstufe einen neuen Hochsicherheitsgerichtssaal zu bauen. Das neue Ensemble soll ab dem Frühjahr 2014 im südwestlichen Randbereich der JVA entstehen.

Ende 2015 soll die Baumaßnahme abgeschlossen sein. Besonderheit: Im südwestlichen Randbereich innerhalb der Gefängnisanlage mit ihren sechs Meter hohen Mauern soll ein ganz spezielles Bauwerk etabliert werden. Lediglich der nahe der Stettnerstraße gelegene Zugangsbereich wird aus der Umgebung zu sehen sein – während der eigentliche Gerichtssaal unterirdisch eingerichtet werden soll. Kostenpunkt: rund 124 Millionen Euro. Vorteil aus Sicht der Justiz: nicht mehr wie derzeit müssen dann die Gefangenen auf teuren Transportwegen durch die Stadt gefahren werden.

Zudem fällt die heute noch aufwändige, zusätzliche Sicherheitslogistik weg. Die Wege werden dann kürzer: wenn die in der JVA untergebrachten Untersuchungshäftlinge nur noch von den Zellen in den Gerichtssaal verbracht werden. Dafür soll eine Direktverbindung zwischen den Zellentrakten und dem neuen Gerichtssaal geschaffen werden. Dazu wird ein neuer Zugang an der Stettnerstraße für die Besucher der Prozesse geschaffen werden. Auf ebenfalls kurzen Wegen sollen diese in die Kontrollbereiche und schließlich in den neuen, hochmodern konzipierten Gerichtssaal gelangen. Künftig können dank der ohnehin bereits hochqualifizierten Sicherheitsstandards in Stadelheim Verfahren mit hoher Sicherheitsrelevanz durchgeführt werden. Strafverfahren gegen organisierte Kriminalität, gegen internationalen wie nationalen Terrorismus und Staatsschutzverhandlungen dürften künftig jenseits der Mauern an der Stettnerstraße durchgeführt werden.

Was kommt auf die Anwohner zu?

Wird der Bereich rund um die JVA endgültig zur sicherheitstechnischen Bannmeile während aufsehenerregender Mammutprozesse? Beim bayerischen Justizministerium will man die Umfänge richtig eingeordnet wissen. Grundsätzlich würden solche sicherheitssensiblen Verfahren wie der derzeit laufende NSU-Prozess in Stadelheim stattfinden – allerdings, betont Justiz-Sprecher Hannes Hedke, könne das NSU-Verfahren wegen seiner Dimension »nicht als beispielgebend« für die künftige Prozessausrichtung im Münchner Süden gelten. »Mit einem Prozess dieses Umfangs un d öffentlichen Interesses ist die Münchner Justiz zum ersten Mal konfrontiert«, argumentiert Hedke.

Künftig seien längst nicht alle dieser besonderen Verfahren derart öffentlichkeitswirksam. Apropos Bannmeile: Mögliche Ängste gerade von Anwohnern, vor der Justizvollzugsanstalt könne es im Zuge aufsehenerregender Prozesse künftig auch zu enormen Aufläufen an Demonstrierenden kommen, dürften unbegründet sein. Denn während hinter den Mauern baulich zeitgemäßere Prozessvoraussetzungen geschaffen werden, bleibt vor den JVA-Türen alles beim Alten: Demonstrationen im direkten Umgriff Stadelheims sind weiterhin nicht erlaubt.

Information für Anwohner im Herbst

Dennoch hat sich längst auch Protest bei den Anwohnern etabliert – vor allem gegen die geplante, neue Zuwegung an der Stettnerstraße. Im örtlichen Bezirksausschuss (BA) war die Causa Hochsicherheit in Stadelheim bereits in der Julisitzung Thema – allerdings in nicht öffentlicher Sitzung wurde der BA von Behördenvertretern mit Details der Planung vertraut gemacht. Von dort klang nichts nach draußen. Die Öffentlichkeit muss sich dagegen noch etwas gedulden: Immerhin ist für den September eine Informationsveranstaltung für die Anwohner geplant. An Interesse und Fragen dürfte es dann nicht mangeln. Zumal im Zuge der Baumaßnahme an der Stettnerstraße auch noch eine Einfachturnhalle geschaffen werden soll. Harald Hettich

Artikel vom 03.09.2013
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