Die Aktion war offenbar ein echter Erfolg. Viertausend Sitzschalen sind weg auf das bisher vertraute Orange folgen im Zuge des Umbaus neue Stadionsitzmöbel im städtischerseits verordneten Grauton. Die zunächst geplante Sitzfarbgebung in »Perlbrombeer« war vonseiten der Fans abgelehnt worden.
Stadion-Nostalgiker unter den Fans kamen reichlich: hunderte Anhänger vor allem des TSV 1860 schraubten vor Wochenfrist nach Herzenslust die alten Stehhallen-Sitze des Städtischen Stadions an der Grünwalder Straße ab und nahmen diese wesentlichen fußballerischen Erinnerungsstücke mit nach Hause. Wer sich eine der gut 500 städtischen Genehmigungen für diese beispiellose Aktion besorgt hatte, durfte einen oder gleich mehrere der lange das Ortsbild prägenden, orangenen Schalensitze in sein Eigentum überführen und die eigene Reminiszenz an die stolze Wirkungsstätte ausdrücken.
Jetzt sind die restlichen der früher einmal rund viertausend Sitze im Bereich der Gegentribüne komplett abgebaut. »Alle sind weg das ging recht zügig«, bestätigte Sportreferatssprecherin Ursula Oberhuber. Für die Stadt und natürlich für die Fans sei das eine wertvolle Synergie-Aktion gewesen. »Sonst hätte die Stadt die Sätze aufwändig entsorgt müssen so bilden sie für die Fans ein echtes Erinnerungsschmankerl.« Wichtig war es der Stadt, dass die wahrhaft Fußball-Gläubigen in den Genuss dieses besonderen Besitzes kamen und nicht dunkle Geschäftsinteressen dominierten: eine Selbstverpflichtungserklärung etwa mussten die fußball-närrischen Stadion-Monteure unterzeichnen, dass die eigenen Sitz-Schmankerl auch wirklich im eigenen Hobbyraum oder Fanzimmer landen und nicht etwa bei ebay für ordentliches Geld versteigert würden. Doch für wahre Fans auf Giesings Höhen käme derartiges ohnehin nicht in Frage. »Die Sitze haben Kultstatus«, ließ sich einer der Schrauber bei der Aktion vernehmen. Aber nicht nur Löwen-Fans machten der alten Bestuhlung ihre Aufwartung: sogar aus dem fernen Schweinfurt waren Anhänger des örtlichen FC 05 gekommen, um sich an der Stätte eines der größten Schweinfurter Erfolge den ein oder anderen Sitz zu sichern. Schließlich hatten die Franken im Mai 1990 durch ein heiß umkämpftes 3:3 im »Sechzger-Stadion« gegen die Löwen den Aufstieg in die Zweite Bundesliga fixiert.
Jetzt wird es allerdings Zeit für die Installation der neuen Sitze. Denn nach einjähriger Sperrung im Zuge der gut 10 Millionen Euro teuren Sanierung des Giesinger Stadion-Ovals wird die für Drittliga-Verhältnisse zurecht gestutzte Spielstätte bald wieder gebraucht. Nach dem denkbar knapp verpassten Aufstieg der jungen Löwen wird zwar auf Giesings Höhen durch die Talente-Teams der 1860er und des FC Bayern vorerst weiterhin Regionalliga-Fußball geboten. Los geht´s mit den Liga-Freuden im runderneuerten Kickertempel bereits Mitte Juli. Neben den Auftritten der beiden zweiten Mannschaften der Renommierclubs sollen auch Spiele der Damen-Bundesliga-Truppe des FC Bayern dort stattfinden.
Harald Hettich