„Ahnenpuzzle“ hält Zorneding in Atem

Zorneding · Trendy anno dazumal

Der stellvertretende Leiter der Abteilung Bodendenkmalpflege, Jochen Haberstroh, und Restauratorin Ina Schneebauer-Meißner präsentierten erste Ergebnisse für die Zornedinger Grabfunde.	Foto: Sybille Föll

Der stellvertretende Leiter der Abteilung Bodendenkmalpflege, Jochen Haberstroh, und Restauratorin Ina Schneebauer-Meißner präsentierten erste Ergebnisse für die Zornedinger Grabfunde. Foto: Sybille Föll

Zorneding · Vor rund 1400 Jahren haben die Zornedinger Damen vermutlich Umhänge aus Wolle, die mit kunstvoll gearbeiteten Spangen zusammengehalten wurden, getragen. Außerdem Ledergürtel mit Schnallen aus Schilddorn. Und ihre Stiefel waren mit dekorativen Beschlägen, sogenannten Riemenzungen, verziert.

Das sind die ersten Ergebnisse der Untersuchungen zweier frühmittelalterlicher Gräber im Zornedinger Neubaugebiet Finneck, die der stellvertretende Leiter der Abteilung Bodendenkmalpflege, Jochen Haberstroh, und sein Team am vergangenen Freitag im Landesamt für Denkmalpflege in München präsentierten. 2006 waren die Gräber bei Aushubarbeiten entdeckt worden. Seitdem leisten die Restauratoren Detektivarbeit, um die Überbleibsel der Leichen, bei denen es sich vermutlich um Bajuwaren der ersten Generation handelt, aus dem Geröll der Münchner Schotterebene zu konservieren und zu untersuchen.

Für Laien sehen die Erdproben wie Kies vermischt mit Matsch aus, der an einigen Stellen rötlich gefärbt ist. Doch genau diese Verfärbungen zeigen den Wissenschaftlern an, dass hier verrostetes Metall versteckt ist. „Das hier ist ein Kettengehänge“, erklärt Ina Schneebauer-Meißner, eine der Restauratorinnen, und zeigt auf eine Stelle in dem kleinen Geröllhaufen. Mittels Röntgenprospektion, einer lichtmikroskopischen Untersuchung, werden die Teile begutachtet, akribisch von Bodenresten befreit und in eine Entsalzungsanlage gesteckt, um eine weitere Korrosion zu verhindern. Die wertvollen Schmuckstücke aus dem Frauengrab konnten so wiederhergestellt werden. Eine der Gewandspangen, eine silberne, s-förmige Fibel, die teilweise vergoldet war, lässt zwei Vögel erkennen, mit Granaten als Augen. Als Grabbeigabe werten die Restauratoren ein eisernes Webschwert, mit dem die Wolle früher durch die Fäden auf dem Webstuhl geschossen wurde. „Vermutlichhatte die verstorbene Dame etwas mit der Textilbranche zu tun“, so Haberstroh.

„Dass die Stücke so gut erhalten sind, ist den anhaftenden Textilresten zu verdanken, die das Metall konserviert haben“, erklärt er weiter. Diese werden ebenfalls untersucht. Unter dem Mikroskop ist deutlich das Webschema eines Wollstoffs erkennbar, eine Rautenstruktur. Neben Wolle hat das Team außerdem Bast und Diamantköpper, ein hochwertiger Leinenstoff, gefunden. Wie ein Puzzle setzen die Wissenschaftler alle Informationen zusammen, die am Ende ein ungefähres Bild der Zornedinger Vorfahren ergeben. Insgesamt wurden 28 Gräber aus der Zeit von circa Mitte des sechsten bis Mitte des siebten Jahrhunderts entdeckt. Zwei davon – ein männliches und ein weibliches – sollen anlässlich der 1200-Jahrfeier Zornedings im Juni in einer Ausstellung der Öffentlichkeit gezeigt werden. „Anhand der Grabbeigaben können wir sagen, dass auf dem etwa 800 bis 1.000 Quadratmeter großen Areal fünf bis sechs Generationen bestattet wurden, etwa 200 bis 250 Menschen“, so Haberstroh. Doch was bisher gefunden wurde, sei nur „die Spitze des Eisbergs“. Die Fachleute vermuten, dass beim Bau der ersten Häuser bereits vieles zerstört wurde und das Gräberfeld noch größer ist, denn sie konnten keine Grenzen entdecken. Bemerkenswert sei, dass die Gräber nur 650 Meter vom historischen Ortskern entfernt liegen.

Demnächst beginnt die Untersuchung der anderen 26 Gräber, begleitet von einem Wissenschaftler der Ludwig-Maximilians-Universität, der seine Masterarbeit darüber schreiben wird. Was danach mit den Grabfunden passiert, ist noch nicht endgültig geklärt, aber eines steht fest: „Hier bleiben sie nicht“, sagt Timm Weski, Leiter der Restaurationswerkstatt Bodendenkmalpflege. Derzeit würden Gespräche mit der Gemeinde Zorneding stattfinden, die rechtmäßiger Eigentümer der Bodendenkmäler ist. Bürgermeister Piet Mayr würde sie gerne in einer Dauerausstellung zeigen. Laut dem Rathauschef ist das besonders für Schulkinder interessant, die hier anschaulichen Heimatkundeunterricht erhalten könnten. Für die technische und fachliche Umsetzung hofft die Gemeinde auf die Unterstützung durch das Landesamt für Denkmalpflege. Wo die Ausstellung eingerichtet werden soll, steht noch nicht fest.

Von Sybille Föll

Artikel vom 24.01.2013
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