10 Jahre Einrichtung ohne „Suppenküchencharakter“

Ebersberg · Treffpunkt Tafel

Die meisten der ehrenamtlichen Helferinnen sind seit der Gründung der Ebersberger Tafel vor zehn Jahren mit dabei.	Foto: Sybille Föll

Die meisten der ehrenamtlichen Helferinnen sind seit der Gründung der Ebersberger Tafel vor zehn Jahren mit dabei. Foto: Sybille Föll

Ebersberg · Es ist 10 Uhr, die Helferinnen der Ebersberger Tafel sitzen am Tisch in dem kleinen Souterrainraum und gönnen sich einen Kaffee und eine Semmel.

Zwei Stunden lang sind sie zuvor damit beschäftigt gewesen, Lebensmittel in die Regale einzuräumen, die schon am Tag vorher von den ehrenamtlichen Fahrern angeliefert worden waren. Die Stimmung ist fröhlich und herzlich. „Wenig Brot und Semmeln haben wir heute“, stellt eine der Damen fest. Dafür ist die Obst- und Gemüse­ecke prall gefüllt. „Es ist immer verschieden“, erzählt Gerlinde Kammhuber.

„Manchmal haben wir so viele Semmeln, dass wir gar nicht wissen, was wir damit machen sollen“. Die 67-Jährige ist schon lange bei der Tafel. Als ihr Mann schwer krank wurde und ins Heim kam und sie nicht mehr gearbeitet hat, hat sie nach einer sinnvollen Beschäftigung gesucht. Die meisten der 14 Frauen und vier Männer, die hier ehrenamtlich tätig sind, sind im Rentenalter. „Das ist ein Problem, wir bräuchten dringend Nachwuchs“, sagt Waltraud Stückle-Mayrhofer, Mitinitiatorin der Ebersberger Tafel, die vor zehn Jahren vom Bereich „Kirchliche Allgemeine Sozialarbeit“ des Diakonischen Werks Rosenheim ins Leben gerufen wurde. Jeden Donnerstag ist sie mit dabei, wenn ab 10.30 Uhr die Ausgabe im Anbau der evangelischen Heilig-Geist-Kirche stattfindet. Sie organisiert, teilt ein, legt mit Hand an.

10.15 Uhr: Durch die Fenster sieht man die ersten Beine hin- und herwandern. Es ist kalt, einzelne Schneeflocken fallen. Etwa 80 bis 100 Menschen aus 40 Haushalten – darunter viele Asylanten aus Afghanistan, afrikanischen Ländern sowie deutschstämmige Russen – kommen jeden Donnerstag, um sich für einen Euro Essen zu holen. Die Tafelmitarbeiter geben bewusst keine Scheine aus, wie es bei anderen Tafeln üblich ist. „Für den Euro bekommen sie alles, was sie brauchen“, erklärt die Chefin. „Wir wollen keinen Suppenküchencharakter, sondern es soll ein Treffpunkt sein.“ Daher stehen für die „Kunden“ nach dem Einkauf belegte ­Semmeln und Gebäck auf dem Tisch, damit sie noch einen Moment bei einem gemeinsamen Frühstück zusammensitzen können. Auch zur Jubiläumsfeier am ersten Adventssonntag waren sie eingeladen. „Einige waren sogar da“, sagt Stückle-Mayrhofer.

Arm sein ist keine Schande

Viele schämen sich jedoch und meiden die Öffentlichkeit. „Dabei ist das heutzutage keine Schande, arm zu sein, es kann jeden treffen“, meint Kammhuber. So wie eine der Frauen, die als eine der ersten hereinkommt. Sie war 30 Jahre lang bei ihrem Mann angestellt und der hat keine Rente für die 65-Jährige eingezahlt. Jetzt bekommt sie eine Grundsicherungsrente, doch das ist so­wenig Geld, dass sie froh ist, donnerstags zur Tafel gehen zu können. Von ihrem Mann ist sie seit acht Jahren geschieden. „Ohne die Tafel wäre bei einigen ganz schön Ebbe im Kühlschrank“, sagt ein Mann. Der 59-Jährige kommt gerade vom Arbeitsamt. In seinem Alter hat er kaum mehr eine Chance auf einen Job. Einer nach dem anderen hält seine Tüte auf und bekommt seine Lebensmittel. Kein Gedränge, keine Unruhe. Nicht immer können alle Wünsche erfüllt werden, aber es werden Rezepte und Tipps ausgetauscht, was mit der heute vorhandenen Ware gemacht werden kann. Jetzt vor Weihnachten allerdings steigt die Spendenbereitschaft, es ist genügend da.

Auch bei der sogenannten Eichhörnchenaktion Ende November waren die Ebersberger sehr spendabel. An zwei Tagen standen Mitarbeiter der Tafel mit Einkaufswagen vor dem Edeka-Markt und sammelten die Waren ein, die Kunden speziell für die Tafel gekauft hatten – in erster Linie haltbare Waren wie Konserven, Reis, Mehl und Produkte für die Körperpflege. „Das ist bei uns Mangelware, dabei bräuchten wir dringend Reis, weil der Grundnahrungsmittel für die Afghanen ist“, sagt eine der Helferinnen. Die Konserven und Nutella-Gläser werden jedoch erst einmal gebunkert – für schlechtere Zeiten, wenn es nicht so viel Frisches gibt.

Schon nach einer halben Stunde sind alle dran gewesen, einige lassen sich am Tisch nieder, hauptsächlich Einheimische. Um 12 Uhr können die fleißigen Helfer gehen, alles ist wieder aufgeräumt. Nächsten Mittwoch heißt es wieder die spendenwilligen Geschäfte abzuklappern und die Lebensmittel einzusammeln. Keine angenehme und keine leichte Arbeit und schon gar nicht für Menschen in diesem Alter. „Jeder Autobesitzer kann sich sicher vorstellen was das heißt, sein Auto mit Kisten voller Obst und Gemüse zu beladen, aus denen manchmal schon der Saft von zerquetschten Tomaten oder Erdbeeren tropft. Oder die Kisten in die Kellerräume der Tafel zu schleppen“, sagt Hildegard Bauer, seit Gründung der Tafel ehrenamtliche Helferin. Jüngere Helfer sind somit dringend erwünscht, „sonst haben wir irgendwann ein Problem“, wiederholt Stückle-Mayrhofer.

Interessierte melden sich bei der Tafel

Wer Interesse hat, wird gebeten, sich beim Diakonischen Werk zu melden, Tel. 0 80 92 / 2 32 10 23. Lebensmittelspenden können an jedem Donnerstag zwischen 9.30 und 10.00 Uhr bei der Ausgabe an der Abt-Williram-Straße 90 vorbeigebracht werden. Auch Geldspenden sind willkommen. Mit diesen wird ein wenig Lebensfreude in den Alltag der Bedürftigen gebracht: durch Ausflüge, Eis essen mit den Kindern, oder einem Weißwurstfrühstück an Fasching. All das bedeutet für diese Menschen purer Luxus.

Von Sybille Föll

Artikel vom 13.12.2012
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