Elfjähriger Steinhöringer rettet Schwester das Leben

Ebersberg · Medaille? „Find i cool“

Regina Gilg, Ludwig Urban mit Tochter Amelie, Valentin, Ehefrau Daniela und Tochter Johanna und Steinhörings Bürgermeister Alois Hofstetter (v. l.).	Foto: sf

Regina Gilg, Ludwig Urban mit Tochter Amelie, Valentin, Ehefrau Daniela und Tochter Johanna und Steinhörings Bürgermeister Alois Hofstetter (v. l.). Foto: sf

Ebersberg · Vor zwei Jahren rettete Valentin Urban aus Steinhöring seine kleine Schwester aus einem Brunnen – und ihr damit wahrscheinlich sogar das Leben. Für diese mutige Tat verlieh der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer nun dem heute 13-Jährigen die »Bayerische Rettungsmedaille«.

„Es war eine große Aufregung damals“, erinnert sich Nachbarin Regina Gilg, der Valentin die Medaille zu verdanken hat, weil sie ihn beim bayerischen Staatsministerium auf die Liste der Lebensretter setzen ließ. Valentin und seine damals zweijährige Schwester Amelie spielten auf einem brachliegenden Nachbargrundstück, auf dem Steine für die Baustelle nebenan gelagert waren. „Plötzlich war die Amelie weg und ich hab sie bloß schreien gehört“, erzählt Valentin. Da, wo die Schreie herkamen, war nur Gras. Erst als er die Büschel beiseite schob, sah er, dass da ein Loch war – ein alter Brunnen, von dessen Existenz niemand gewusst hatte, und in dem nun Amelie im trüben Wasser um ihr Leben strampelte. Ihr Bruder zögerte nicht lange, sprang hinein und hievte seine Schwester auf die Wiese. „Eine Nachbarin hat Hilferufe gehört und wollte die Kinder schon zurechtweisen, dass man nicht ohne Grund um Hilfe schreien sollte, da sah sie Amelie tropfnass auf der Wiese sitzen“, erzählt Valentins Mutter Daniela Urban. Valentin saß noch im Brunnen, das Wasser reichte ihm bis zur Brust. Er sagte nur: „Hol den Papa“.

Daniela Urban hatte das zunächst alles gar nicht richtig mitbekommen. Es sei nur plötzlich ein Aufruhr auf dem Hof gewesen, ihr Mann habe ihr die nasse Amelie in die Arme gedrückt. „Dann rannte er wieder weg“, so Daniela Urban. Eine Leiter, die der Vater herangeschleppt hatte, damit Valentin herausklettern kann, passte nicht in den schmalen Brunnenschacht. Ein weiterer Nachbar wurde zuhilfe gerufen und gemeinsam zogen sie den Buben heraus. Amelie, die die Mutter gleich in die heiße Badewanne steckte, hatte einen leichten Schock und wimmerte: „Nicht das Wasser über den Kopf!“. Was damals in Valentin vorging, weiß bis heute niemand. „Er ist nicht so der große Redner“, sagt seine Mutter. Ihr Sohn habe nie über den Vorfall gesprochen. Nur einmal hätte er gesagt, dass das Wasser so dreckig gewesen sei. Ein wenig bedrückt hätte er gewirkt, fast so, als hätte er ein schlechtes Gewissen gehabt, dass das passiert ist. „Aber ich habe ihm gesagt, dass er alles richtig gemacht hat“, so die Mutter. Wie das Unglück überhaupt passieren konnte? Die Betonplatte, mit der der Brunnen abgedeckt gewesen war, ging kaputt, als ein Baufahrzeug darüber rollte, ohne dass es jemand bemerkte. Inzwischen ist der Schacht wieder sicher abgedeckt.

Dass er für die Rettung seiner Schwester eine Medaille bekommen sollte, war für die Familie eine Überraschung. „Valentin war so aufgeregt, dass er gar nicht mehr einschlafen konnte“, erzählt Daniela Urban. Und dann war der große Tag da: Fein herausgeputzt im Janker und in Lederhose stand Valentin im Saal in der Münchner Residenz vor dem Ministerpräsidenten und nahm als jüngster Lebensretter das dunkle Etui mit der Medaille und die Urkunde entgegen, außerdem in einem weiteren Etui eine Armbanduhr mit bayerischem Wappen auf dem Ziffernblatt und eingravierter Unterschrift Seehofers auf der Rückseite. Als Zugabe erhielt er noch einen Ausweis, der ihm unbegrenzt freien Eintritt in alle bayerischen Museen und Schlösser gewährt. „Find i cool“, war sein einziger Kommentar gegenüber dem Kurier. Seine Mutter verrät: „Er ist schon mächtig stolz und die Medaille will er über seinem Bett aufhängen“. Zu der Ehrung war auch Steinhörings Bürgermeister Alois Hofstetter gekommen. „Wir sind stolz, jetzt einen Lebensretter in der Gemeinde zu haben und werden sicherlich auch noch eine kleine Feier veranstalten“, kündigte er an.

Aus dem Landkreis Ebersberg wurden noch zwei weitere Lebensretter ausgezeichnet: Peter Huber aus Antholing bei Glonn und Nicole Schellenberger aus Poing. Huber hatte am 12. Mai 2010 zusammen mit einem Kollegen aus Moosburg einen Mann auf einer Baustelle in Hohenbrunn-Riemerling gerettet, der bei Arbeiten in einer Kiesgrube verschüttet worden war. Mit bloßen Händen gruben sie ihn aus, obwohl ständig weitere Kiesmassen nachrutschten. Die 16-jährige Nicole Schellenberger hat am 23. April 2012 bei Seebruck zwei Männer, die mit ihrem Kajak gekentert waren, aus dem sieben Grad kalten Chiemsee gerettet. Eine große Leistung, wenn man bedenkt, dass sie sich noch circa 250 Meter vom Ufer entfernt befanden und die Wassertiefe an dieser Stelle etwa fünf Meter betrug.

Insgesamt verlieh Seehofer an diesem Tag 85 Menschen die bayerische Lebensrettermedaille und 64 Personen die Christophorus Medaille. „Diese Menschen haben ihr eigenes Leben riskiert, um anderen zu helfen. Sie sind leuchtende Vorbilder für gelebte Solidarität, Mutmacher unserer Gesellschaft. Für ihre Ehrung haben wir das Beste zur Verfügung gestellt, was wir in Bayern zu bieten haben: Das Antiquarium der Münchner Residenz, den wohl schönsten Renaissancesaal nördlich der Alpen“. Von Sybille Föll

Artikel vom 28.06.2012
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