DARC-Kurs im JUZ Vaterstetten: Kinder für Technik begeistern

Vaterstetten · Wie funktioniert das?

Werkstattleiter Markus Boehm erklärt Florian und Felix, welche Teile man in dem alten Receiver wiederverwenden kann. 	Foto: Sybille Föll

Werkstattleiter Markus Boehm erklärt Florian und Felix, welche Teile man in dem alten Receiver wiederverwenden kann. Foto: Sybille Föll

Vaterstetten · Die Regale an den Wänden sind vollgestopft mit alten Computerteilen, Routern, Drähten und Radios, auf dem Tisch in der Mitte des Raumes liegen PC-Festplatten, Lötkolben und Bauanleitungen.

An der Stirnseite zeichnet ein Junge Schaltungen auf ein Blatt Papier, auf der anderen Seite ist ein anderer damit beschäftigt, in einem winzigen Bausatz einen Kontakt anzulöten, ein Dritter brütet vor dem Bildschirm eines alten Rechners. »Du musst mir schon genau erklären, was du eigentlich vorhast«, sagt Hans Pöschl, der dem Jungen beim Zeichnen zugeschaut hat. Er ist einer der vier Betreuer der Elektronikwerkstatt im AWO-Jugendzentrum (JUZ) Vaterstetten, die vor sechs Jahren von Markus Boehm vom Deutschen Amateur Radio-Club Vaterstetten (DARC) ins Leben gerufen wurde. Das Ziel: Kinder für Technik begeistern.

Das ist gelungen: Aus dem kleinen Projekt »Druse für Kids« (Eine Druse ist ein Stein, der von außen normal aussieht, innen aber hohl und mit Kristallen besetzt ist. Er steht im Projekt, bei dem Kinder Alltagsgegenstände und Elektroschrott zerlegen und das Innenleben erforschen, symbolisch für diese Gegenstände), bei dem sich der Nachwuchs zu Beginn mit einem einzigen Tisch in der Cafeteria des JUZ begnügen musste, sind inzwischen fünf Gruppen entstanden. Seit eineinhalb Jahren steht ihnen eine eigene Werkstatt zur Verfügung, die Boehm leitet. »Wir sind sehr froh, dass uns das JUZ diesen Raum zur Verfügung stellen konnte. Weit und breit ist das die einzige Werkstatt in dieser Form und hat einen großen Zulauf.« In der »Druse« erfahren die Jüngsten, wie das Innenleben eines Gerätes aussieht und wie man kaputte Dinge wieder zum Laufen bringt. Im Elektronik-Projekt können Elfjährige elektrische Schaltungen, Verstärker und Funkgeräte bauen. Die Mikroprozessor-Gruppe ab 13 Jahre baut Chips und programmiert, »Werkstattkunde« beschäftigt sich mit Bauteilen und Messungen. Jüngster Ableger sind die Amateurfunker. Drei Teilnehmer im Alter von 15 Jahren bereiten sich derzeit in einem DARC-Kurs an der Volkshochschule für die Prüfung im Sommer vor.

Julian (13) weiß nicht so genau, was er eigentlich vorhat. »Ich bin ein Tüftler. Ich will zum Beispiel wissen, wann meine Zimmertür aufgeht. Früher habe ich Murmeln ausgelegt, jetzt will ich das technisch lösen«, sagt der 13-Jährige und Pöschl lacht. »Du brauchst also eine Art Melder«, meint der Funker und die beiden fangen gemeinsam an, einen Plan zu zeichnen. Julian ist eher die Ausnahme. Er ist nur heute da, um sich bei seinem Problem helfen zu lassen. Die meisten der über 30 Kinder zwischen neun und 15 Jahren kommen regelmäßig, einige sind von Anfang an dabei – so wie Florian. Der 15-Jährige ist in der Mikroprozessor-Gruppe und auf dem besten Weg zum Gruppenleiter. »Er übernimmt schon jetzt viele meiner Aufgaben«, erklärt ­Boehm. Seinen jüngeren Bruder Felix nimmt Florian immer mit. Der Elfjährige ist gerade dabei, einen alten Fernsehreceiver auseinanderzunehmen. »Die Widerstände und Kondensatoren zum Beispiel kann man noch für andere Sachen verwenden«, erklärt er.

In einer Vitrine vor der Werkstatt sind Geräte ausgestellt, die die Kinder im Laufe der Jahre gebaut haben: Morsetasten, eine Miniorgel mit acht Tönen, ein Stereo-Verstärker, eine Lichtorgel, ein Roulette. »Die Sachen finden aber keine praktische Anwendung. Aus Sicherheitsgründen hat alles nur neun bis zwölf Volt«, so Boehm. Felix hat sich allerdings zu Hause selbst eine Taschenlampe gebaut. »Die ist extrem energiesparend, ich musste noch nie die Batterie wechseln«, erzählt er stolz.

Boehm hätte sich nie träumen lassen, dass aus der »Druse« einmal ein solch großes Angebot entstehen würde. »Das haben wir dem JUZ zu verdanken, das uns immer unterstützt hat.« Mittlerweile ist die Elektronik-Werkstatt fester Bestandteil im Gesamtkonzept der Kinder- und Jugendeinrichtung. »In den Ferien zum Beispiel gibt es einen gemeinsamen Solartag, während der Hüttenbau-Aktion ist die Werkstatt geöffnet, es finden ›Fuchsjagden‹ statt, bei denen ein Sender versteckt wird und mit einem Peilgerät geortet werden soll«, erzählt JUZ-Leiter Uwe Radzkowski und sein Kollege Ernst Fischer ergänzt: »Das Tolle an dem Projekt ist, dass die Kinder mitwachsen, dass eine altersspezifische Arbeit möglich ist.« So wird auch gemeinsam weiter geplant: Es soll noch mehr Kindern die Möglichkeit geboten werden, mitzumachen – und: Die Amateurfunkgruppe soll weiter ausgebaut werden. Auf dem Dach des JUZ ist bereits eine Antenne installiert. Dann können die Vaterstettener Kids der ganzen Welt von ihrer Werkstatt berichten. Sybille Föll

Artikel vom 08.05.2012
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