Gemeinderat Kirchseeon stimmt für Bürgerbegehren

Kirchseeon · Klares »Ja, aber...«

Das Aktionsbündnis gegen die weiträumige Südumfahrung von Kirchseeon macht mobil. 	Foto: sf

Das Aktionsbündnis gegen die weiträumige Südumfahrung von Kirchseeon macht mobil. Foto: sf

Kirchseeon · In Kirchseeon wird es ein Bürgerbegehren zur Ortsumfahrung geben. Einem entsprechenden Antrag der CSU-Fraktion stimmten die Gemeinderäte in ihrer Sitzung am Montag zu.

Doch welche Frage die Bürger mit ›Ja‹ oder ›Nein‹ beantworten sollen, ist noch nicht geklärt. »Aus rechtlichen Gründen dürfen wir keine Trassen-Varianten zur Abstimmung stellen, das heißt, wir müssen im Gemeinderat erst mal entscheiden, welche wir überhaupt wollen. Dann erst können wir die Frage für den Bürgerentscheid formulieren«, erklärte Bürgermeister Udo Ockel. Eine schwierige Aufgabe, denn »wenn wir aufs falsche Pferd setzen, kann es sein, dass wir gar keine Umgehungsstraße bekommen«, so Ockel.

Das »falsche Pferd« könnte Variante 5 sein, eine weiträumige Nordumfahrung, die durch den Ebersberger Forst gehen würde. Für diese Trasse gibt es laut Ockel einen Gemeinderatsbeschluss, doch nun habe ein Paradigmenwechsel stattgefunden, weil sie scheinbar nicht umsetzbar ist. Die 7,3 Kilometer Asphalt mit zwei geplanten Tunneln würden einen beträchtlichen Eingriff in das Landschaftsschutzgebiet, den Bannwald und einen Teil des FFH-Gebietes (Flora-Fauna-Habitat-Gebiet, unter europarechtlichem Schutz) bedeuten. Eine behördliche Genehmigung ist also kaum zu erwarten. Weitere Nachteile: Es fehlt eine Möglichkeit, Eglharting anzubinden. Wegen der Weiträumigkeit würde die Umfahrung kaum genutzt werden, und dafür wären die veranschlagten 105 Millionen Euro zu hoch.

Doch auch bei der Frage »Möchten Sie Variante 6, die weiträumige Südumfahrung?« könnte der Schuss nach hinten losgehen. Denn gegen diesen Trassenverlauf zwischen dem Ilchinger Holz und nördlich an Buch vorbei regt sich massiver Widerstand aus der Bevölkerung. Er wäre zwar mit 37 Millionen Euro kostengünstiger und würde keine Naturschutzgebiete tangieren, dafür aber Wasserschutzgebiete, Bannwald und landwirtschaftlich genutzte Flächen. »Sind die denn weniger schützenswert als der Ebersberger Forst?«, empört sich Andrea Oberhauser-Hainer aus Buch. Zusammen mit ­anderen Gegnern der Variante 6 hat sie das »Aktionsbündnis gegen die weiträumige Südumfahrung« gegründet, dem sich mittlerweile 15 Einwohner aus Buch, Ilching und Fürmoosen angeschlossen haben. Gemeinsam haben sie Unterschriften aller 25 Grundstücksbesitzer, die ihr Land für den Bau der Trasse abtreten müssten, gegen die Umfahrung gesammelt.

45 Hektar würden der Straße zum Opfer fallen, das entspricht der Größe von 100 Fußballfeldern. »Das steht in keinem Verhältnis, weil sowieso niemand die Straße nutzen würde, der Umweg ist viel zu groß.« Doch es geht nicht nur um verlorenes Land. »Die Rodungsinsel Buch ist schon in der Weltausstellung 1868 als etwas Besonderes und Schützenswertes vorgestellt worden. Buch ist älter als Kirchseeon und jetzt sollen wir, die wir bewusst hierher gebaut haben, weil es hier keine B304 gibt, darunter leiden, dass die Kirchseeoner keinen Verkehr mehr wollen«, schimpft Oberhauser-Hainer. Auch ihr Bruder, Josef Oberhauser, ist frustriert: »Ich habe meinen Betrieb gerade auf ökologische Landwirtschaft umgestellt, das kann ich dann wieder vergessen«, sagt er.

Doch ob die Kirchseeoner selbst überhaupt eine Umfahrung möchten, ist fraglich. »Ich arbeite bei der Bank in Kirchseeon und rede mit vielen Leuten darüber. Die meisten sagen, es braucht keine Umgehung«, erzählt Andreas Scherer aus Ilching, Mitglied beim Aktionsbündnis. Auch der Bürgermeister vermisst die »Welle« im Ort: »Es hat noch keiner geschrien: Wir wollen die Straße loswerden.« Was also, wenn von den 7.454 Bürgern die erforderlichen zehn Prozent nicht zu dem Bürgerentscheid kämen? »Die Frage müssen wir auch noch abklären. Es muss auf jeden Fall eine Satzung erstellt werden«, so Ockel.

Noch gebe es keine Aufforderung aus dem Bundesverkehrsamt in Berlin, eine Trassenvariante einzureichen, es sei also noch genügend Zeit. »Das Bauamt Rosenheim hat zwar gesagt, es prüft uns keine weiteren Trassen mehr, aber wer noch eine Idee hat, die tatsächlich realisierbar wäre, soll mir die bitte auf den Tisch legen«, bat Ockel eindringlich. Nach dem Willen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen könnte auch Variante 4, Kirchseeon zu untertunneln, wieder ins Rennen gehen. Anfang April will Ockel im Gemeinderat darüber abstimmen lassen, welche Variante nun Favorit ist. Im Juli könnte dann nach Wahrung der Dreimonatsfrist das Bürgerbegehren stattfinden.

Für das Aktionsbündnis ist die Entscheidung des Gemeinderates nicht demokratisch genug. »Jetzt wird doch wieder eine Vorentscheidung getroffen und wir können nur zur beschlossenen Trasse ›Ja‹ oder ›Nein‹ sagen«, sagt Andrea Oberhauser-Hainer. Die neutrale Frage, welche Variante die Be­völkerung möchte – Nord-, Süd-, Tunnel- oder Nulltrasse – wäre ihr lieber. »Aber wenn das aus rechtlichen Gründen nicht geht, werden wir uns eine andere, demokratischere Frage für das Bürgerbegehren einfallen lassen.« Sybille Föll

Artikel vom 14.02.2012
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