Nachdenkliches von Stadtpfarrer Josef Riedl

Ebersberg · Weihnachten verstehen

Joseph Riedl, Dekan und Stadtpfarrer in Ebersberg, freut sich auf besinnliche Feiertage – und darauf, an Heiligabend in der Kirche zu singen. 	Foto: Kirche

Joseph Riedl, Dekan und Stadtpfarrer in Ebersberg, freut sich auf besinnliche Feiertage – und darauf, an Heiligabend in der Kirche zu singen. Foto: Kirche

Ebersberg · Warum wird Gott Mensch? Diese Frage hat Christen, egal ob philosophisch-theologisch gebildet oder ganz einfach glaubend, immer wieder umgetrieben und nach Antworten suchen lassen. Diese Frage ist auch für mich heute immer noch die entscheidende Frage, um Weihnachten verstehen zu lernen.

Ganz werde ich es nie begreifen können, aber wenigstens eine Ahnung davon möchte ich bekommen! Warum tut Gott sich das an, Mensch zu werden? Er hätte es sich ja ganz einfach machen können und aus dem ganzen Weltbetreib mit seinen Verwerfungen, Ungerechtigkeiten, Streitereien, Kriegen und Nöten heraushalten können.

Offensichtlich hat er sich anders entschieden und geht damit ein großes Risiko ein: Er wird selber Mensch inmitten dieser Welt! Ohne Berührungsängste – ausgesetzt der ganzen Unbill des Lebens – absolut hilfsbedürftig – und doch voller Lebenshoffnung – wie ein kleines Kind. Die Welt könnte sich seiner bemächtigen, nein, wird sich seiner bemächtigen. Gott begibt sich in Gefahr! Er wirft damit das ganze bisherige Gottesgefüge über den Haufen: Er ist nicht mehr fern, unerreichbar und zu fürchten, sondern ganz nahe, für manche vielleicht viel zu nahe, weil nur noch zu lieben – wie ein kleines Kind. Und dieses Ereignis, Weihnachten, wird für mich zum Maßstab für alle anderen Weihnachten, auch Weihnachten 2011. Kann ich mich darauf einlassen, dass Gott mir ganz nahe kommen will? Kann ich glauben, dass für

Gott mein Leben, so wie es gerade ist, so wichtig ist, dass er nicht einfach darüber hinwegsieht? Halte ich es für möglich, dass Gott unsere ganze Welt so sehr am Herzen liegt, dass er sie nicht verloren gibt, sondern heilen will?

Weihnachten nicht am 25. Dezember vorbei

Aber das ist nur der erste Schritt! Wenn wir am 25. Dezember angekommen sind, ist Weihnachten nicht vorbei (auch wenn manche dann den Christbaum schon nicht mehr sehen können und hinauswerfen), sondern möchte erst richtig beginnen.

Die biblischen Weihnachtserzählungen stellen uns Menschen vor Augen, die sich berühren und in Bewegung bringen lassen: die Hirten, die Weisen aus dem Morgenland. Sie laden uns ein, selbst in Bewegung zu kommen. Wenn Gott heilend in unserer Welt da sein will, dann braucht er meine/unsere Hände, Füße, Sinne und Herzen! Und damit bekommt die so oft (und manchmal ja auch zu Recht) bespöttelte Rührseligkeit um das Weihnachtsfest eine ganz neue Tiefe: Rührseligkeit hat nicht in erster Linie etwas mit Kitsch zu tun, sondern mit Berührung: Gott rührt in seiner Menschwerdung in unvergleichlicher Art und Weise und in einer noch nie dagewesenen Dichte an das Leben des Menschen und der Welt und will die Berührten zu Berührenden machen. Und das tut er nicht laut und polternd, sondern nur ganz behutsam und leise. Wir beschwören ja oft die sogenannte „staade Zeit“ und bedauern zugleich, dass sie uns im Stress um das Weihnachtsfest oft verloren geht.

Ich hatte heuer (wieder) das Glück, dass ich in der Adventszeit viele „staade“ Momente genießen konnte (zum Beispiel manche freie Abende) und auch keine Angst vor Weihnachtsstress habe (nicht nur, weil ich mir die Arbeit mit vielen guten Mit­arbeitern und Mitarbeiterinnen teilen kann). Am Heiligen Abend wird es bei uns im Pfarrhaus in Ebersberg ganz ruhig zugehen.

Nach dem ersten Gottesdienst am späten Nachmittag werden wir den Christbaum schmücken und die Krippe weihnachtlich umbauen (Schafe, Hirten, Ochs und Esel sind schon den ganzen Advent über da). Es wird etwas Einfaches, aber Feines zu Essen geben und dann freue ich mich auf die große Christmette in der Nacht mit der Weihnachtsbotschaft aus dem Lukas-Evangelium, die zu singen mich jedes Jahr wieder neu ergreift und berührt, auf die schlichte Hirtenmesse am Weihnachtsmorgen und auf den Festgottesdienst mit der Pastoralmesse von Karl Kempter und dem Evangelium aus dem Johannes-Prolog: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“.

Erfüllt auf den Weg ins neue Jahr

So erfüllt möchte ich mich auf den Weg ins Neue Jahr machen: Mit Hoffnung und Zuversicht und in der Gewissheit, dass ich nie alleine bin! Das wünsche ich auch allen Leserinnen und Lesern! Joseph Riedl ist Dekan und Stadtpfarrer in der katholischen Kirche Sankt Sebastian in Ebersberg.

Von Pfarrer Joseph Riedl

Artikel vom 21.12.2011
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