Neue Ausstellung in der Färberei entlarvt den »Nazi in uns«

Harlaching/Giesing · »Pastinaken raus«

Die Ausstellung »Pastinaken raus« beschäftigt sich mit dem Thema Ausländerfeindlichkeit. Die Mit-Organisatoren der Ausstellung: Andrea Huber und Matthias Weinzierl. Foto: VA/Woschée

Die Ausstellung »Pastinaken raus« beschäftigt sich mit dem Thema Ausländerfeindlichkeit. Die Mit-Organisatoren der Ausstellung: Andrea Huber und Matthias Weinzierl. Foto: VA/Woschée

Harlaching/Giesing · Eines vorweg, Pastinaken sind kein exotischer Volksstamm, sondern eine alte, in Vergessenheit geratene Gemüsesorte.

Weil sie aber so »andersartig« klingt, dürfen die eher geschmacks­armen Doldenblütler nun den Titel einer Ausstellung in der Färberei in der Claude-Lorrain-Straße 25, Rückgebäude zieren. Diese Ausstellung ist ein Projekt zur Kampagne »Laut gegen Brauntöne« und kann noch bis zum 13. November besichtigt werden. Die Organisatoren haben sich auf die »Suche nach dem Nazi da draußen und dem Nazi in uns« gemacht«, wie die Mit-Organisatoren Matthias Weinzierl und Andrea Huber bei der Eröffnung betonen. Zu diesem Zweck wurde die Färberei in eine 3-Zimmer-Wohnung umgestaltet, die die verschiedenen Erscheinungsformen von Rechtsradikalismus heute präsentiert. FDP-Stadträtin Gabriele Neff betonte in ihrer Eröffnungsansprache, dass Fremdenfeindlichkeit heute oft im Schafspelz daher komme, sich Brauntöne in der bürgerlichen Mitte etabliert hätten. Vor allem islamfeindliche Tendenzen hätten sich in der Gesellschaft festgesetzt, warnte auch Tom Rausch vom KJR.

Der typische Neo-Nazi mit Glatze und Springerstiefeln als Feindbild habe vielfach ausgedient, heute könne man nur noch schwer ausmachen, wer der rechten Szene angehöre und wer nicht, warnte Rausch eindringlich. Hier gelte es zu widersprechen, wenn fremdenfeindliche Thesen ins Gespräch eingebracht würden. 1,5 Millionen Mal habe sich das Buch von Thilo Sarrazin verkauft, ein deutliches Zeichen dafür, dass dieses gefährliche Gedankengut in der Mitte der Gesellschaft angekommen sei, betonte Rausch. So heißt auch der dritte Raum der Ausstellung »Sarrazins-Salon«, ein auf den ersten Blick behaglich eingerichtetes Wohnzimmer, wie es sicherlich zu Hunderten in Deutschland vorkommt. »Die Tücke liegt hier im Detail versteckt«, warnt Matthias Weinzierl. Neben Lavalampe und Familienfoto stehen beispielsweise Sarrazins Thesen, aber auch andere Bücher, die die Angst vor dem Islam schüren, Frauen wieder an den Herd schicken wollen oder das dritte Reich verharmlosen. Eine latente Bedrohung gehe von dieser Sorte Fremdenfeindlichkeit aus, denn sie schleiche sich auch leicht in das eigene Gedankengut ein, stellte Weinzierl klar heraus.

Das »Jugendzimmer« der Ausstellung unterscheidet sich auch erst auf den zweiten Blick von anderen. »Man muss die Dresscodes kennen, mit denen heute nationalistisches Gedankengut verschleiert wird«, so Weinzierl. Aufkleber, Musik-Labels aber auch durch die Kleidung zeige man heute, unter welcher Flagge man agiert. Im »altdeutschen« Wohnzimmer schließlich wird die Erinnerung an das Dritte Reich und die beiden Weltkriege noch offen gelebt, nichts versucht, um die eigene Gesinnung zu verbergen. Aber nicht nur mit der Ausstellung wollen die Organisatoren zum Nachdenken bewegen. Ein Filmteam hat Interviews in München zum Thema »Pastinaken raus« geführt. Die zum Teil unfreiwillig komischen Ergebnisse kann man vor Ort bestaunen. Aber auch ein umfangreiches Rahmenprogramm wurde auf die Beine gestellt.

Jeden Sonntag wird beispielsweise zum »Weißwurstfrühstück auf vietnamesisch« geladen. Am 6. November wird im Restaurant Charlie ab 11 Uhr in der Schyrenstraße 8, die extra für die Ausstellung kreierte Weißwurst mit Koriander serviert. Wer Gefallen an der exotischen Weißwurst gefunden hat, kann sie am 13. November ebenfalls ab 11 Uhr noch einmal genießen. Eine Anmeldung ist unter diefaerberei@kjr-m.de erforderlich.

Ein Expertengespräch zum Thema: »Rechtsextremismus in München« wird am Donnerstag, 3. November um 19 Uhr in der Färberei stattfinden. Am 9. November wird unter dem Titel: »Memory Loops« ein Audio-Kunstwerk zum NS-Terror in München von 1933 bis 1945 vorgestellt. Los geht es um 19 Uhr. Am 12. November gibt es in der Färberei eine Malwerkstatt für Kinder von sieben bis zehn Jahren, die um 15 Uhr beginnt. Das ganze Programm findet man unter www.pastinaken-raus.de. Zum Abschluss der Ausstellungseröffnung gab es dann, wie sollte es anderes sein »Pastinakensuppe« für alle Besucher, die, wie man erfahren konnte, ihre Qualitäten erst im Zusammenspiel mit anderen Gemüsesorten voll entfaltet. hw

Artikel vom 31.10.2011
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