Mieter in der Mortonstraße fürchten um ihre Wohnungen und Verträge

Harthof · Abriss im Harthof geplant

Mieter-Sprecher Egon Franzmann, der Bundestagsabgeordnete Johannes Singhammer und Dr. Jürgen Gehb, Sprecher des Vorstands der Bundesanstalt für  Immobilienaufgaben (von links). 	Foto: ws

Mieter-Sprecher Egon Franzmann, der Bundestagsabgeordnete Johannes Singhammer und Dr. Jürgen Gehb, Sprecher des Vorstands der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (von links). Foto: ws

Harthof · Auf parkähnlichen Grundstücken stehen im Halbkreis der Mortonstraße schlichte Doppelhäuser. Sie gehören dem Bund, wie die gesamte Wohnanlage München-Nord bis hinunter zur Rockefellerstraße und entlang der Neuherbergstraße.

Die Siedlung war nach dem Zweiten Weltkrieg für die US-Streitkräfte errichtet worden, längst leben dort Bedienstete der Bundeswehr, darunter viele Pensionäre. Nun hat die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) große Pläne für die Anlage. Im Bereich der Mortonstraße ist sukzessive eine Nachverdichtung mit Abriss der 30 Doppelhaushälften und dem Bau größerer Häuser im Geschosswohnungsbau vorgesehen – die Stadt München muss dafür aber erst noch die planungsrechtliche Genehmigung erteilen, derzeit läuft eine sogenannte Bauvoranfrage.

Die Bundesbehörde plant an der Mortonstraße die Neubebauung von Süden nach Norden. So sollen als Erstes die Doppelhäuser an der Neuherbergstraße weg und durch größere und höhere mit drei Stockwerken ersetzt werden, wie BImA-Mitarbeiterin Karin Missio-Däumling bei einer Diskussion am gestrigen Dienstagfrüh im Dominikus-Zentrum ankündigte. Wenn, wie geplant, ein Baufeld mit zwei Doppelhäusern komplett frei sei, wolle man das Grundstück veräußern, »wir wollen nicht selber bauen«, betonte die Vertreterin der Bundesbehörde. Während die Bundesimmobilien also nach und nach das gesamte Gelände mit den 30 Doppelhaushälften an der Mortonstraße verkaufen will, soll hingegen die restliche Wohnanlage München-Nord mit ihren 634 Wohnungen im Eigentum des Bundes bleiben: »Das wollen wir behalten«, versicherte der Chef der Bundesimmobilien, Dr. Jürgen Gehb. Die großen Wohnblocks »bleiben größtenteils im Bestand erhalten«, ergänzte Missio-Däumling. Zum Beispiel würden die vorhandenen Wohnblocks entlang der Neuherbergstraße energetisch saniert, es werde aber »nicht teuer saniert und es gibt keine Luxussanierung«, versicherte die BImA-Mitarbeiterin.

Die Anlage solle außerdem um Zusatz-Zwischenbauten ergänzt werden. Für das Vorhaben will die Bundes-Immobilien eigenen Angaben zufolge im nächsten Jahr einen städtebaulichen Wettbewerb ausschreiben mit dem Ziel, »eine attraktive Lösung zwischen Altbestand und Neubau zu finden.« Danach muss die Stadt einen Bebauungsplan aufstellen und der Stadtrat ihn beschließen. Dann ist Baurecht geschaffen.

Mieter-Sprecher Egon Franzmann zeigte sich von all diesen Ankündigungen unbeeindruckt. Er ist unter anderem in Sorge um die Miethöhe. Die Bewohner hätten zum Teil noch Verträge auf dem Niveau von 1970/71, bei der Umsetzung in eine sanierte oder neue Wohnung bekämen die Mieter neue Verträge nach dem gültigen Mietspiegel, doch »unsere Einkommen sind nicht so rosig.« Franzmann forderte deshalb im Falle eines Umzugs »Mietkonditionen wie bisher«. Dr. Jürgen Gehb, Sprecher des Vorstandes der BImA, mochte dies aber nicht zusichern. Er wolle lieber »mit offenen Karten spielen«, sagte der Chef der Bundes-Behörde. Er stellte klar: Dass Mieter aus 70er-Jahre-Bauten künftig zu den gleichen Bedingungen in neue, moderne Wohnhäuser kämen, »diese Garantie gebe ich nicht. Wesentlich Ungleiches darf man nicht gleich behandeln.«

Johannes Singhammer (CSU), Bundestagsabgeordneter im Münchner Norden, der zu der Podiumsdiskussion geladen hatte, stellte daraufhin klar: Ziel der Bundesbehörde müsse es sein, die Bewohner nicht durch höhere Mietpreise raus zu ekeln, sondern sie in ihrem angestammten Quartier zu belassen. »Das soll im Großen so sein«, versprach der Chef der Bundesimmobilien zwar, betonte aber gleichzeitig, dass es Härtefälle geben werde. Die Bewohner sollen rechtzeitig über die Planungen informiert werden, »es darf keine Überrumpelungen geben«, sagte Gehb.

BImA-Mitarbeiterin Missio-Däumling unterstrich dies mit den Worten, dass jeder Mieter Zeit haben müsse, sich etwas anderes zu suchen, in der Wohnanlage selbst oder anderswo. Singhammer zeigte sich beruhigt und hofft, die Sorgen der Bewohner dämpfen zu können. Denn mit Ausnahme der Doppelhäuser behalte die BImA ja die Wohnanlage München-Nord in ihrem Eigentum, zudem werde sie in ihrem Bestand größtenteils erhalten und bei einer Umsetzung bezahle die Behörde die Umzugskosten. »Der Bund ist ein Eigentümer, der berechenbar ist«, stellte der Politiker klar. Sein Fazit: »Niemand muss das Areal verlassen.« Möglicherweise werde aber ein Umzug stattfinden, der dem einen oder anderen Mieter nicht gefalle, räumte Singhammer ein.

Insbesondere im Fall der Doppelhäuser an der Mortonstraße sind die Bewohner mit dem Vorgehen der Bundesbehörde nicht einverstanden. So hatte Anwohner Dieter Brand von der Mortonstraße 9 vor ein paar Wochen im Bezirksausschuss Milbertshofen-Am Hart folgendes klargestellt: »Ich wohne seit 35, 36 Jahren zu meiner größten Zufriedenheit in dem Haus. Ich halte es nicht für marode. Die Häuser wurden erneuert, da ist nichts abzureißen«, hatte Brand betont. Sein Vorwurf: Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben lasse nach dem Auszug von Mietern die Häuser bewusst leer stehen, um sie abreißen zu können. Auf diese Weise »werden jeden Monat Tausende von Euro rausgeschmissen«, so Brand.

Mieter-Sprecher Franzmann hatte denn auch in dem Stadtteilgremium gefordert: »Es darf nicht um jeden Preis verdichtet werden. Hier geht wieder einmal bezahlbarer Wohnraum verloren« – »und auch schöner Wohnraum«, hatte eine Anwohnerin bekräftigt. Besucher der Doppelhäuser an der Mortonstraße lobten diese »als schöne Siedlung und Oase«. Die Stadtteilpolitiker zeigten zwar Verständnis für die Situation der Mieter und die Bezirksausschussvorsitzende Antonie Thomsen (SPD) betonte, dass sich das Planungsverfahren ja erst im Anfangsstadium befinde. Die Lokalpolitiker stimmten jedoch mit großer Mehrheit im Rahmen der Anhörung durch die Stadtverwaltung dem Vorhaben der BImA zu: Über die Bauvoranfrage selbst entscheidet die Lokalbaukommission im Planungsreferat, der Fall ist derzeit noch in Prüfung.

Die Mitglieder im Bezirksausschuss befürworten den möglichen Abriss und Neubau, ebenso die geplante Nachverdichtung. Denn die Häuser seien 1953/1954 in einfacher Bauweise errichtet worden und »sind aus energetischen Gründen nicht akzeptabel«, wie Josef Floßmann (SPD) betonte. Der geplante Bau größerer Gebäude anstelle der jetzigen Doppelhäuser sei deshalb sinnvoll. »Denn wir vergeuden Platz, wo in München Wohnungen gesucht werden«, so Floßmann. Gremiumskollege Adolf Jackermayer (CSU) sah das ähnlich: »Es ist ein Gewinn für das Viertel, wenn neue Häuser hinkommen.« Zudem wies er darauf hin, dass die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben zugesagt habe, dass kein Mieter an der Mortonstraße vertrieben werde und sein Haus verlassen müsse.

Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben hatte den Mietern bereits in diesem August schriftlich mitgeteilt, dass – unabhängig davon, wie die Bauvoranfrage durch die Stadt entschieden werde – die Häuser schon jetzt nicht mehr nachvermietet würden, um im Falle eines positiven Vorbescheids das Vorhaben sukzessive auf den einzelnen Baufeldern an der Mortonstraße umsetzen zu können. »Hierfür ist nicht geplant, den Mietern zu kündigen«, heißt es in dem Schreiben. Anwohner Brand von der Mortonstraße 9 zeigte sich am Dienstag, 4. Oktober, nach all den Ankündigungen durch die Vertreter der BimA unbeeindruckt: »Das war nicht so ganz befriedigend«, sagte der Bürger am Rande der Veranstaltung. ws

Artikel vom 04.10.2011
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