Wo heute das Moosacher Gymnasium steht, war einst ein Arbeitserziehungslager

Moosach · NS-Spuren in der Schule

Lehrerin Alexandra Röhl erstellte mit Ayca, Alex und Stefan (v. l. ) und anderen Schülern im Gymnasium München Moosach die Ausstellung über die »Zeit des Nationalsozialismus im Münchner Norden«.	Foto: ws

Lehrerin Alexandra Röhl erstellte mit Ayca, Alex und Stefan (v. l. ) und anderen Schülern im Gymnasium München Moosach die Ausstellung über die »Zeit des Nationalsozialismus im Münchner Norden«. Foto: ws

Moosach · Pünktlich zum Beginn des neuen Schuljahres am gestrigen Dienstag wartet das Gymnasium Moosach im Schulzent­rum an der Gerastraße mit einer neuen Dauer-Ausstellung über das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte auf. »Die Zeit des Nationalsozialismus im Münchner Norden« lautet der Titel.

Auch das Schulgelände selbst an der Ecke Gera-, Leipziger Straße war davon nicht ausgenommen, es gab dort ein sogenanntes Arbeitserziehungslager. »Es war erschreckend herauszufinden, dass unser Schulgelände eine NS-Vergangenheit hat. Heute erinnert hier nichts mehr daran.« Sonja nahm im vergangenen Schuljahr als Elftklässlerin am Moosacher Gymnasium an dem Projekt-Seminar Geschichte teil und recherchierte mit zwölf anderen Mädchen und Buben das ganze Schuljahr über. Sie waren auch in mehreren Archiven, unter anderem im Stadtarchiv und im Archiv des Konzentrationslagers Dachau. Aus diesen Archivbesuchen entstand die Ausstellung. »Die Schülerinnen und Schüler haben gute Arbeit geleistet«, resümiert Geschichtslehrerin Alexandra Röhl. Nun sind jungen Leute in der zwölften und letzten Klasse und bereiten sich auf das Abitur im nächsten Frühjahr vor.

Was die Projektteilnehmer herausfanden, wissen wohl die wenigsten der rund 2000 Schüler, die derzeit das Schulzentrum mit seiner Grund- und Realschule sowie dem Gymnasium Moosach besuchen. Und auch die wenigsten der Stadtteil-Bewohner wissen, dass es ab dem 25. August 1941 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs am 8. Mai 1945 auf dem heutigen Schulgelände ein Arbeitserziehungslager gab, und zwar beim heutigen Lehrerparkplatz. »Wenn ein Zwangsarbeiter seine Arbeit verweigerte, des Diebstahls oder eines anderen Verbrechens beschuldigt wurde, drohte ihm das Arbeitserziehungslager.« Das steht auf einer der Tafeln der Ausstellung. Und weiter: »Jeder örtliche Polizist konnte kurzfristig Personen in ein Arbeitserziehungslager einweisen. Die Menschen wurden dort, noch mehr als in einem ›einfachen‹ Arbeitslager, überwacht, schlechter behandelt und unterdrückt.« Zwangsarbeiter seien aufgrund des »Erziehungszweckes« eingewiesen worden, sie sollten zu Arbeitslust »erzogen« werden, so die Recherche der Schülerinnen und Schüler.

Auch Sabotage oder das Verbreiten einer schlechten Arbeitsmoral seien Gründe für die Einlieferung in ein Arbeitserziehungslager gewesen. Es habe sich von einem Konzentrationslager (KZ) »nur geringfügig in der Behandlung der Menschen und den Arbeitsbedingungen unterschieden«, steht auf der Ausstellungstafel weiter zu lesen. Im Gegensatz zum KZ sei der Zwangsaufenthalt im Arbeitserziehungslager oft zeitlich begrenzt gewesen. Fazit der Schüler: »Die Einweisungsgründe für ein KZ waren schwerwiegender und wurden nur von den mit dem Tod zu bestrafenden Gründen übertroffen.« In dem ehemaligen Arbeitserziehungslager auf dem heutigen Schulgelände seien mehrere Tausend Menschen interniert gewesen, weiß Lehrerin Röhl zu berichten.

Ansonsten sei die Quellenlage schlecht gewesen, man habe in den Archiven wenig Informationen über dieses mitten in Moosach gelegene Arbeitserziehungslager gefunden. Heute erinnert nichts mehr daran, stattdessen steht dort ein gewaltiger Betonklotz: Das jetzige Schulzentrum war Mitte der 1970er-Jahre von der Stadt München erbaut und im September 1976 eröffnet worden. Viel mehr Geschichtsstoff fanden die Schülerinnen und Schüler mit ihrer Pädagogin hingegen über andere NS-Spuren im Münchner Norden heraus: etwa über das frühere Außenlager Allach zu beiden Seiten der Dachauer Straße, über das Zwangsarbeiterlager in der Siedlung Ludwigsfeld, über das Lager an der Knorrstraße 148 sowie zu »Erinnerungen und Überresten 2011«.

Schüler mit Zeitzeugen in Kontakt

Zudem kann man auf einer der insgesamt sechs Ausstellungstafeln, die die Gymnasiasten erstellten, auch etwas über Hitlers »Hauptstadt der Bewegung« nachlesen sowie über den »Alltag der Münchner im Nationalsozialismus«.

Die Schüler waren außerdem auch mit Zeitzeugen in Kontakt: mit einem Tschechen, heute 87 Jahre alt, der während des Zweiten Weltkriegs in einem Zwangsarbeiterlager in Allach interniert gewesen sei, so Geschichtslehrerin Röhl. Bürger aus dem Münchner Norden, die jene Zeit miterlebten, sich nun als Zeitzeugen zur Verfügung stellen und über ihre Kriegserlebnisse berichten, können sich bei Geschichtslehrerin Alexandra Röhl vom Moosacher Gymnasium unter der Telefonnummer 23 38 31 00 melden. Die Ausstellung über die Zeit des »Nationalsozialismus im Münchner Norden« befindet sich in der Pausenhalle des Schulzent­rums im Erdgeschoss, am Übergang zum Sporttrakt. Das Schulhaus ist – mit Ausnahme der Ferienzeiten – offen. Wally Schmidt

Artikel vom 13.09.2011
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