TSV 1860 unterliegt im „Catering“-Streit • Kommentar von Alfons Seeler

München · Ein Stück Vergangenheitsbewältigung

Der „Löwe" verliert im Justizgebäude. Foto: Anne Wild

Der „Löwe" verliert im Justizgebäude. Foto: Anne Wild

Seit Mittwoch ist es aktenkundig: Den sogenannten „Catering“-Prozess vor der 1. Handelskammer am Landgericht München I hat der TSV 1860 München verloren. Die Hoffnungen von Präsidium und Geschäftsführung beim TSV 1860 München auf finanzielle Entlastung in der Allianz-Arena sind damit dahin.

Im Stadionüberlassungsvertrag hat sich der TSV verpflichtet, neben der eigentlichen Miete für jedes Bundesligaspiel eine Fixsumme für die gastronomische Verpflegung im Business- und Sponsorenbereich zu bezahlen, die sogenannte „Catering“-Pauschale. Die Pauschale setzt kalkulatorisch jedoch eine nahezu hundertprozentige Auslastung für sämtliche Heimspiele einer Saison voraus. Das ist beim TSV 1860 nicht der Fall. Seit Eröffnung der Allianz-Arena im Jahr 2005 erreichten die Giesinger nach eigenen Angaben nicht einmal 50 Prozent Auslastung. Nachdem sich der FC Bayern gegen Nachverhandlungen sperrte, kürzte der TSV kurzerhand den Betrag eigenmächtig entsprechend seines tatsächlichen Bedarfs.

Während der FC Bayern weiter auf der Zahlung der vereinbarten Pauschale bestand, bewertete der TSV die entsprechende Vertragsklausel als sitten- und kartellrechtswidrig und argumentierte, die Stadiongesellschaft habe seinerzeit die angespannte wirtschaftliche Lage der „Löwen“ ausgenutzt, um unangemessene „Catering“-Forderungen durchzusetzen. Das Gericht kam jedoch zu der Auffassung, dass sich die früheren Verantwortungsträger an der Grünwalder Straße durch die Zustimmung zu diesen Verträgen selbst in die Zwangslage gebracht hätten und verurteilte die „Löwen“ dazu, dem FC Bayern München in Gestalt seiner Stadiongesellschaft die Klagesumme in Höhe von 542.344 Euro zuzüglich Zinsen zu bezahlen. In einer ersten Stellungnahme zum Prozessergebnis erklärte 1860-Geschäftsführer Manfred Stoffers: „Egal, wer am Ende die Verantwortung für die desaströsen Mietbedingungen in der Allianz Arena trägt, aus der Verantwortung für den TSV waren wir verpflichtet, gegen die unerträglichen Vertragsbedingungen zu kämpfen."

Die Allianz-Arena erweist sich immer mehr zum Mühlstein am Hals des Zweitligisten: zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel. Die Verantwortung dafür kann jedoch nicht beim FC Bayern gesucht werden. Die „Blauen“ sollten sich an ihre eigene Nase fassen und Vergangenheitsbewältigung betreiben. Denn die Liste derer, die beim TSV 1860 mitverantwortlich für die heutige Situation sind, ist lang. Sie reicht vom früheren Präsidenten Karl-Heinz Wildmoser und seinem wegen Korruption im Zusammenhang mit dem Bau der Allianz-Arena verurteilten Sohn bis zu früheren Aufsichtsräten – darunter, auch das muss gesagt werden, Oberbürgermeister Christian Ude –, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des „kleinen“ TSV 1860 dramatisch falsch eingeschätzt haben und die „Löwen“ im Hau-Ruck-Verfahren in ein ehrgeiziges Prestigeprojekt trieben, das ihnen heute zum Verhängnis wird. Dabei ist es keineswegs so, dass seinerzeit nicht auch mahnende Stimmen in den Reihen des TSV 1860 existiert hätten. Im Gegenteil, eine Reihe von Kritikern des gemeinsamen Stadionbaues mit dem FCB haben die heutigen Probleme auf geradezu prophetische Weise vorhergesehen. Sie wurden zum Lohn mit Vereinsausschlussverfahren abgestraft und als „Ewiggestrige“ verunglimpft. In der Hurra-wir-bauen-ein-WM-Stadion-Euphorie wollte niemand etwas von möglichen Problemen wissen. Der FC Bayern hat dabei stets konsequent seine Geschäftsinteressen vertreten. Das ist legitim. Hätten die Verantwortlichen beim TSV 1860 in der Vergangenheit ähnlich gehandelt, müssten die „Blauen“ heute nicht finanziell auf Messers Schneide balancieren.

Artikel vom 15.07.2010
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