Das städtische Bertolt-Brecht-Gymnasium (BBG) in Pasing ist eine Seltenheit in der Münchner Schullandschaft, denn es bietet einen sozial- und einen naturwissenschaftlichen Zweig an und nimmt nur Mädchen auf. Das Kernfach Sozialkunde beinhaltet vertiefenden Politikunterricht und Zeitgeschichte zur Förderung eines gesellschaftlichen Wertebewusstseins. Viele Praktika und Seminare entstanden und entstehen in enger Zusammenarbeit mit den Lokalpolitikern im Münchner Westen.
Die Schulfamilie ist mit 430 Schülerinnen und 55 Lehrern seit vielen Jahren konstant groß. „Das Interesse an einer Ausbildung wie unserer ist ungebrochen, das ist toll“, meinte der Fachbetreuer für Sozialkunde, Karl-Jörgen Simonsen, der seit 1982 Lehrer an der Schule ist. „Doch in der Zeit nach Gründung der Schule vor 40 Jahren hatten wir lange Zeit 1.200 Schülerinnen unter unserem Dach.“
Anlass für die Entwicklung eines Sozialkunde-Zweiges an Schulen war der „Bildungsnotstand“ in den 60er Jahren. Damals galten vor allem Mädchen katholischer Herkunft, die fern von Städten aufwuchsen, als bildungsfern und waren besonders förderungswürdig. Unterricht in Haushalts-, Medizin- und Erziehungslehre entsprach dem damals vorherrschenden Bild einer „Mädchen gerechten Bildung“ und sollte ihnen ein Rüstzeug für ihre Rolle in der Gesellschaft mitgeben. Nur 28 Prozent aller Abiturienten waren damals weiblich.
Inzwischen haben die Mädchen die Nase mit 54 Prozent beim Abitur vorn. Auch Handarbeit und Kochen gehören längst nicht mehr zum Pflichtunterricht am BBG. Die Entwicklung des Sozialkundeunterrichts würdigte das BBG nun in einem Festakt zu „50 Jahre sozialwissenschaftlicher Zweig“. Rektor Helmut Satzl ging in seiner Festansprache auf den Beschluss ein, in Bayern zum Schuljahr 1965/66 das Sozialwissenschaftliche Gymnasium als neuen Schulzweig für Mädchen einzuführen. „Inzwischen haben mehr als 50 Schulen dieses besondere Profil gewählt, in dem verstärkt politische Bildung im Kernfach Sozialkunde verbunden mit einem lebenspraktischen Bezug im Profilfach Sozialpraktische Grundbildung vermittelt wird.“ Ein reines Mädchen-Fach ist die Sozialkunde nicht mehr, bayernweit wählten ebenso Jungen diesen Zweig, so Satzl.
Auch im schulpolitischen Alltag sind längst nicht mehr nur Mädchen auf den Sozialkundezweig festgelegt. Dies veranschaulichte der charmante Versprecher von Stadtschulrat Rainer Schweppe am besten, der in seinem Grußwort alle „Schüler und Schülerinnen der Schule“ willkommen hieß. Ehrengast des Festakt war ein enger Freund des BBG, Alt-Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel, in dessen Amtszeit die Schulgründung vor 40 Jahren fiel.
„Ich fühle mich der Schule sehr verbunden und komme gern“, betonte er. Es sei wichtig, dass Ältere den Jungen zuhörten und Jüngere auf die Erfahrungen der Älteren bauen könnten, so Vogel. Das sei ein notwendiges Fundament für die politische Bildung. In einem Podiums-Zwiegespräch mit Fachbetreuer Simonsen diskutierte Vogel zum Thema “Notwendigkeit der politischen Bildung in einem freiheitlichen Rechtsstaat“. „Es kommt darauf an, dass sich jeder einzelne seiner Verantwortung im politischen Sinne bewusst wird“, so Vogel. „Dafür trete ich ein.“