Den Grüffelo kannten die 16 Kinder aus dem Kindergarten am Ravensburger Ring bereits. In ihrer Einrichtung gibt es nämlich das gleichnamige Bilderbuch von Axel Scheffler und Julia Donaldson. Aber, dass der Grüffelo auf türkisch „Tostoroman“ heißt, das war ihnen neu. „Und wer weiß, was Eichhörnchen auf türkisch heißt?“, fragte Gülay Savasci. Die Bibliothekarin für interkulturelle Bibliotheksarbeit las an diesem Vormittag gemeinsam mit der Kinder- und Jugendbibliothekarin Judith Richter in der Bücherei am Westkreuz. Die eine auf Deutsch, die andere auf Türkisch. „Sincap“ heißt „Eichhörnchen“ und „Tilki“ „Fuchs“ erklärte Gülay Savasci, als im Text die Rede auf diese Tiere kam.
Aufmerksam lauschten die drei- bis fünfjährigen Kinder der Erzählung von der kleinen Maus, die dank ihrer Schläue allen Waldtieren einen gehörigen Respekt einflößt und am Schluss sogar dem gefährlichen Grüffelo Angst einjagt. Zu den lustigen Reimen wie „mein Lieblingsschmaus ist kleine Maus“ streckte die Bibliothekarin noch einen Plüschgrüffelo in die Luft und Judith Richter ließ die Kinder die Töne von Eulen und Schlangen nachmachen und auf dem Riesenbilderbuch suchen. Nach dem Vorlesen durften Ajdin, Seren, Sava, Maruam und die anderen Kinder noch eine Grüffelo-Maske ausmalen und sich damit in das sympathische Monster verwandeln.
Vorlesen ist im Kindergarten am Ravensburger Ring ein Schwerpunkt. Neben den Besuchen in der Bücherei haben die Erzieherinnen ein extra Leseprojekt etabliert. Bei den „Büchermäusen“ lesen Eltern den Kindergartenkindern in ihrer Sprache vor und die Erzieherinnen übernehmen den deutschen Part. „Wir haben in unseren Gruppen einen Anteil von 90 Prozent Migranten“, erklärte Erzieherin Ina Kramer, die mit ihrer Kollegin Anke Sir die Kinder in die Bücherei begleitet hatte. Das reiche von türkisch über arabisch, serbisch, spanisch bis zu chinesisch.
„Durch das Vorlesen lernen die Kinder den Klang fremder Sprachen kennen, dadurch bekommen sie mehr Toleranz für andere Kulturen“, wusste Kramer. Das Vorlesen sei ideal, um neue Themen kennenzulernen und das Allgemeinwissen zu schulen. Bibliothekarin Judith Richter schätzt am Vorlesen, dass die Kinder ihren Wortschatz erweitern und neue Begriffe lernen. Vier Mal im Jahr findet das mehrsprachige Vorlesen in der Bücherei statt. Dabei wird neben dem deutschen Bilderbuch, die Übersetzung in einer anderen Sprache vorgelesen.
Für die Bibliothekarinnen gibt es regelmäßige Fortbildungen zum Thema „Vorlesen“. Alle Sinne sollen angesprochen werden. „Nur Vorlesen gibt es bei uns nicht“, berichtete Judith Richter. Mal wird ein Kuscheltier mitgebracht, dann Fingerreime aufgesagt oder Lieder gesungen. Außerdem treten die Vorleserinnen in einen Dialog mit den Kindern. „Wo ist denn der Vogel?“, fragten sie die Kinder beispielsweise und versuchten auf die Erfahrungswelt der Kleinen einzugehen. Ein weiteres Ziel der Vorleseaktionen in der Bücherei ist es, die Kinder mit der Einrichtung vertraut zu machen, so dass sie später mit ihren Eltern wiederkommen. Ina Kramer und Anke Sir werden mit ihren Kindergartenkindern auf jeden Fall wiederkommen. Sie haben sich bereits für die nächste Vorleseaktion angemeldet.