Veröffentlicht am 10.08.2015 12:06

Allacher Porzellan – Porzellan in Allach?

Bild 1 (Foto: Demmel)
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Bei meinen ausgedehnten Recherchen zur Geschichte Untermenzings – siehe dazu die ca. 30 Artikel im Werbe-Spiegel – stieß ich mehrfach auf den Namen Birk. Herr Otto Birk jun., den ich schon kannte und dazu befragte, ist vielen älteren Bürgern unseres Stadtteils östlich der Bahnlinie noch bekannt als Baukeramiker, der sein Geschäft „Baukeramik Kachelofenbau“ bis 2008 in der Allacher Str. 255 im heute nicht mehr bestehenden Rückgebäude betrieb und anschließend in seiner Kellerwerkstätte weiter arbeitete. Seit April dieses Jahres ist er im Ruhestand. Bis zu diesem Zeitpunkt fertigte er – wie zuvor schon sein Vater – viele Jahre (insgesamt 30) für die Bayerische Staatskanzlei große Löwen nach einem Modell von Professor Rauch und kleinere Löwen nach einem Modell des Pasinger Professors Osel (Bild 1) an. Otto Birk ist ein Mann von heute aus einer Familie von gestern: In Allach-Untermenzing bekannt als die Familie NAGY, ein ungarischer Name, unter alten Allachern und Untermenzingern als Nagi bekannt.

Einen Franz Josef Birk hatten wir im Jahr 1932 als Metzger und Pächter der „Grünen Eiche“ in der Angerlohe kennen gelernt, ein Leopold Birk wohnte in der früheren Garten- und jetzigen Grandauerstraße 6. Ein Otto Birk, Vater unseres Otto Birk, Bruder des Pächters Franz Josef Birk und zunächst auch Metzger, wohnte und arbeitete später als Keramiker in der früheren Parkstr.16, wo heute das Haus Lindemannstr. 9 steht. Über diesen Birk sen. wußte ich bereits, dass er der Schwiegersohn des sehr bekannten Franz Nagy, des ursprünglichen Besitzers der 1935 gegründeten Porzellan Manufaktur Allach, war.

Dieses Unternehmen war 1992 eine Doktorarbeit einer Frau Gabriele Huber wert, die den Titel trägt „Die Porzellan-Manufaktur Allach-München GmbH“. Die Lektüre dieser Arbeit bereitete mir einige Probleme, weil sie mit meinen eigenen Recherchen und den Aussagen und Dokumenten des Otto Birk jun. nach dem Nachlass Nagy nicht immer übereinstimmt. Ich arbeite z.Z. unter dem Arbeitstitel „Stationen eines Künstlerlebens für Keramik und Porzellan – Franz Nagy, Gründer der Allacher Porzellan Manufaktur“ und hoffe, Klarheit in das Leben dieses interessanten Stadtteilbürgers, der 1962 verstarb und im Westfriedhof begraben ist, zu bringen.

Franz Nagy, der 1888 in Fünfkirchen (Ungarn) geboren war, kam über die Porzellanmanufakturen Zsolnay in Fünfkirchen, Dressel, Kistler & Co. in Passau zur Porzellanmanufaktur Nymphenburg in München, wo er mit Mutter und drei Geschwistern von 1906-1921 in Neuhausen wohnte und 1913 Rosa Saurer heiratete. Über Rosenthal in Selb kam er im Jahr 1935 endgültig nach Untermenzing bei München. Er, seine Frau Rosina (geb. 1891), sein Sohn Franz (geb. 1914) und seine Tochter Rosina (geb. 1919) wurden 1929 durch die Regierung von Oberfranken in Bayern eingebürgert und hatten somit die deutsche Staatsangehörigkeit. Obwohl er als geborener Ungar im Ersten Weltkrieg noch im österreichischen Heer dienen mußte, zeigte er sich von Anfang an mit seiner neuen deutschen Heimat engstens verbunden und dankbar für alles, was er dort lernen durfte. Seit 1927 besaß Franz Nagy in Allach bei München in der Nähe der Firma Krauss-Maffei ein ca. 2.000 qm großes Grundstück in der Lindenstr. 8 (Bild 2), auf dem er 1935, zunächst als alleiniger Inhaber, eine Keramische Werkstätte gründete und mit seinen Geschäftspartnern, dem Porzellanmaler Carl Diebitsch, dem damals schon bekannten Porzellankünstler Theo Kärner und dem Kaufmann Bruno Galke, dort 1936 mit der Produktion von Kunstporzellan begann. Carl Diebitsch, ein SS-Mann der ersten Stunde und Bekannter Himmlers, vermutlich aus dessen Münchner Tagen, war es dann auch, der von Anfang an die Beziehungen zur Allgemeinen SS anknüpfte. Im Jahr 1939 erfolgte die in Berlin lange vorbereitete und endgültige Übernahme der Firma durch die Allgemeine SS. Nagy sen. (und auch Theo Kärner) war damit enteignet. Die Manufaktur wurde dem zur Allgemeinen SS gehörenden „Hauptamt Verwaltung und Wirtschaft“ in Berlin unterstellt und für sie die besten erreichbaren Künstler verpflichtet.

Die einzigartige Konzentration der besten Künstler, Designer, Töpfer und aller wichtigen Handwerker zur Herstellung von hochwertigem Porzellan ermöglichte es, in der nur neunjährigen Zeit des Bestehens der Manufaktur beste Porzellangegenstände, wie historische Reiterfiguren, Tiere, Moriskentänzer und Gaukler, Kerzenleuchter, Vasen, aber auch politische Figuren und Gegenstände herzustellen. Folgende künstlerische Mitarbeiter sind hier zu nennen: Prof. Benno von Arent (Berlin), Karl Diebitsch (München), Richard Förster (München), Prof. Theo Kärner (München), Prof. Wilhelm Krieger (Herrsching), Franz Nagy sen. (München), Wilhelm Neuhäuser (Dachau), Otmar Obermeier (München), Adolf Röhring (Dachau), Prof. Willy Zügel (München).

Die SS-Runen (Bild 4) wurden zum Markenzeichen des neuen Porzellans. Das Programm der Manufaktur (Bild 3) umfasste sowohl verschiedenste Kunstgegenstände als auch Gebrauchsgeschirr mit insgesamt 240 Porzellan- und Keramikmodellen. Im Laufe der Jahre entwickelte sich die Manufaktur zum Lieblingsprojekt Heinrich Himmlers, Reichsführer SS. Nachdem aufgrund einer raschen Expansion des Unternehmens die Anlagen in Allach nicht mehr ausreichten, wurde bereits 1937 der größte Teil der Produktion auf das Gelände des SS-Übungs- und Ausbildungslagers beim Konzentrationslager Dachau verlegt, dem heutigen Areal der VI. Bereitschaftspolizeiabteilung Dachau. Eine Führung durch dieses Gelände durch einen intimen und höchst sachkundigen Kenner dieses Geländes, Herrn Papenfuß, ist höchst empfehlenswert. Das ehemalige, aus der Zeit des Ersten Weltkriegs stammende Produktionsgebäude des Pulverpreßwerks gibt es heute nicht mehr, es liegen aber Luftaufnahmen, Lagepläne und ein Foto vor. Schließlich wurde dorthin die gesamte Porzellanherstellung verlagert, während in Allach ab 1942 Kunstkeramik, wie Teller, Krüge und Vasen, hergestellt wurde. In den Kriegsjahren produzierte man in Dachau auch einfache Gebrauchsgegenstände, wie Salbengefäße und Kantinengeschirr. Der vielen gut bekannte Johannes Heesters (Bild 5) besuchte während des Krieges die Porzellanfabrik und unterhielt sich bestens mit den Künstlern und Arbeiterinnen. Zu diesem Besuch liegen weitere, noch nicht veröffentlichte Fotos vor.

Nach dem Krieg versuchte Nagy vergebens, an seinen ehemaligen Besitz zu kommen, und mußte deshalb zuerst in der Parkstraße 16 und dann in der Allacher Str. 255 völlig neu anfangen. In den alten Produktionsräumen produzierte zunächst ein Heinrich Müller Keramik und ab 1948 die Bonbonfabrik „Kalfany“, die noch vielen Bürgern unseres Stadtteils gut bekannt ist, beliebte Süßigkeiten wie z.B. Bayerisches Blockmalz, dessen Herstellung der Inhaber, Karl Berger, in der Diamalt AG gelernt hatte.

Aufmerksame Bürger lesen auch in unseren Tagen manchmal in verschiedenen Tageszeitungen und im Internet die Nachfrage nach Allacher Porzellan: „Hallo und guten Tag, Ankauf Allach Porzellan. Kaufe alles von PM Allach wie Figuren, Bilder, Vasen, Dokumente, Fotos, Porzellan usw. und zahle Liebhaberpreise. Übernehme gerne komplette Sammlungen wie z.B. aus Nachlass, Wohnungsauflösung oder Speicherfund. Einfach E-Mail schicken und anbieten. Danke.“ Da wundert sich mancher Bürger, weil er die Suche nicht richtig einzuordnen versteht: Porzellan in Allach? Man sucht nämlich nach Erzeugnissen der beschriebenen Porzellan-Manufaktur Allach während der NS-Zeit. Sehen Sie dazu auch: www.allach-porzellan.de und Sie werden dort viel Porzellan aus der Allacher Manufaktur finden.

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