Die neue Gegenwart deutet in die Zukunft. Während die anderen denkmalgeschützten Fabrikgebäude, wie die alte Suppenwürze und das Werkstättengebäude, vor sich hindümpeln oder besser dahinbröckeln, sieht das ehemalige sog. Beamtenwohnhaus recht gut aus, das Pförtnerhaus ist erneuert, aber mit einem völlig unpassenden Anbau versehen, steht das Maschinen- und Kesselhaus in neuem Glanz.
Im September 2010 meldete die Süddeutsche Zeitung „Diamalt-Kesselhaus an Gewerbebetrieb verkauft“, im Juli 2012 konnte Hallo, der NordWestAnzeiger, bereits schreiben „Diamalt blüht auf“ und melden, daß nach jahrelangem Stillstand auf dem Diamaltgelände die Bauarbeiter am Werk seien. Der neue Besitzer, Matthias Mertmann, ein Industriedenkmal-Fan, wollte auch mit seiner Familie in den denkmalgeschützten Diamalt-Altbau ziehen. Gekauft hatte er das Maschinen- und Kesselhaus von der Deutschen Capital Management (DCM), die das Areal der Diamaltfabrik im Jahr 1998 erworben hatte und es 2011 an die JK Wohnbau verkaufte. Diese firmierte 2012 in Isaria Wohnbau AG.
Zunächst aber in die Geschichte des mehrmals besprochenen Baus, hier beurteilt vom Landesamt für Denkmalpflege: „Das Maschinenhaus ist durch die erhaltene Bauinschrift in die Jahre 1915/16 zu datieren. Die Pläne entwarf Franz Rank im Oktober 1915. Die Ausführung lag ebenfalls in den Händen der Baufirma Gebr. Rank. Die architektonische Instrumentierung der Fassaden ist weitgehend analog mit Gebäude Nr. 33. Das für drei Dampfmaschinen ausgerichtete Maschinenhaus weist im Innern ein Rabitzgewölbe mit Stichkappen auf. (Rabitz ist die Bezeichnung für Drahtputz. Er besteht aus einer tragenden Metall-Unterkonstruktion, dem Rabitzgitter als Putzträger und dem Putzmörtel . Das 1878 zum Patent angemeldete Verfahren wurde von dem Berliner Maurermeister Carl Rabitz entwickelt. Rabitzarbeiten sind Stuckarbeiten., W.D.) Ein Laufkran bediente die Dampfmaschinen. Ein Exemplar des Typs „Schorsch“ der Firma Escher-Wyss aus dem Jahre 1872 ist erhalten. Die Fenster bestehen aus versproßten Eisenrahmen (heute nicht mehr!, W.D.).
Das Kesselhaus (Nr. 36) geht ebenfalls auf das Jahr 1915 zurück. 1920 fanden bauliche Veränderungen statt. Im erhöhten Nordteil (Eisenbetonkonstruktion) befand sich der Kohlensilo. Der Mittelteil mit flachem Pultdach auf vernieteten Eisenfachträgern nahm die Dampfkessel und den ebenfalls 1915 errichteten Kamin auf, welcher als weithin sichtbares Wahrzeichen des Werkes diente.“ Dazu muß man ergänzen, Mertmann hat die Dampfmaschine 2010 nicht mehr vorgefunden hat, sondern nur noch die Fundamente, und vermutet, sie ist in der Zwischenzeit Schrottjägern anheimgefallen. Leider mußten von dem weithin sichtbaren Kamin aus Sicherheitsgründen mehrere Meter abgetragen werden.
Dr.-Ing. Matthias Mertmann ist nun seit 2010 Besitzer des Maschinen- und Kesselhauses und rund 3.400 qm auf dem ehemaligen Diamaltgelände. „Endlich gute Aussichten für das Diamaltgelände“, schrieb damals die Lokalpresse und outete den neuen Besitzer als Denkmalfan. Sicher ist der Maschinenbauingenieur und seine Familie ein Glücksfall für unseren Stadtbezirk, weil seine bisherigen und gegenwärtigen Sanierungsarbeiten die Zukunft des Geländes vorbereiten und beschleunigen. Die Sanierungsarbeiten begann er sofort mit großem Engagement. Er erzählt, daß es anfangs einige Überraschungen gab, an die er nie gedacht hätte. So fand er in einem alten Kohletrichter des Kesselhauses ca. 30 Tonnen Koks, die natürlich entsorgt werden mußten. Im Keller entdeckte er alte Rohre, die sich bei näherer Untersuchung als mit Salzsäure gefüllt erwiesen.
Da das Kesselhaus das Energiezentrum der benachbarten Neuen Suppenwürze war, in der noch in den 1980er Jahren Malzprodukte, Pralinen und Bonbons hergestellt wurden, könnte die dort verwendete Salzsäure im Laufe der Jahre über ein Verbindungsrohr in den Keller des Kesselhauses gesickert sein.
Für das Diamalt-eigene Kraftwerk brauchte man natürlich Kohle, die über einen Gleisanschluß angeliefert und über ein Förderband zu riesigen Kohletrichtern transportiert wurde. Von dort wurde dann ein Dampfkessel, der noch erhalten ist und besichtigt werden kann, beheizt. Ob das alte Beförderungssystem wieder in Gang gesetzt werden kann, wie es sich Mertmann vorstellt und Besuchern zeigen will, steht noch nicht fest. 25 Jahre Leerstand gingen an dem inzwischen fast 100 Jahre alten Gebäude nicht spurlos vorüber. Es ging nicht nur darum, die äußere, denkmalgeschützte Fassade zu renovieren, sondern auch im Inneren möglichst viele historische technische Überbleibsel zu erhalten. Man wird im Jahr 2015 das renovierte Gebäude besichtigen können, denn die ersten Büros sind bereits fertig. Das eigentliche Kesselhaus soll der Medizintechnik-Firma Mertmanns Räume bieten, seine Wohnung hat er mit seiner Familie bereits bezogen. Das Maschinenhaus mit den Generatoren stellt nochmals höchste Ansprüche an den Sanierer, denn die Halle wirkt groß wie ein Kirchenschiff. Mertmann hat vor, sie nach den Wünschen des potentiellen Mieters auszubauen und, wenn möglich, Zwischendecken einzuziehen. Was würde dann von der ursprünglichen Raumschönheit noch bleiben? Besser ist sicher seine Idee von einer Art Kulturzentrum, für das erst ein Konzept erarbeitet werden müßte. Sicher ist heute schon: Mertmann hat ein wesentliches Kapitel zur Allacher Industriekulturgeschichte geschrieben und gleichzeitig eine neue Seite aufgeschlagen.