Veröffentlicht am 10.09.2013 12:16

„Das ist kein Stil, nur ein Klotz”

Früher und heute: Vor zwei Jahren stand in der Helmpertstraße in Laim noch diese alte Villa, umringt von großen Bäumen und einem prächtigen Garten. (Foto: Archiv/ BK)
Früher und heute: Vor zwei Jahren stand in der Helmpertstraße in Laim noch diese alte Villa, umringt von großen Bäumen und einem prächtigen Garten. (Foto: Archiv/ BK)
Früher und heute: Vor zwei Jahren stand in der Helmpertstraße in Laim noch diese alte Villa, umringt von großen Bäumen und einem prächtigen Garten. (Foto: Archiv/ BK)
Früher und heute: Vor zwei Jahren stand in der Helmpertstraße in Laim noch diese alte Villa, umringt von großen Bäumen und einem prächtigen Garten. (Foto: Archiv/ BK)
Früher und heute: Vor zwei Jahren stand in der Helmpertstraße in Laim noch diese alte Villa, umringt von großen Bäumen und einem prächtigen Garten. (Foto: Archiv/ BK)

Welches Gesicht geben wir unserer Stadt und welches architektonische Erbe wollen wir hinterlassen? Bei großer Wohnungsnachfrage und damit einher gehender hoher Baufrequenz in München scheinen derlei Überlegungen rückläufig. Einst an das Bauwerk gestellte Ansprüche wie Ästhetik, Schöngeisterei oder gar Handwerkskunst wehen lediglich noch aus längst vergangenen Jahrhunderten vorbei. Maximen wie Funktionalität, Dichte und Ökonomie lösten nostalgische Ideen über Stilkunde ab. Schmückendes Beiwerk oder idyllische Gärten - dafür gibt es in der am dichtesten besiedelten Stadt Deutschlands, der von Zuzug geplagten Landeshauptstadt Bayerns keinen Platz mehr. Gartenstadt ohne Gärten also? Dass trotz des stetigen Wachstums achtsam, mit Maß und Weitsicht gebaut wird, dafür setzen sich Laimer Bürger tatkräftig ein. „Lebenswertes Laim“ heißt die Bürgerinitiative im 25. Stadtbezirk, die auf die gesellschaftliche und bauliche Entwicklung aufmerksam machen will. Um mehr Rücksichtnahme auf die bestehende Bau- und auch Baumsubstanz und den Erhalt historisch gewachsener Viertel ringen die Laimer ausdauernd, und als Initiative organisiert, seit 2011. Gemeinsam mit anderen Münchner Bürgerinitiativen schlossen sie sich zum Bündnis Gartenstadt zusammen, um vereint gegen den Druck der Nachverdichtung und deren beton-graue bauliche Konsequenzen zu kämpfen.

Die Anfänge

„Lebenswertes Laim“, dafür stehen maßgeblich Carsten Trinitis, Sabine Kiermaier, Cornelia und Gerry Wallner. Den Ausschlag, um sich als Bürgerinitiative zusammenzutun und mit politischer wie gesellschaftlicher Wirksamkeit auf die derzeitige Baukultur aufmerksam zu machen, gab der 2011 geplante Neubau in der Helmpertstraße in Laim. Die Hausnummer 3 zierte damals noch eine alte, aus den 20-er Jahren stammende Villa. Umgeben von einem großen Garten und etlichen dickstämmigen, alten Bäumen, galt sie den Nachbarn als Kleinod, das sich städtebaulich gut integrierte. Die Bewohner des gegenüberliegenden, unter Denkmalschutz gestellten Ensembles, das der Architekt Theodor-Fischer für die Laimer entwarf, sahen einen historischen wie kulturellen Wert in ihrem vis-a-vis. Die Hauserben schätzten dies jedoch anders ein. Obwohl der Bauantrag vielerorts heftige Kritik auslöste und sowohl von der Nachbarschaft als auch vom politischen Gremium im Stadtteil abgelehnt wurde, stand das Baurecht auf Seiten der Eigentümer. Die Villa samt Garten wurde abgebrochen und durch einen modernen Neubau, der das Grundstück maximal ausnutzt, ersetzt. Statt nur einer Familie ein Heim zu geben, können nun ganze neun Wohneinheiten an dieser Stelle bezogen werden. Dass diese dichte Bauweise jedoch wenig mit bezahlbarem Wohnraum zu tun hat, wird nun deutlich.

„Man muss auf die Bremse treten“

„Die Nachverdichtung hat nicht dazu geführt, dass hier günstiger Wohnraum entsteht“, erklärt Sabine Kiermaier. Ganz im Gegenteil: 560.000 Euro kostet hier die billigste der neun, allen bereits verkauften Wohnungen. Statt günstigen Wohnraum zu schaffen, würden eher alteingesessene Münchner verdrängt. „Man nimmt den Leuten die Heimat. Denn die, die früher hier waren, müssen weg ziehen. Es kommen nur neue, die Geld haben“, so Kiermaier. Denn wer könne sich die hohen Kaufpreise oder Mieten leisten? Viele Nachbarn seien bereits weggezogen. Entweder weil es für sie zu teuer wurde, oder aber, weil sie ihr Viertel, in dem sie Jahrzehnte lang lebten, nicht mehr wieder erkennen. „Da muss man mal auf die Bremse treten“, erklärt Carsten Trinitis. Stopp mit dem Profitstreben und den Luxusbauten. „Je mehr gebaut wird, desto teurer wird es“, erklärt Kiermaier. Doch nicht nur unter sozialem Aspekt werfe die hemmungslose Nachverdichtung große Probleme auf: „Diese Neubauten verändern das Stadtviertel in sehr negativer Weise. Architektonisch sind sie bestenfalls einfallslos, ökologisch sind sie katastrophal“, erklärt Kiermaier. Zu wenig Raum sei einkalkuliert, als dass hier noch große Bäume wachsen könnten. Der Neubau in der Helmpertstraße, „das ist kein Stil, das ist ein Klotz“, schimpft Kiermaier. Denn die Riegelbauweise, das Flachdach und das strahlende Weiß der Fassade, stünden in keinem Bezug zur baulichen Umgebung. Dass es so nicht immer laufen muss, wenn neu gebaut wird, zeigten Beispiele wie etwa das Haus in der Neuburger Straße 1. Hier wurde mit Maß gebaut so dass auch Platz für Grün blieb.

Engagement ist Pflicht

Obwohl die Initiative schon kleine Erfolge zu verbuchen hat und das Thema sowohl unter der Bevölkerung als auch in politischen Gremien zunehmend diskutiert wird, sei noch sehr viel zu tun, meint Kiermaier: „Wir möchten bewirken, dass auf die angestammte Bevölkerung Rücksicht genommen wird und ihre Belange durchgesetzt werden, und nicht die Interessen der finanzkräftigen Zuzügler und der Bau- und Immobilienbranche für die Stadt München Priorität haben.“ Aktuell setzt sich die Bürgerinitiative für verschiedene Objekte in der Agnes-Bernauer- und der Neuburger Straße ein. Auch die Bewohner der Ludwig-Richter-Höfe in der Agnes-Bernauer-Straße baten nun um Unterstützung. Diese bangen unter anderem um den Erhalt ihres Innenhofes, der ihnen als wichtiger sozialer Treffort dient und eventuell den Bauplänen der Patrizia Immobilien AG anheimfallen wird. Bürgerschaftliches Engagement – für Kiermaier bleibt es eine gesellschaftliche Pflicht: „Ja, es gibt sehr viele Probleme und die Bürger müssten dringend Engagement zeigen. Besonders wer Kinder hat, sollte sich vor Augen halten, welche großen Probleme auf die nächste Generation zukommen.“ Engagiert werden daher auch künftig Unterschriftenaktionen, Ortsbegehungen und Proteste organisiert sowie offene Briefe und Anfragen an zuständige Politiker gestellt, um irgendwann vielleicht doch noch das Baurecht umzuschreiben und mehr Handlungsfreiheit für Städte und Kommunen in Sachen Bauen und Planen zu erwirken.

Weitere Infos gibt es unter www.lebenswertes-laim.de.

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