Wenn man Überlegungen zur Eingemeindung Untermenzings nach München im Jahr 1938 (Werbe-Spiegel v. 14.11.2012, S. 16) anstellt, kommt man nicht umhin, sich auch mit dem Bürgermeister der Gemeinde zu beschäftigen, der die Urkunde mit unterzeichnet hat. Das Bild (1) aus privatem Familienbesitz zeigt den Großbauern Josef Grandl im „Sonntagsgwand”, aber am linken Revers mit Parteiabzeichen.
Da der letzte Untermenzinger Bürgermeister J. Grandl im Gegensatz zum Allacher Johann Bäumer einer alteingesessenen Familie entstammt, soll hier kurz auf die Geschichte seines Hofes hingewiesen werden, ohne an dieser Stelle den Details der im 15.Jahrhundert beginnenden Geschichte des alten Untermenzinger Bauernhofes nachzugehen. Der Hof ist seit 1636 im Besitz der Grandls, 1760 taucht zum ersten Mal der Hausname Grandlhof auf, der später die Haus-Nr. 1 bekommt. Nicht aber im „Untermenzinger Häuserbuch” CD von A. Thurner, wo neben vielen anderen die Geschichte des Hofes genau dokumentiert ist, wollen wir stöbern, sondern uns mit Bild 3 das Familiengrab der Grandls im alten Friedhof bei St. Martin ansehen, das allen Suchenden frei zugänglich ist.
Für den Leser sollen zunächst hier zwei Abbildungen (Bild 2) gezeigt werden, die die Umgebung des Hofes „Beim Grandl” gut erkenntlich machen und zeigen, dass J. Grandl aus einer alteingesessenen Untermenzinger Familie stammt. Die beiden leicht veränderten Abbildungen wurden mit freundlicher Genehmigung durch den Autor Dr. E. Rudolph seinem Buch „Allach-Untermenzing. Die Geschichte eines Stadtteils” S. 179 entnommen und zeigen gem. Urkataster von 1812 den Grandlhof (unter 1) und die heutigen Gebäude mit Eintrag Grandl an der Von-Kahr-Str. 85 (früher Nymphenburger Str. 2).
Die schon erwähnte Grabstätte (Bild 3) befindet sich etwa in der Mitte des Weges an der Südseite der Kirche. Unter den Vorfahren Grandls finden wir auf der Grabtafel den Vater Michael, der am Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 teilgenommen hatte und mit zwei Medaillen ausgezeichnet worden war, und seine Mutter Magdalena Grandl, die schon mit 44 Jahren starb. Den Hof übernahm der Sohn Josef, der mit Walburga Trinkl verheiratet war. Josef Grandl, der noch einen jüngeren Bruder und fünf Schwestern hatte, ist am 27.02.1879 in Untermenzing geboren und hat dort immer gelebt. Auch er war Kriegsteilnehmer, allerdings nun am Ersten Weltkrieg (1914-1918). Das vorhandene Foto eines feschen jungen Mannes in farbenprächtiger Uniform kann hier aus Platzgründen leider nicht gezeigt werden. Sein Sohn, auch Josef (1912-1944) genannt, war zunächst als vermisst gemeldet, wurde 1944 für tot erklärt. Die Enkelin ist sehr an Heimatgeschichte und an weiteren Informationen zum Leben des Großvaters interessiert.
Der Landwirt und spätere Bürgermeister Josef Grandl, der, wie es dörflicher Brauch war, der Freiwilligen Feuerwehr, dem Krieger- und Veteranenverein und anderen, nicht dokumentierten dörflichen Vereinen angehörte, wurde aber auch schon im Jahr 1933 Mitglied der NSDAP, war von 1935-1938 Ortsbauernführer (OBF, Bild 4) und zur selben Zeit Bürgermeister in Untermenzing. Als Ortsbauernführer vertrat er die Bauernschaft in Untermenzing und hatte sich mit dem Bürgermeister, der er in diesem Fall ja selbst war, und dem Ortsgruppenleiter der NSDAP über Gemeindeentscheidungen zu besprechen. Die OBF mußten nicht NSDAP-Mitglieder sein. Warum J. Grandl so früh zur NSDAP ging, bleibt vermutlich sein Geheimnis, seinen Nachfahren ist dazu nichts bekannt.
Als Bürgermeister war er nach der Absetzung von Auer (1933-1935) dessen Nachfolger. Seine noch bekannten Vorgänger waren Max Näther (1927-1930), nach dem eine unserer Straßen benannt ist, und die Herren Rieger (1930-1933) und Auer (1933-1935). M. Näther hatte schon in seiner Amtszeit die Verhandlungen gegen eine Eingemeindung geführt. Auch Grandl zeigte sich in seiner Amtszeit mit großem Einsatz um das Wohl seiner Gemeinde bemüht. Nach Fühlungnahme mit der Bevölkerung und Beratung mit den Gemeinderäten schrieb er zum Betreff der Eingemeindungsvorhaben der nationalsozialistischen Führung Münchens noch im Juni 1937 an den OB der Hauptstadt der Bewegung: „Dem Wunsch der Stadtverwaltung München nach Eingemeindung der Gemeinde Untemenzing kann nicht zugestimmt werden. ... Der weitaus größte Teil der Bevölkerung steht der Sache völlig ablehnend gegenüber. ...”
Während er sich in dieser Angelegenheit gegen das Ansinnen seiner Parteigenossen aussprach, bemühte er sich zusammen mit dem Ortsgruppenleiter Hennemann schon längere Zeit um ein schönes HJ-Heim in Untermenzing (Nord-West-Anzeiger v. 23.02.2011). Dieses konnte er dann Ende November 1938 zusammen mit vielen Parteigrößen aus nah und fern unter großer Beteiligung der Bevölkerung einweihen (Bild 5). Im „Völkischen Beobachter” v. 30.11.1938 hieß es dazu: „Der Bedeutung des feierlichen Anlasses entsprechend, versammelten sich an der festlich geschmückten Stätte vor allem die künftigen Insassen des schönen Heims, HJ und BDM, die Politischen Leiter von Untermenzing, Bürgermeister Parteigenosse Grandl, der 1. Beigeordnete Thaler und die Gemeinderäte.”
Bei den Verhandlungen über den Eingemeindungsvertrag gelang es Grandl nicht nur für das HJ-Heim eine angemessene Ausstattung und eine Dienststelle für die NSDAP zu sichern, sondern – was für die Bevölkerung viel wichtiger war – eine Autobusverbindung zum Botanischen Garten, wichtige Straßenverbesserungen, notwendige Ergänzungen für die Feuerwehr, verbesserte Schulverhältnisse und die Förderung des Siedlungswesens und vieles andere zu erreichen. Am 27.Oktober 1938 unterzeichneten im Rathaus der Oberbürgermeister von München, Karl Fiehler, und der letzte Bürgermeister der Gemeinde Untermenzing, Josef Grandl, den lange umstrittenen Vertrag über die Eingemeindung Untermenzings. Der Ablauf der Feierlichkeiten wird in Text und Bild in der geplanten Ausstellung zu sehen sein.
Nach dem Einmarsch der Amerikaner in Allach (WS v. 26.09.2012, S. 14), Untermenzing und Obermenzing am 30.04.1945 kam auch Grandl in Bedrängnis, weil eine Gruppe von befreiten Lagerinsassen unter Anführung eines Untermenzingers J. Grandl mit dem Tode bedrohten und im Wohnzimmer an ihm vorbei in die Wand schossen. Natürlich musste er sich dem Entnazifizierungsverfahren unterziehen, also am 04.04.1945 einen umfangreichen Fragebogen zu seiner Person und Stellung im nationalsozialistischen Machtgefüge ausfüllen und sich am 05.07.1948 dem nach dem Kontrollratsgesetz Nr. 104 eingerichteten Spruchkammerverfahren stellen. Er wurde belastet, von 1933-1945 Mitglied der NSDAP, von 1935-1938 ehrenamtlicher Bürgermeister und von 1935-1938 Ortsbauernführer gewesen zu sein (Bild 6). Der Sühnebetrag wurde mit 150,-- DM angesetzt, Grandl erklärte sich noch im Juli 1948 damit einverstanden, musste 331,-- DM für den Sühnebetrag, das Verfahren und das Porto zahlen und war damit, als Mitläufer eingestuft, frei. Da er wegen Ergänzung seines Viehbestands und Einkauf des besonders notwendigen Kunstdüngers erhebliche Ausgaben hatte, durfte er diesen Betrag sogar in Raten abzahlen.