Veröffentlicht am 26.06.2013 00:00

„Mir san Pasinger“

„Mir san Pasinger“ (Foto: red)
„Mir san Pasinger“ (Foto: red)
„Mir san Pasinger“ (Foto: red)
„Mir san Pasinger“ (Foto: red)
„Mir san Pasinger“ (Foto: red)

Auch heute noch ist mancher, alteingesessene Bewohner des Stadtteils Pasing stolz darauf ein „Pasinger“ zu sein und grenzt sich damit vom allgemeinen „Münchner“ ab. Vom Dorf wuchs Pasing einst zur Stadt, agierte selbständig und unabhängig von der benachbarten Residenzstadt München. Seine Bewohner blickten auf eine lange und geschichtsreiche Zeit seit der Gründung Pasings im Jahr 763 zurück und entwickelten ein Selbstverständnis als „Pasinger“. Im Jahr 1938 sollte jedoch aus der Stadt Pasing ein Stadtteil Münchens werden. Zu Beginn des Jahres unterschrieb der amtierende Oberbürgermeisters Pasings, Alois Stephan Wunder, den Eingemeindungsvertrag wodurch Pasing fortan zu München gehörte. Doch bereits vor der Zeit des Nationalsozialismus war eine zunehmende Verknüpfung Pasings mit München sowie eine künftige Eingemeindung angestrebt, wie Historiker, darunter Richard Bauer, darlegen.

Vom Dorf zur Stadt

Vor allem die Eröffnung der zweiten bayerischen Eisenbahnlinie (München–Augsburg) sollte die Entwicklung Pasings stark beeinflussen. Mit der Bahn begannen auch Industrie und Handel die lokale Landwirtschaft als Wirtschaftszweige zu ergänzen. „Mit der Bahnbindung Pasings seit 1840 hatten sich diese Kontakte (zu München) intensiviert, so dass seit Mitte des 19. Jahrhunderts der Ort nicht mehr nur als eine Würmtalgemeinde, sondern als ein Vorort Münchens betrachtet wurde. Doch war dieser Vorort noch außerhalb jeglichen Zugriff der Hauptstadt gelegen, denn München begann seinen Burgfrieden erst nach 1854 über die mittelalterlichen Markierungen hinaus vorzuverschieben“, schreibt Richard Bauer in seinem 2011 erschienen Buch „Pasing – Zeitreise ins alte München”. So wurden bereits zur Jahrhundertwende die Dörfer Nymphenburg und Laim nach München eingemeindet. Wohl aus der Befürchtung heraus, dass es Pasing ähnlich ergehen könnte, forderte Pasing die Erhebung zur Stadt, was schließlich am 8. November 1904 entschieden wurde. Zum 1. Januar 1905 galt Pasing als Stadt mit eigenem Stadtwappen und sollte dies bis 1938 bleiben. Pasing florierte, zahlreiche Bauernhäuser wichen Neubauten. Mit der Anbindung an das städtische Straßenbahnnetz (1980), sollte eine weitere wichtige Verbindung zu München, die sich auch wirtschaftlich niederschlug, geschaffen werden. Viele Münchner nutzen das nahe Pasing als Ausflugsziel, genossen die Spazier-, Wander- und Wallfahrtswege wie würmaufwärts zu Maria Eich. Auch die Badeanstalten wie das Steiner- oder das Reichlbad zogen viele Münchner an und trieben den Fremdenverkehr voran.

„Zwangseingemeindung“ und die Rolle Alois Wunders

Um einer befürchteten Eingemeindung zu entgehen, forderte der seit 1907 im Amt tätige Oberbürgermeister Alois Wunder, dass Pasing kreisfrei werde und direkt unter die Regierung Oberbayerns gestellt würde. „Das hohe Gut der Selbstverwaltung“ sollte den Pasinger erhalten bleiben, schrieb Wunder 1925, „auf Eigenleben und freie Entwicklung, auf selbstständige Wahrnehmung ihrer Belange und Selbstverantwortung hat jede Persönlichkeit, umso mehr eine blühende Stadt ein heiliges Anrecht“ (Vgl. dazu Richard Bauer: Pasing – Zeitreise ins alte München). Die Forderung nach stärkerer Selbstständig blieb jedoch ein unerfüllter Wunsch. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 und der Ernennung Münchens zur „Hauptstadt der Bewegung“ sollte die Frage nach der Eingemeindung Pasings wieder politisch aktuell werden. Denn München sollte die größte Stadt des NS-Reiches und daher nach Fläche und Einwohnerzahl erweitert werden. Der von Münchens Bürgermeister Karl Fiehler geforderten „freiwilligen“ Eingemeindung stimmten unter anderem Planegg und Gräfelfing bald zu, andere - wie auch die Stadt Pasing - lehnen ab. 1937 aber wurde die Eingemeindungsfrage brisant: Der Münchner Hauptbahnhof sollte nach Laim verlegt werden und auch der Bahn- und Verkehrsausbau nach Westen wurden auf den NS-Reisbrettern geplant. 1937 lag Wunder schließlich der Antrag auf Eingemeindung vor, den er im Jahr darauf unterschrieb. Vertraglich festgelegt durfte Pasing jedoch seine Ortsverwaltung beibehalten, die im 1937 fertiggestellten Rathaus untergebracht wurde. Pasing blieb damit als einzige an München angegliederte Gemeinde direkt dem Münchner Oberbürgermeister unterstellt.

Die Rolle Alois Wunders wirft indes bis heute Fragen auf: Einerseits ist es seinem Verhandlungsgeschick zu verdanken, dass Pasing trotz der „Zwangseingemeindung“ weiterhin einige Privilegien zugestanden wurden. Andererseits wird seine Nähe zum NS-Regime kritisch diskutiert. Das Verbleiben Wunders im Amt auch nach 1933 werfe grundsätzliche Fragen auf, darauf verweist Richard Bauer. Bereits 1936 rief Wunder im „Pasinger Würmtalboten“ in der Ausgabe vom 23. April die „Kinder und das Jungvolk“ Pasings zur Teilnahme an der Hitler-Jugend auf, betätigte sich seit 1935 als Fördermitglied der „SS“ und trat 1937 der NS-Partei bei. „Das Einlenken Wunders in der Eingemeindungsfrage führte dazu, dass das NS-System ihm ein ehrendes Denkmal sicherte, indem es den historisch wichtigsten Straßenzug Pasings, die Planegger Straße, nach ihm benannte“, schreibt Richard Bauer dazu. Am 1. April 1938 endete die Selbstständigkeit Pasings. Mit 16.000 Einwohnern und 1.070 Hektar Grundfläche wurde Pasing zu einem der westlichen Stadtteile Münchens. 2005 lief der damals geschlossene Vertrag aus.

Mehr Informationen zum Thema bieten: „Pasing. Stadt vor der Stadt“, (1984) sowie „Pasing – Zeitreise ins alte München ( 2011) von Richard Bauer. „Bilder vom alten Pasing“ (2002) von Bernhard Möllmann.

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