Wenn wir uns in Allach-Untermenzig umsehen, finden wir eine große Bandbreite von Gaststätten jeglicher Art, die nicht nur von Deutschen betrieben werden, sondern italienische, griechische und türkische Speisen und Getränke anbieten. Wenn wir aber fast 100 Jahre zurückgehen, finden wir nur bayerische Wirtschaften, die alle im Besitz von Einheimischen oder von einer Münchner Brauerei gepachtet sind.
So erkennt man, wie aus der Karte vom Jahr 1926 zu ersehen ist, in Allach und Untermenzing zunächst zehn Gaststätten (Würmtalhof wird erst gebaut!). Am 20. März 1926 ersuchte dann ein Herr Johann Bäumer um eine „Konzessionsgenehmigung zum Betrieb einer Gastwirtschaft mit Fremdenbeherbergung“, was eine elfte Wirtschaft bedeutete.
Bäumer wurde nicht nur als letzter Allacher Bürgermeister bekannt (1935-1938), sondern hatte eine NS-Karriere, die einer näheren Betrachtung bedarf. Ausführlicheres zur Person Bäumers folgt zum Herbst in meiner Ausstellung zur Eingemeindung Allachs und Untermenzings 1938 nach München. Weitgehend unbekannt blieb er bisher als Bauherr der neuen Gastwirtschaft, die dann, wie der Heimatforscher Reupold weiß, von dem Untermenzinger Bauunternehmer Korbinian Beer gebaut wurde.
Bereits in Betrieb waren seit Jahren – von Norden nach Süden gesehen – das Gasthaus Angermaier, die Schießstätte, die Gasthäuser Naßl und Höcher, die Bahnhofsgaststätte, die Gaststätte Grüne Eiche, der Alte Wirt in Untermenzing, die Dampfsäge, das Gasthaus Zur Schwaige und die Inselmühle. Wie anfangs erwähnt, stellte J. Bäumer sein Ersuchen um die Konzession über die Gemeindeverwaltung in Allach an das Bezirksamt in München und legte einen Katasterplan im Maßstab 1: 5000 und zwei Baupläne mit Grundrissen und Ansichten bei, die sich im Stadtarchiv befinden. Seinen Antrag begründete Bäumer in acht Punkten, die hier wörtlich ohne Korrekturen wiedergegeben werden, weil sie ein gutes Beispiel für einen Beitrag zur Anpassung an die industrielle Entwicklung unseres Stadtteils in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts sind.
„a) Das zu erstellende Objekt würde sich unmittelbar an der Distriktstrasse von München nach Dachau gegenüber der Südendstrasse (heute Vesaliusstraße), welch direkt zum Bahnhof in Allach führt befinden, somit architektonisch die Letzte im Westen abschliessen. Die Verlängerung der Südendstrasse wird am Südbau des Objekts über die Würm weitergeführt.
b) Laut beiliegendem Katasterplan ist im Umkreis von 500 m Radius keine Wirtschaft, im Umkreis von über 500 bis 1000 m R. sind deren sechs und von über 1000 bis 1500 m ist eine Wirtschaft. Die Bahnhofsrestauration in Allach liegt am nächsten und ist ca. 520 m von dem zu erstellenden Objekt entfernt.
c) Das Gebiet innerhalb des 500 m Umkreises ist ziemlich dicht besiedelt und werden die noch freien Baugründe am linken Würmufer, welche zum Teil besiedelt sind in absehbarer Zeit verbaut werden.
d) Im Umkreis von 500 bis zu 1000 m befinden sich Unternehmen der Großindustrie, wie die Lokfabrik Krauss A.G. mit der Stahlgießerei, die Diamalt A.G. und Th. Kirsch & Söhne A.G.
e) Die unter b) genannten Wirtschaften bieten keine Möglichkeit einer entsprechenden Fremdenherberge für kurzfristig bei den angeführten Industrieunternehmen tätige auswärtige Angestellte und müssen diese in München nächtigen.
f) Um eine den Zeitverhältnissen entsprechende Beherbergungsmöglichkeit zu bieten, wurden Garagen für Motorfahrzeuge etc. vorgesehen.
g) Das zu erstellende Objekt wird mit allem Komfort der Neuzeit sowohl in Bezug auf die Fremdenbeherbergung, wie auch in Bezug auf die vorgesehenen Wirtschaftsräume ausgestattet und bezüglich seiner Räume der späteren dichteren Besiedlung angepasst.
h) Der Gesuchsteller ist Familienvater, hat drei unmündige Kinder, war während der ganzen Kriegszeit im Felde gestanden und ist gut beleumundet. Als Angestellter in einem Privatunternehmen will er sich mit der Errichtung dieser Wirtschaft eine Existenz gründen.“ Soweit Bäumer.
Zu korrigieren ist an seiner Aufzählung der damals vorhandenen Gaststätten unter b): Unmittelbar am Umkreis von 500 m befand sich nicht nur die Bahnhofsrestauration, sondern auch der Alte Wirt in Untermenzing, im Umkreis von 500 bis 1000 m sind es nicht sechs, sondern, wie auf der Karte von mir angezeichnet, acht und zwischen 1000 bis 1500 m, nicht eine, sondern zwei Wirtschaften. Hat er die anderen „vergessen“? Über die damals schon vorhandenen zehn Gaststätten wird noch in diesem Jahr in einem weiteren Artikel zur „Wirtschaftsgeschichte“ unseres Stadtteils berichtet werden.
Wie man heute sieht, besteht das Gebäude von 1928 noch, wurde 1992 durch die jetzigen Eigentümer, Familie Trautner , von Grund auf renoviert und erfreut sich seit 2012 im Restaurantbereich mit neuen Pächtern guten Zuspruchs. Für den Pensionsbereich ist die Familie Trautner selbst zuständig. Der Würmtalhof wurde von Bäumer zwischen 1935 und 1939 an einen Dr. Ludwig Gilmer, Sanitätsrat und Facharzt aus München verkauft. Der Name Gilmer ist einigen Altbürgern vermutlich bekannt, weil das Hauser Schloß am Würmkanal auch Gilmer Schloß hieß. Dieser hatte es 1936 gekauft und 1942 an die in der Nachbarschaft sich ausbreitende Firma BMW Flugmotorenwerk, die ihm zuviel Unruhe in die Gegend brachte, verkauft.
1939 veräußerte Gilmer den Würmtalhof an Josef Glasl, der mit seiner Frau Therese das Gasthaus bis 1955 führte. Die Gaststätte hatte anschließend wechselnde Pächter und erlebte so eine typische Wirtshausgeschichte. Von Anfang an befand sich im Würmtalhof eine Metzgerei, die zunächst nur für den Bedarf der Fleisch- und Wurstwaren der Gaststätte sorgte. Um 1953 wurde ein Metzgerladen angebaut, der bis 1986 bestand, und die Fremdenzimmer erweitert.
Abschließend noch eine Anekdote, die zeigt, dass man sich auch in der NS-Zeit mutig wehren konnte, ohne groß Widerstand zu leisten.
Die damalige Wirtin, Therese Glasl, ließ einen SA-Mann, der mit seinen Kameraden öfters im Nebenzimmer des Würmtalhofes tagte, deutlich wissen, dass sie seiner Forderung, das Kreuz im großen Gastzimmer abzuhängen, absolut nicht folgen werde. Das Kreuz ist noch heute im Restaurant zu sehen, und die Besitzer legen großen Wert darauf.