Veröffentlicht am 08.04.2013 12:08

Als Tandemklasse durch die Grundschule

Barbara Wegener (r.) und Judith Fritzsche unterrichten gemeinsam die Tandemklasse der Grundschule an der Schrobenhausener Straße. (Foto: BK)
Barbara Wegener (r.) und Judith Fritzsche unterrichten gemeinsam die Tandemklasse der Grundschule an der Schrobenhausener Straße. (Foto: BK)
Barbara Wegener (r.) und Judith Fritzsche unterrichten gemeinsam die Tandemklasse der Grundschule an der Schrobenhausener Straße. (Foto: BK)
Barbara Wegener (r.) und Judith Fritzsche unterrichten gemeinsam die Tandemklasse der Grundschule an der Schrobenhausener Straße. (Foto: BK)
Barbara Wegener (r.) und Judith Fritzsche unterrichten gemeinsam die Tandemklasse der Grundschule an der Schrobenhausener Straße. (Foto: BK)

Laut wuseln die Schüler der 2a durchs Klassenzimmer, sobald sie ihre Aufgabenblätter für das „Laufdiktat“ in Händen halten. Typisch für Grundschüler stürmen die Kleinen los, um gruppenweise ihre Aufgaben zu lösen. Doch zwischen dieser 2. Klasse der Grundschule an der Schrobenhausener Straße und anderen Grundschulklassen gibt es einen Unterschied: Nicht jede Schülergruppe hat die gleiche Aufgabe zu lösen. Während die eine Gruppe Wörter sucht, muss eine andere Sätze zu einem fließenden Text zusammenfügen. Grund für die unterschiedliche Aufgabenstellung ist, dass in der 2a stark differenziert gearbeitet wird. 22 Grundschüler werden hier in einer sogenannten Tandemklasse von zwei Lehrkräften und einem Kinderpfleger betreut und unterrichtet. Im zweiten Jahr gibt es jetzt die inklusiv arbeitende Klasse an der Grundschule an der Schrobenhausener Straße, in der Kinder mit erhöhtem Förderbedarf gemeinsam mit Regelkindern lernen.

Jeder in seinem Tempo

„Eltern der Förderschulkinder bemühten sich darum, dass ihre Kinder in eine Regelschule kommen, zum Teil haben sie sehr darum gekämpft“, erklärt Judith Fritzsche, Pädagogin beim Förderzentrum, die gemeinsam mit Grundschullehrerin Barbara Wegener und Kinderpfleger Max die 22-köpfige Grundschulklasse betreut. Die Bemühungen der Eltern fanden bei Grundschulrektorin Johanna Marek Gehör. 15 Regelkinder gehen nun gemeinsam mit sieben Kindern, bei denen ein erhöhter Förderbedarf besteht, in die selbe Klasse in der Grundschule an der Schrobenhausener Straße.

Rektorin Johanna Marek hatte bereits in der Vergangenheit eine Partnerklasse mit Erfolg geführt und erklärte sich daher ein weiteres Mal dazu bereit, eine inklusiv arbeitende Klasse aufzustellen. Aus der Partnerklasse wurde in der Zwischenzeit eine Tandemklasse, was bedeutet, dass sowohl der Schulunterricht, als auch alle dazugehörigen schulischen Aktivitäten gemeinsam durchgeführt werden.

Grundlage für alle Schüler der 2a bildet der Grundschullehrplan. Innerhalb dessen wird jedoch stark differenziert. Die abgestufte Förderung innerhalb kleiner Leistungsgruppen gestatte es, dass leistungsstarke wie auch leistungsschwache Schüler gezielt gefördert werden, erklärt Lehrerin Barbara Wegener: „Die differenzierten Wochenpläne ermöglichen es, den Kindern einzeln zu helfen.“ Zugleich gelten für alle Kinder aber die selben Regeln. „Wer zum Beispiel die Hausaufgaben vergessen hat, der muss mit Konsequenzen rechnen. Das gilt für alle“, meint Judith Fritzsche. Denn einen „Schongang“ wollen auch die Eltern nicht für ihre Kinder. Dies bekräftigt auch Nadja Rackwitz-Ziegler, die sich als Vorsitzende des Vereins Down-Kind e.V. engagiert und sich gemeinsam mit ihrem Mann für die Tandemklassen einsetzt. Mit den Tandemklassen werde die wertvolle Arbeit der vorangegangenen Partnerklassen gewürdigt. „Die Tandemklasse ist aber auch ein wichtiger Schritt hin zur Umsetzung der UN BRK (UN-Behindertenrechtskonvention), weil die Schülerinnen und Schüler der Klasse, im Gegensatz zu den Partnerklassen, nun auch Kinder der Regelschule sind. Sie werden – in ihrem Tempo – im Lehrplan der Grundschule unterrichtet (der Bildungsauftrag ist uns sehr wichtig) und gehören bei allen Aktivitäten, auch dene,n die außerhalb des reinen Schulunterrichts passieren, dazu“, so Nadja Rackwitz-Ziegler.

Gemeinsam lernen

„Es ist sehr gut, dass es diese Projekte gibt“, findet Grundschullehrerin Barbara Wegener. Denn das Modell der Tandemklasse bringe viele Vorteile mit sich. Die Rücksichtnahme der Kinder untereinander werde größer, dadurch dass Regelkinder den Schulalltag mit Kindern mit hohem Förderbedarf teilten. Neben dem Zugewinn vieler sozialer Kompetenzen sorge das Modell der Tandemklasse auch für eine bessere gesellschaftliche Vernetzung. Eine Normalität im Umgang zwischen Menschen mit und ohne Behinderung, das wünschen sich auch die Eltern vom Verein Down Kind e.V.: „Wir wollen, dass unsere Kinder nicht mehr separiert und Teil der Gesellschaft werden. Da wir wollen, dass unsere Gesellschaft inklusiv wird, so dass jeder/jede mitgenommen wird und seinen/ihren Platz hat, ist es wichtig, dass die Öffentlichkeit lernt und erlebt, wie bereichernd eine vielfältige Gesellschaft sein kann. Am leichtesten ist diese Erkenntnis zu bekommen, wenn man ungezwungen und letztlich ohne Vorurteile im Kindergarten- und Schulalltag gemeinsam lebt und lernt“, so Nadja Rackwitz-Ziegler.

Die Sorge mancher Eltern, dass ihre Kinder im Rahmen der Tandemklasse nicht ausreichend gefördert werden und dass das Leistungsniveau insgesamt sinkt, können die Lehrerinnen entkräften. „Die Eltern müssen diese Angst nicht haben“, meint Barbara Wegener. Die Grundschüler werden von drei Pädagogen betreut, was eine individuellere Förderung ermögliche, als dies in einer Regelklasse der Fall sei. Auch würde sich das Leistungsniveau nicht an den schwächsten Schülern orientieren, schließlich gelte der Grundschullehrplan für alle, ergänzt Judith Fritzsche. Und obwohl das Modell der Tandemklasse insbesondere für die Lehrerinnen einen immensen Mehraufwand bedeutet – schließlich müssen sie statt eines Unterrichtsplans differenzierte Wochenpläne und verschiedene Unterrichtsaufgaben vorbereiten – und auch die Lautstärke im Klassenzimmer eine große Beanspruchung darstellt, so sind sie doch vom positiven Ergebnis der Tandemklasse überzeugt. „Ich würde es sofort wieder machen“, erklärt Barbara Wegner.

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