Veröffentlicht am 05.03.2013 10:33

Vom Wirtshaus zum Harem: Der Schmidbauer in Untermenzing

Eine eindrucksvolle Aufnahme vom Hausbau 1911. (Foto: Archiv Demmel)
Eine eindrucksvolle Aufnahme vom Hausbau 1911. (Foto: Archiv Demmel)
Eine eindrucksvolle Aufnahme vom Hausbau 1911. (Foto: Archiv Demmel)
Eine eindrucksvolle Aufnahme vom Hausbau 1911. (Foto: Archiv Demmel)
Eine eindrucksvolle Aufnahme vom Hausbau 1911. (Foto: Archiv Demmel)

Wenn man heute im Moosacher (ab Wintrichring) und Untermenzinger Teil (ab Kreuzung mit der Waldhornstraße) der Allacher Straße nach Gaststätten sucht, wird man, außer einem Bierstüberl Ecke Gruithuisenstraße, nur bei Haus-Nr. 177 fündig. „Schmidbauer“ hieß lange Zeit die Gaststätte, die bereits 1928 gebaut wurde, heute den für Untermenzing weniger typischen Namen „Harem“ trägt und von Türkinnen betrieben wird.

Der Bauherr, Heinrich Schmidbauer, war 1886 in der Nähe von Landau/Isar geboren und von Beruf Schlosser, seine aus der Chamer Gegend stammende Frau Maria hingegen Köchin. In seinen ersten Untermenzinger Jahren hatte Schmidbauer ein Verfahren wegen ungenehmigten Flaschenbierhandels, den er so nebenbei an seinem Arbeitsplatz, seit 1912 aber auch in seiner Wohnung (damals noch) Moosacher Str. 179 betrieb und zu dem ein Polizeibericht an das Bezirksamt vorliegt, zu überstehen. Obwohl sich Leute aus seiner Umgebung auch wegen sonntäglicher Ruhestörung beschwerten, wurde das Verfahren noch im September 1912 eingestellt.

Dieses Wohnhaus auf der damaligen Flur-Nr. 111, für das vom Sept. 1911 eine der wenigen historischen Wohnhaus-Bauaufnahmen vorliegt, hatte Schmidbauer in diesem Jahr gebaut. Die am Hausbau beteiligten Arbeiter und Familienangehörigen sind in einer ungeheuer eindrucksvollen Aufnahme, die ich den jetzigen Hausbesitzern, Frau und Herrn Köttl, verdanke, zu sehen. Nachdem Schmidbauer während der Bauzeit eines neuen Wohnhauses auf dem Nachbargrundstück vorübergehend in Giesing wohnen musste, konnte er bald darauf einziehen. Er verkaufte um 1918 das erste Haus und fasste Jahre später den Plan, Wirt zu werden und eine eigene Gaststätte an sein zweites Wohnhaus anzubauen.

Dazu liegt ein „Plan für den Anbau einer Gastwirtschaft im Anwesen des Herrn Heinrich Schmidbauer in Untermenzing (damals) Moosacher Str. 92, Grundstücksplan Nr. 361 u. 362“ vom Juni 1928 im Stadtarchiv München, wo auch weitere Informationen zu finden sind.

1928 waren es 1900 Einwohner

Die Gemeinde Untermenzing zählte damals ca. 1900 Einwohner und hatte insgesamt sechs Wirtschaften (drei Schank- und drei Gastwirtschaften). Die nahe neue Siedlung der Unteroffiziere des „Beurlaubtenstandes“ (Reserve) hatte zusammen mit anderen Anwesen ca. 300 Einwohner.

Laut den damals zu Rate gezogenen Katasterplänen waren die „Grüne Eiche“ (an der heutigen Grandauerstraße nahe der Bahnlinie), über die ich bereits einen längeren Artikel geschrieben habe, ca. 1280 m, die „Dampfsäge“ (schräg gegenüber der Metzgerei Past in der jetzigen Esmarchstraße) ca. 1550 m und der „Ottohof“ (heute Penzoltstraße 4) ca. 480 m entfernt. Bei den drei Genannten handelte es sich um Gastwirtschaften, die es schon längere Zeit gab.

So bestanden dann gegen den Antrag der Schmidbauers vom 02.07.1928 auf Einrichtung einer Schankwirtschaft keine Einwendungen, da die Schmidbauers, wie der damalige Bürgermeister (1927-1930) Max Näther bestätigte, schon seit Jahren in Untermenzing wohnhaft waren. In den Jahren 1928-1940 wurde die Gaststätte sicher zur großen Zufriedenheit der Gäste geführt, weil außer einem Antrag der Schmidbauers auf kleinere bauliche Veränderungen und Einrichtung eines Wirtsgartens (Speisen und Getränke dürfen nicht mitgebracht werden!) nichts bekannt ist. Zum 31.05.1949 musste Schmidbauer den Betrieb wegen Krankheit der Ehefrau einstellen.

Gasthaus Happach

Der neue Pächter, der Metzger Johann Löchl, der 1913 in Gudurica (bekanntes Winzerdorf in Serbien) geboren ist, erhält die Genehmigung für eine Bierwirtschaft mit Garten (Bild 3), die nun „Gasthaus Happach“ heißt, ein Name, der für mich bis heute noch nicht erklärt ist. So gab es einen SPD-Männer-Gesangsverein, zu dem die Gendarmeriestation Allach 1936 berichtete:“ „Der auf marxistischer Grundlage aufgebaut gewesene Männer-Gesangsverein Untermenzing-Happach wurde im Jahre 1933 wegen der Gleichschaltung der Vereine aufgelöst, denn er hatte als marxistischer Verein keine Existenzberechtigung mehr. Der Verein hatte sich unter anderem Namen neu gegründet und stand nun wegen seiner politisch unzuverlässigen marxistischen und kommunistischen Mitgliedern wieder unter polizeilicher Beobachtung.”

Die obige Aufnahme der Straßenseite aus der Mitte der 50er Jahre ist aber noch oder wieder als Gaststätte Schmidbauer zu erkennen. Inzwischen war das ehemalige Schmidbauer-Haus von 1911 von einem Herrn Häberlen gekauft worden, der dort ein Feinkostgeschäft, das bis 1972 bestand, und eine Kohlenhandlung betrieb. Der Geschäftseingang ist noch heute zu erkennen.

Schnelle Pächterwechsel

Nun kommt eine Zeit schneller Pächterwechsel, der je nach Lage gestern wie heute keine Seltenheit ist. Im Mai 1951 übernimmt eine Maria Idinger, die von Beruf Kassiererin war und die alte Untermenzinger noch gekannt haben könnten, die „Gaststätte Happach“. Wie sich ihr Mann, Clemens Idinger, der Fahrschulinhaber war, einbrachte, ist nicht bekannt. Wegen zu hoher Pacht stellten sie den Betrieb schon im September 1951 ein. Wenig später wird der nun wieder Bierwirtschaft „Schmidbauer“ genannte Betrieb vom gelernten Bäcker Bruno Heintze übernommen und zu jener Zeit für ihre einfache und gediegene Aufmachung gelobt. Als Gäste wurden meist Arbeiter ausgemacht und außer Fasching durfte nicht getanzt werden. Als Pacht an die Spatenbrauerei als Besitzer der Gaststätte wurden nachweislich monatlich DM 200,- bezahlt. Von Heintze übernahm Vera Seizl, deren Mann Kraftfahrer war, bis 1954 die Pacht zum gleichen Preis, stieg aber bald wegen mangelnder Rentabilität aus. Es folgte unmittelbar darauf Elisabeth Dietz, die auch bald wieder ausstieg, weil die benötigte Wohnung nicht rechtzeitig frei wurde. Etwas später taucht noch der Name Elisabeth Broll auf, deren Mann noch einige Zeit den Betrieb weiterführte.

Die Pferde fanden allein heim

Ein alter Untermenzinger erzählte mir zur Wirtschaft eine Geschichte, die mir überliefernswert scheint, weil sie die alte Zeit – hier allerdings schon Ende der 40er Jahre – charakterisiert. Mit seinen Schulfreunden beobachtete er manchmal den Spatenbräu-Bierfahrer mit seinem Pferdegespann, der nach einer Liefertour an die Gaststätten unseres Stadtbezirks zuletzt auch beim Schmidbauer die bestellten Bierfässer ablud und sich dann im Wirtsgarten einige weitere Halbe Bier schmecken ließ. Da er bald nicht mehr „steigfähig“ war, setzte ihn der Wirt auf den Kutschbock, trieb die Pferde an, und diese zogen das Gespann angeblich, da sie ihren Weg schon bestens kannten, mitsamt dem tief schlafenden Fahrer nach Hause zum Spatenbräu in die Stadt.

Lange Jahre (ca. 23) führte die bekannte Familie Berthold, die im Hochhaus am Klessingweg wohnte, die Gaststätte Schmidbauer. Die Portionen Schweinsbraten, die auch ich niemals schaffte, waren so riesig beladen, dass der Wirt beim Servieren regelmäßig den Daumen in der Soße hatte. Schöne Zeiten damals in den 70er Jahren!

Nach weiteren Pächterwechseln – 2007 bis 2009 „Roberto“ (ital.) - ist das Haus seit November 2009 in Frauenhand und ein türkisches Restaurant „Harem“ (Bild 5), das namentlich die bisher bayerische Vergangenheit des Hauses beendet hat und andere Assoziationen wecken soll. Leider bekam ich auf wiederholte telefonische Anfrage, warum man dem Restaurant den Namen Harem gegeben hat, keine Antwort. Es gibt aber immer noch den schon lange bestehenden, einladenden Wirtsgarten, wo in der wärmeren Jahreszeit auch Bayern unter Kastanien gemütlich beim Bier und teuflisch scharfen und sündhaft süßen Speisen sitzen können.

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