Veröffentlicht am 14.09.2012 10:50

Schon immer einzigartig

Gibt es auch heute noch: Das Augustiner Bürgerheim an der Ecke Bergmann- und Gollierstraße, ca. 1930. (Foto: Wohnungsgenossenschaft München-West eG)
Gibt es auch heute noch: Das Augustiner Bürgerheim an der Ecke Bergmann- und Gollierstraße, ca. 1930. (Foto: Wohnungsgenossenschaft München-West eG)
Gibt es auch heute noch: Das Augustiner Bürgerheim an der Ecke Bergmann- und Gollierstraße, ca. 1930. (Foto: Wohnungsgenossenschaft München-West eG)
Gibt es auch heute noch: Das Augustiner Bürgerheim an der Ecke Bergmann- und Gollierstraße, ca. 1930. (Foto: Wohnungsgenossenschaft München-West eG)
Gibt es auch heute noch: Das Augustiner Bürgerheim an der Ecke Bergmann- und Gollierstraße, ca. 1930. (Foto: Wohnungsgenossenschaft München-West eG)

Der achte Stadtbezirk, bestehend aus den Stadtteilen Westend und der Schwanthalerhöhe, ist eines der jüngsten besiedelten Gebiete Münchens. Noch Anfang des 19. Jahrhunderts war die Hochebene westlich der Münchner Altstadt unbesiedelte Heide und gehörte zu den damals eigenständigen Dörfern Neuhausen und Untersendling. Bekannt war das Gebiet damals vor allem auch als Standort des Münchner Galgens. Schon von Beginn des 19. Jahrhunderts an hatten aber mehrere Münchner Brauereien die ursprüngliche Isarhangkante für sich entdeckt: Hier bauten sie Keller zur Bierlagerung, so dass die Vorräte nun auch im Sommer kühl gehalten werden konnten. Die Plätze entlang der Hangkante unter den schattigen Kastanienbäumen entwickelten sich rasch zum beliebten Ausflugsziel der Münchner, die hier ein kühles, frisch Gezapftes und eine selbst mitgebrachte Brotzeit genießen konnten. Das Pferderennen, das 1810 anlässlich der Vermählung von Kronprinz Ludwig mit Therese von Sachsen-Hildburghausen stattfand, führte nicht nur dazu, dass der Platz unter der Hangkante seinen heutigen Namen – Theresienwiese – bekam, sondern wurde auch zur Geburtsstunde des Oktoberfestes.

Beginn der Besiedelung

1839 wurde die erste Eisenbahnlinie zwischen München und Augsburg, die in der Nähe der heutigen Hackerbrücke entlang lief, feierlich eingeweiht. Auch das führte dazu, dass sich im Laufe der nächsten Jahre zahlreiche Firmen im Gebiet der heutigen Schwanthalerhöhe ansiedelten. Sie waren aus der Innenstadt verbannt worden, weil sie zu viel Lärm und Gestank produzierten: Hierzu gehörten etwa die Schwefelsäurefabrik Bucher, die Faßfabrik Drexler und später auch die Gummiwerke Metzeler. Im Zuge der rasch fortschreitenden Industrialisierung und dem Boom der so genannten Gründerzeitjahre entstanden im Westend und auf der Schwanthalerhöhe zahlreiche Wohnmöglichkeiten, die vor allem von den Arbeitern genutzt wurden, von denen viele aus dem Umland kamen. In den Hinterhöfen siedelten sich kleine Fabriken und Handwerksbetriebe an.

In den Jahrzehnten vor dem ersten Weltkrieg erlebte München ein sprunghaftes Wachstum. Allein zwischen 1883 und 1901 verdoppelte sich die Bevölkerung auf etwa 500.000 Einwohner (Quelle: Wohnungsgenossenschaft München-West). In der Folge entwickelte sich speziell unter Arbeitern und Kleinhandwerken, von denen es im Westend sehr viele gab, eine drängende Wohnungsnot. Lösen wollte man diese mit der Gründung von Baugenossenschaften, allein im Westend entstanden zwischen 1909 und 1918 vier davon (München-West, Ludwigsvorstadt, Familienheim, Rupertusheim), die allerdings 1941 unter dem Zwang der Nationalsozialisten zur Wohnungsgenossenschaft München-West zusammengeführt wurden.

Auswirkungen des Krieges

Das Dritte Reich und der Zweite Weltkrieg hatten nachhaltige Auswirkungen auf das Westend und die Schwanthalerhöhe: Nach dem Sieg der Nationalsozialisten bei den Reichstagswahlen 1932 wurden auch Arbeiterlokale im Westend überfallen und viele Bewohner 1933 verhaftet und deportiert. So zum Beispiel Leopold Moskowitz, der in der Guldeinstraße 33 ein Textilgeschäft hatte, dessen Fenster während der Reichskristallnacht eingeschlagen und ein Großteil der Ware geplündert wurde. Der Kaufmann und seine Frau kamen später nach Buchenwald, dann nach Auschwitz, wo beide ermordet wurden. In der Gollierstraße 32 wohnte der Metzger Otto Aster, der im Westend eine kleine Widerstandsgruppe aufbaute. Sie veröffentlichte ein damals illegales Blättchen mit dem Titel „Das Rote Westend“. Auch Otto Aster wurde 1933 verhaftet und ins Konzentrationslager Dachau gebracht.

Mit dem Krieg kam dann auch die große Zerstörung: Die Benediktusschule etwa, die 1882 als erste Schule im Westend an der Schrenkstraße eröffnet worden war, wurde von den Bomben dem Erdboden gleichgemacht. Keines der insgesamt 208 Anwesen der Wohnungsgenossenschaft München-West blieb völlig unbeschädigt, zwölf Wohnhäuser waren durch die Angriffe sogar vollständig in Schutt und Asche gelegt worden. Der Wiederaufbau lief Mangels Geld, Baumaterial und Arbeitskräften eher schleppend an: Der Verfall der Bausubstanz führte zu einer Abwanderung zahlreicher Bewohner. Dafür begannen Menschen anderer Nationen ins Westend zu ziehen, auch viele Gastarbeiter kamen in den sechziger und siebziger Jahren hierher. Heute noch hat rund 46,1 Prozent der Bevölkerung im achten Stadtbezirk Migrationshintergrund.

Ein Stadtteil wird verschönert

In den kommenden Jahrzehnten wurde das Erscheinungsbild des Stadtviertels allmählich wieder aufpoliert: 1963 entstand auf dem Grundstück der Benediktusschule auf Antrag des damaligen Bezirksausschusses das Freizeitheim Westend (heutiges Multikulturelles Jugendzentrum) und die Stadtbücherei. 1966 wurde die Carl-von-Linde-Realschule als erste weiterführende Schule im Viertel gegründet. Ende der 1970er Jahre wurden im Rahmen umfassender Stadtsanierungen in ganz München auch 16 Blöcke im Westend als Sanierungsgebiet festgelegt: Die Substanz vieler Gebäude war in desolatem Zustand und eine Vielzahl an Wohnungen wies eine schlechte Ausstattung, wie etwa feuchtes Mauerwerk, marode Fenster oder überkommene Heizungen auf. Erschwerend kam die hohe Baudichte und der Mangel an Grün- und Erholungsflächen vor allem in den östlichen Bereichen hinzu. Wenig Licht und Luft drang durch die engen Höfe und Grundstücke, besonders belastend war auch die hohe Kfz-Dichte.

In den vergangenen dreißig Jahren hat sich viel getan: Bereits 2003 konnte deshalb damit begonnen werden, die einzelnen Blöcke nach Fertigstellung der Maßnahmen wieder Schritt für Schritt aus der Sanierungssatzung zu entlassen. Durch die Verlagerung von Gewerbebetrieben wurde neues Wohngebiet erschlossen, Plätze umgestaltet und Straßen begrünt. Die Schwanthalerhöhe, die seit 1996 wieder – nach einem nur kurzfristig währenden Zusammenschluss mit Laim – als eigener Stadtbezirk gilt, ist lebenswerter geworden. Seine Einzigartigkeit hat das Viertel nie verloren.

Zum Weiterschmökern empfiehlt die Redaktion: Monika Müller-Rieger: Westend. Von der Sendlinger Haid‘ zum Münchner Stadtteil (1995). Jürgen Stintzing: Westendbuch – ein Stadtteil im Wandel (1999). KulturLaden Westend: Droben auf der Schwanthalerhöh‘ und hinten im Westend (1987) und andere Veröffentlichungen des KulturLadens. Die Bücher sind allerdings teilweise nur noch antiquarisch oder in der Bibliothek erhältlich.

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