Veröffentlicht am 10.01.2012 09:38

Deutsches Museum im Diamalt-Turm

Bild 2 (Foto: Bayer. Landesamt für Denkmalschutz)
Bild 2 (Foto: Bayer. Landesamt für Denkmalschutz)
Bild 2 (Foto: Bayer. Landesamt für Denkmalschutz)
Bild 2 (Foto: Bayer. Landesamt für Denkmalschutz)
Bild 2 (Foto: Bayer. Landesamt für Denkmalschutz)

Zur Gegenwart: Am 03.12.2011 erstaunte mich eine Meldung der SZ mit dem Titel „Neues Depot für Deutsches Museum” und ich hoffte, dass der beschriebene Standort Maisach nicht das letzte Wort sei.

Warum aber die Techniksammlung des Museums nach auswärts, wenn wir auch in der Stadt, insbesondere in Allach, alles anbieten können, was man dafür braucht.

Wir haben in Allach

- die größten Industriebetriebe Münchens, nämlich Krauss-Maffei, Siemens, MAN und MTU

- ein riesiges, fast brach liegendes Industriegebiet westlich der Bahnlinie München-Ingolstadt, das ehemalige Diamaltgelände, aber auch noch das frühere Junkersgelände etwas nördlich

- ein leer stehendes, mehrstöckiges Industriedenkmal, die Reste des ehemaligen Diamaltwerkes (Bild 1), das einen Eigentümer hat, der nach Verwendung Ausschau hält

- den Allacher Bahnhof in unmittelbarer Nähe (ca. 300 m)

- die Firmen Krauss-Maffei und Siemens östlich der Bahnlinie, fast gegenüber

- einen Bezirksausschuß, der seit langem nach einem Ansatz für eine positive Weiterentwicklung unseres Stadtbezirks Allach-Untermenzing sucht.

Dazu muß man sich einen etwas ausführlicheren Blick in die Vergangenheit gönnen.

Zur Vergangenheit: Das alte Diamalt-Fabrikgelände an der Georg-Reismüller-Str. ist das unbestrittene Wahrzeichen aus der Allacher Industriegeschichte. Schon von weitem sieht man den hohen, heute etwas verkürzten Schornstein des Kesselhauses, dann den wunderbaren, denkmalgeschützten Turm an der Südwestseite der alten Suppenwürzefabrik in den Himmel ragen und bestaunt bei der Ankunft vor Ort je nach Tages- oder Jahreszeit die etwas surreale Situation aller Bauten. Bei dem markanten Bau der Suppenwürzefabrik handelt es sich, wie die Denkmalschützer es formulierten, um den Kernbau der Nahrungsmittelfabrik Diamalt.

Mit einem Schreiben vom 3.2.1999 schloß Frau Dr. Himen vom Bayer. Landesamt für Denkmalpflege ihre denkmalfachliche Würdigung der Diamalt-Gebäude ab mit dem Satz: „Die unter Nummer 1-8 aufgeführten Baulichkeiten bzw. Gebäudekomplexe werden als Einzelbaudenkmäler in die Denkmalliste der Landeshauptstadt München aufgenommen. Das Eintragungsverfahren ist im Gange. Die Untere Denkmalschutzbehörde der Landeshauptstadt München und der Heimatpfleger erhalten Abdruck dieses Schreibens.”

Das Vorhaben, die genannten Gebäude unter Denkmalschutz zu stellen, brachte die Mehrheit des Bezirksausschusses „auf die Palme”. Man hielt nur Teile wie Zaun, Pförtnerhäuschen und Hausmeisterwohnung für schutzwürdig und befürchtete, dass dadurch Investoren abgeschreckt werden könnten. Interessante Stellungnahmen einzelner BA-Mitglieder, die auch heute noch tätig sind, können im nachfolgend genannten Artikel nachgelesen werden, wie z.B.:”Früher hat es hier immer gestunken. Das ist keine angenehme Erinnerung für die Allacher – und deshalb kann Diamalt kein Denkmal für die Allacher sein.” Am 27.02.2002 beschloß, wie damals die SZ meldete, der damalige Bezirksausschuß mit Mehrheit, den vorgesehenen und wohlbegründeten Denkmalschutz-Aufnahmeantrag für die Gebäude der ehemaligen Diamalt AG abzulehnen. Auf die Einzelheiten kann hier nicht weiter eingegangen werden.

Diamalt, 1902 als Diamalt GmbH (Bild 2) gegründet und später in eine AG umgewandelt, war 1903 als erste Industrieansiedlung in Allach westlich der Bahntrasse gebaut worden und verkörperte für viele Allacher und Untermenzinger eine Produktionsstätte, die zwar viele Arbeitsplätze schaffte, aber auch mit erheblichem Gestank verbunden war. Wie auf einigen alten Fotos zu sehen ist, wurde Diamalt damals in der selbständigen Gemeinde Allach auf die grüne Wiese gebaut, weil die Grundstückspreise wesentlich günstiger waren als in München und in unmittelbarer Nachbarschaft zum Bahnhof die Firma Eisenbahnanschluß nach Norden und Süden hatte. Nicht zu vergessen, damals gab es in Allach noch Bauern, die Gerste für die Malzherstellung anbauten und neben anderem ins Werk lieferten.

Westlich der Bahnlinie, begrenzt durch die Ludwigsfelder Straße und die damalige Bahnhof-, spätere Hindenburg- und heutige Georg-Reismüller-Straße, liegt das etwa 80.000 qm große Diamalt-Gelände, auf dem zunächst diastatischer Malzextrakt (daher Diamalt), dann Malzbonbons, Backhilfsmittel und Suppenwürze hergestellt wurden. Nach der Firmengründung wurde die Suppenwürzefabrik, die Keimzelle der baulichen Entwicklung, zwischen 1902/03 gebaut und bereits 1907/08 nach einem Entwurf des Baugeschäfts Moll nach Westen erweitert. Zu einer großen Erweiterung kam es 1912/13 mit der Errichtung der neuen Suppenwürzefabrik nach den Plänen des bekannten Münchner Architekten und Bauunternehmers Franz Rank (1870-1949), während die alte Suppenwürze in ein Lagerhaus umgewandelt wurde. Wiederum ein Entwurf von Rank war das 1914/15 gebaute Werkstättengebäude zwischen Fabrik-Kernbau und der neuen Suppenwürze. Auch das 1915/16 errichtete Maschinen- Kesselhaus, da z.Z. renoviert wird, entstand nach einem Entwurf Ranks. Eine der letzten Baumaßnahmen gegen Ende des Ersten Weltkriegs war die Erweiterung der neuen Gewürzfabrik nach Osten. Im Bericht des Denkmalschutzamtes heißt es dazu: „ Damit waren die für die historische Bedeutung der Nahrungsmittelfabrik Diamalt AG wichtigsten Fabrikationsgebäude und Werkseinrichtungen entstanden.” Am Eingang zum Firmengelände sehen wir auch noch, heute im renovierten Zustand, das in den Jahren 1908/09 entstandene Beamtenwohnhaus und das 1911/12 gebaute Portiershaus.

Und noch mal das Amt: „ Die oben aufgeführten Bauten und baulichen Anlagen prägen durch ihre qualitätsvollen und für die Entstehungszeit charakteristischen Architekturmerkmale in besonderem Maße das äußere Erscheinungsbild der Diamalt AG in ihrer Eigenschaft als Nahrungsmittelfabrik von regionaler und überregionaler Bedeutung in der Zeit vor, während und nach dem Ersten Weltkrieg. Sie haben im Wesentlichen ihr historisches Erscheinungsbild gewahrt.”

Wenigen wird noch bekannt sein, dass Diamalt nach dem Bau einer Abwasseranlage eine Fisch- und Geflügelzucht und eine Ochsenmästerei betrieben hat, um einen Teil der anfallenden Abfallstoffe nutzbringend verwenden zu können. Auf der zur Verfügung stehenden Fläche wurden auch Küchenkräuter und verschiedene Gemüsesorten angebaut. Bekannt wiederum dürften älteren Bewohnern unseres Stadtteils sein, dass während der Kriegsjahre verstärkt die Marmeladen- und später auch die Schokoladenproduktion lief. Schon im Januar 1913 wurde auch der Anschluß der Industriegleisanlagen ausgebaut.

In der Fabrik wurden bereits 1912 etwa 140 Personen beschäftigt. Zehn Jahre später beklagten sich die Einwohner Allachs und vermutlich auch die unmittelbar östlich der Bahnstrecke wohnenden Untermenzinger über übelriechende Dämpfe, die von auf den Feldern ausgebrachten Abfällen ausgingen. Auch die Bauern beschwerten sich, wegen der Schädigung ihrer Felder. Während des Zweiten Weltkrieges musste die Firma ihre Backmittel aus deutschen Bodenerzeugnissen herstellen, ab 1939 mußte auf dem Gelände Betriebssport stattfinden, etwas später kam ein Barackenlager für Gefangene auf das Grundstück. Ab 1952 begann die Herstellung von Aminosäuren für die Pharmaindustrie, die aus Tierhaaren hergestellt wurden. Die Lieferung und Abstellung von Tierkadavern in Eisenbahnwaggons waren Anlaß von Bürgerbeschwerden bis in die 70er Jahre.

Am 02.12.1994 meldete die FAZ in ihrem Wirtschaftsteil, dass das von der Firma Diamalt im September beantragte Konkursverfahren im November beim Amtsgericht München eröffnet worden und mit dem Abschluß der Verhandlungen Mitte Dezember zu rechnen sei. Noch im selben Jahr wurde Diamalt von der US-Firma Freedom Chemical Company gekauft, wenige Jahre später die Produktion in Allach eingestellt.

Zur Zukunft: Die Gelegenheit, die „Karten neu zu mischen”, wie Frau Passarge am 30.03.2011 in der SZ schrieb, bietet sich nun. Mit dem Museumsprojekt (Bild 3) könnten Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verknüpft werden. Auch wenn die Karten z.Z. für uns nicht sehr günstig gemischt sind, müssen wir alles unternehmen, um das umworbene Schau-Depot des Deutschen Museums in unseren Stadtbezirk auf das Diamalt-Gelände zu bringen. Die SZ unterstützte diesen Gedanken mit einem Artikel vom 10./11.12.2011 („Begehrtes Schau-Depot”) und vom 17./18.12.2011mit der Überschrift „Allach bewirbt sich”. Unser Stadtbezirk braucht keine Giftgasdeponie, sondern als positives Signal das Schaudepot im renovierten Diamalt-Turm.

north