Veröffentlicht am 22.11.2010 15:00

„Die Hilblestraße wird noch Furore machen“

Franz Schröther (4.v.l.) zusammen mit Autoren des Buches „Von der Aiblingerstraße bis Zum Künstlerhof – Die Straßennamen im Münchner Stadtteil Neuhausen-Nymphenburg” (Foto: sb)
Franz Schröther (4.v.l.) zusammen mit Autoren des Buches „Von der Aiblingerstraße bis Zum Künstlerhof – Die Straßennamen im Münchner Stadtteil Neuhausen-Nymphenburg” (Foto: sb)
Franz Schröther (4.v.l.) zusammen mit Autoren des Buches „Von der Aiblingerstraße bis Zum Künstlerhof – Die Straßennamen im Münchner Stadtteil Neuhausen-Nymphenburg” (Foto: sb)
Franz Schröther (4.v.l.) zusammen mit Autoren des Buches „Von der Aiblingerstraße bis Zum Künstlerhof – Die Straßennamen im Münchner Stadtteil Neuhausen-Nymphenburg” (Foto: sb)
Franz Schröther (4.v.l.) zusammen mit Autoren des Buches „Von der Aiblingerstraße bis Zum Künstlerhof – Die Straßennamen im Münchner Stadtteil Neuhausen-Nymphenburg” (Foto: sb)

Das neue Buch der Geschichtswerkstatt Neuhausen ist erschienen und trägt den Titel „Von der Aiblingerstraße bis Zum Künstlerhof – Die Straßennamen im Münchner Stadtteil Neuhausen-Nymphenburg“. Hierzu läuft noch bis 5. Dezember eine Ausstellung im Kulturpavillon (Arnulfstr. 294). „Alle bisherigen Publikationen zu Münchner Straßennamen sind als Lexika aufgebaut“, erklärt Franz Schröther von der Geschichtswerkstatt Neuhausen. „Für die Stadtteilgeschichte sind diese Werke jedoch nur bedingt geeignet, weil beispielsweise bei vielen Straßen nur dasjenige Datum angegeben wird, ab dem sie zu Münchner Straßennamen geworden sind, also das Datum der Eingemeindung nach München.“ Dabei bleibe unberücksichtigt, dass eine Vielzahl von Straßen ihre Bezeichnungen schon länger hatten. „Deshalb hebt sich unser Buch auch ab. Unser Ziel war es, ein grundlegendes Werk über die Straßennamen im 9. Stadtbezirk zu schaffen. Wir wollten einen Gegenpol zur bestehenden Literatur setzen.“

In Neuhausen-Nymphenburg gibt es aktuell 312 benannte Straßen und Plätze. Das Buch der Geschichtswerkstatt führt zudem noch 202 Straßen auf, die es nicht mehr gibt, „entweder weil sie umbenannt wurden, durch Überbauung weggefallen sind oder weil es sie einfach nicht mehr gibt“, so Schröther. Dies betreffe vor allem die 1920er Jahre, in denen zahlreiche Straßennamen vergeben wurden. „Allein in der Stadtratssitzung am 3. September 1925 wurden 464 Straßen in München neu benannt“, berichtet Schröther. Auch die alten historischen Namen seien in den bestehenden Werken – wegen der fehlenden Aktualität – nicht aufgeführt und gerieten in Vergessenheit. „Das wollten wir mit unserem Buch ändern.” Die Straßennamen im aktuellen Werk der Geschichtswerkstatt sind nach Gruppen zusammengefasst. „So konnten wir viel besser auf die einzelnen Namen eingehen.“

Die kürzeste Straße des 9. Stadtbezirks ist die Mayrfelsstraße. Sie ist 35 Meter lang und war ursprünglich als Verbindungsstraße von der Orffstraße zur Landeshuter Allee geplant. Auf Grund von Neuplanungen wurde sie jedoch zur Sackstraße. Benannt wurde sie im Jahre 1903 nach dem Heraldiker, Kulturhistoriker und Genealoge Karl Mayr von Mayrfels. „Welche Straße am längsten ist, lässt sich schwer sagen, weil die Straßen zum Teil nicht nur in unserem Stadtbezirk verlaufen“, so Schröther. Auch die politischen Dimensionen und der jeweils herrschende Zeitgeist, die sich in Straßenbenennungen spiegeln, seien in lexikalischer Weise naturgemäß schwer darzustellen.

„Das Prozedere bei Straßenbenennungen und bei Ergänzungen von Straßennamen, die Schreibweise, die Hausnummerierung etc. sind hochinteressante Themen, die bei einem solchen Buch nicht fehlen dürfen“, betont der Vorsitzende der Geschichtswerkstatt. Zudem habe man die Gelegenheit genutzt, Fehler, die sich in den amtlichen Erklärungen der Straßennamen befinden, zu klären. „Das hat sehr viel Spaß gemacht“, sagt Schröther.

Da nicht geplant war, ein weiteres Straßennamenlexikon zu veröffentlichen, sei das Buch anders aufgebaut. Insgesamt sind die Straßen in 30 Kategorien aufgeteilt, „wobei die Namensgeber nach Berufen geordnet wurden“, erklärt Franz Schröther. So werden beispielsweise Musiker, Politiker, Wissenschaftler, Künstler in jeweils eigenen Kapitel behandelt. Auch den alten Wegenamen ist ein Abschnitt des Buches gewidmet. „Diese Straße haben damals immer die Richtung beschrieben, in die sie führten“, erläutert er. „Beim Laimer Weg oder beim Ebenauer Weg war die Recherche relativ einfach. Schwieriger wurde es zum Beispiel beim Perückenmacherweg. Das war sehr interessant.“

„Unhaltbarer Zustand“

Eine Straße, die vielleicht noch Furore machen wird, sei die Hilblestraße. „Sie wurde 1956 nach dem Wohlfahrts- und Jugendamtsleiter Friedrich Hilble benannt“, so Schröther. „Er war Mitglied der Bayerischen Volkspartei (BVP), dem Vorgänger der CSU, und wurde nach der Machtübernahme der Nazis im Amt gelassen.“ In den letzten Jahren wurden laut Schröther mehrere Bücher veröffentlicht, die sich mit Hilble beschäftigen. Hier werde – im Gegensatz zur amtlichen Begründung der Straßenbenennung – ein anderes Bild von ihm gezeichnet: „Der Antisemit Hilble verschärfte, ohne dazu gezwungen zu sein, die restriktive Behandlung der Juden, denen er die Sozialhilfe verweigerte“, berichtet Schröther. Zudem habe er die im NS-Jargon so genannten „Asozialen“ in Arbeits- und Konzentrationslager bringen lassen. „Rund zehn Jahre nach der NS-Herrschaft eine Straße nach einem Mann zu benennen, der das System der Nazis und damit den verordneten Antisemitismus stützte und diesen in die Tat umsetzte, das geht nicht“, sagt Schröther. Hier sei die Stadt am Zuge, „diesen unhaltbaren Zustand zu ändern.“ Man habe den Artikel, so wie er im Buch abgedruckt ist, schon an das Stadtarchiv geschickt.

Das aktuelle Buch der Geschichtswerkstatt Neuhausen-Nymphenburg erscheint in einer Auflage von 1500 Exemplaren und kostet 17 Euro. Es kann unter anderem direkt bei der Geschichtswerkstatt (Nymphenburger Str. 171, 80634 München, Tel. 139996-89, Fax -95, email: info@Geschichtswerkstatt-Neuhausen.de) bestellt werden. Weitere Informationen gibt es im Internet: www.geschichtswerkstatt-neuhausen.de . Die Ausstellung im Kulturpavillon ist täglich von 14 bis 19 Uhr geöffnet.

north