Veröffentlicht am 13.09.2010 12:29

„Können das Projekt nicht ablehnen“

Die Flexiblen Hilfen München der Diakonie haben in der Vesaliusstraße 6 ein Haus zur Betreuung von Kindern und Jugendlichen angemietet. (Foto: sb)
Die Flexiblen Hilfen München der Diakonie haben in der Vesaliusstraße 6 ein Haus zur Betreuung von Kindern und Jugendlichen angemietet. (Foto: sb)
Die Flexiblen Hilfen München der Diakonie haben in der Vesaliusstraße 6 ein Haus zur Betreuung von Kindern und Jugendlichen angemietet. (Foto: sb)
Die Flexiblen Hilfen München der Diakonie haben in der Vesaliusstraße 6 ein Haus zur Betreuung von Kindern und Jugendlichen angemietet. (Foto: sb)
Die Flexiblen Hilfen München der Diakonie haben in der Vesaliusstraße 6 ein Haus zur Betreuung von Kindern und Jugendlichen angemietet. (Foto: sb)

Die Flexiblen Hilfen München der Diakonie betreiben seit Anfang September ein Jugendhaus in der Vesaliusstraße 6. Dies teilte der stellvertretende Geschäftsbereichsleiter des Betreibers, Franz Frey, dem Bezirksausschuss Allach-Untermenzing (BA 23) in seiner jüngsten Sitzung mit. Die Mitglieder des Lokalparlaments zeigten sich empört darüber, dass die Vorgehensweise nicht im Vorfeld mit dem BA abgesprochen wurde. „Dass die Verträge schon unterzeichnet sind, finde ich nicht in Ordnung. Das Vorhaben hätte vorher mit dem Bezirksausschuss besprochen werden müssen“, erklärt Fritz Schneller (SPD).

Auch Heike Kainz (CSU) zeigt sich alles andere als begeistert: „Die Landeshauptstadt hätte uns das Ganze rechtzeitig vorlegen müssen“, betont die Vorsitzende des BA 23. In Allach-Untermenzing habe man mit der Wohnunterkunft „Fluchtpunkt“, dem Männerwohnheim in der Georg-Reismüller-Straße und der sogenannten Pension Schöllstraße schon drei soziale Einrichtungen. „Immer hieß es von Seiten der Stadt im Nachhinein, dass wir als BA beim nächsten Mal rechtzeitig informiert und eingebunden werden. Und das ist auch diesmal nicht passiert! Da weiß ich wirklich nicht mehr, was ich noch sagen soll. Sowohl die Stadt als auch die Diakonie hätte sich darum kümmern müssen“, so Kainz.

Mietverträge sind unterzeichnet

Die Mietverträge wurden Anfang Juni dieses Jahres unterzeichnet. Der BA muss nun zur Nutzungsänderung des Wohn- und Bürohauses für den Betrieb einer betreuten Wohngemeinschaft für minderjährige Jugendliche eine Stellungnahme abgeben. Am ersten September-Wochenende hat das Sozialpädagogische Jugendhaus Allach die ersten fünf Kinder und Jugendlichen aufgenommen. Das Haus bietet Platz für insgesamt acht Mädchen und Jungen im Alter zwischen zwölf und 17 Jahre. Die Kinder und Jugendlichen erhalten in der Wohngemeinschaft die Förderung einer altersgemäßen Entwicklung durch die Verbindung von Alltagserleben mit pädagogischen und therapeutischen Angeboten, Hilfe bei der Integration in die Gesellschaft sowie bei der Persönlichkeitsentwicklung. Der BA-Vorsitzenden Heike Kainz bereitet vor allem die Nähe zum Oertelplatz Sorgen: „Das sehe ich als nicht ganz unproblematisch an. Wenn wir in Allach Probleme haben, dann vor allem am S-Bahnhof“, betont Kainz. „Vorsichtig ausgedrückt bin ich deshalb der Meinung, dass ein Haus, in dem Kinder und Jugendliche mit schwierigem Hintergrund leben, an einer anderen Stelle im Stadtgebiet besser gewesen wäre.“

„Möchte nichts beschönigen“

Natürlich werde es das ein oder andere Problem geben, weiß Frey. „In diesem Zusammenhang möchte ich gar nichts beschönigen. Alles zu 100 Prozent im Griff haben wir nicht. Das ist im Grunde auch nicht machbar. Fakt ist aber, dass wir uns darum kümmern werden, sollte es Probleme mit unseren Bewohnern geben“, betont der stellvertretende Geschäftsbereichsleiter.

Die aufgenommen Kinder und Jugendlichen leben in einer heilpädagogisch-therapeutischen Sieben-Tage-Wohngruppe zusammen. „Insgesamt arbeiten sechs Mitarbeiter im Jugendhaus“, so Frey. „Die Kinder und Jugendlichen werden in einem 24-Stunden-Service rund um die Uhr betreut.“ Durch die Arbeit in einer kleinen, überschaubaren Gruppe könnten sich die jungen Menschen als soziale Wesen mit Stärken und Schwächen sowie kulturellen Unterschieden erleben und akzeptiert fühlen. „Ernst genommen zu werden, ist für die viele dieser Kinder und Jugendlichen eine komplett neue Erfahrung und bedeutet zugleich eine neue Erkenntnis und Chance“, sagt Frey.

„Extreme Notlage“

In der Jugendeinrichtung in der Vesaliusstraße sollen zum einen unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und zum anderen Jugendliche, die aus den unterschiedlichsten Gründen, nicht mehr zu Hause wohnen können, untergebracht werden. „Das Stadtjugendamt ist aufgrund der extremen Notlage der Kinder und Jugendlichen verpflichtet Jugendhilfe anzubieten. Die Unterkünfte und Jugendeinrichtung der Stadt sind überfüllt“, betont Frey. „Unser Ansinnen ist es, sich um diese Menschen zu kümmern.“ Es sei völlig klar, dass sie Stadt die Verpflichtung habe, diese Kinder und Jugendlichen in Obhut zu nehmen, sagt Tobias Weiß (CSU). „Die Akzeptanz solcher Projekte steht und fällt mit der Betreuung und den Ansprechpartnern vor Ort.“

Ziele der Betreuung sind nach Angaben der Flexiblen Hilfen München zum einen der Schutz und die Sicherheit vor – drohender – Vernachlässigung, Misshandlung oder Gewalt und zum anderen die Klärung des Aufenthaltsstatus. Zudem soll eine altersgemäße Entwicklung sowie eine eigenverantwortliche Lebensführung gefördert werden. Ferner geht es um eine Stärkung der Eltern und der Erarbeitung von schulischen und beruflichen Perspektiven. „Unser Hauptziel ist eine zeitnahe Rückführung der Kinder und Jugendlichen in die Herkunftsfamilien beziehungsweise eine andere betreute Wohnform“, erklärt Frey. „Die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge wohnen in der Regel zwei bis drei Jahre in unseren Jugendhäusern.“

„Eingliederung in die Nachbarschaft“

Man könne an der Tatsache, dass es dieses Jugendhaus in der Vesaliusstraße gibt nichts mehr ändern, betont Tobias Weiß. „Wir können das Projekt aber auch nicht ablehnen. Ich habe sehr viel Hoffnung in die Diakonie, dass sie sich um eine angemessene Betreuung und die Eingliederung in die Nachbarschaft kümmert. Wenn das klappt, habe ich nichts gegen die Einrichtung.“ Im Gegensatz zur Pension Schöllstraße und zum Männerwohnheim in der Georg-Reismüller-Straße handele es sich bei dem Jugendhaus der Diakonie um eine sehr kleine Einrichtung“, so Christoph Kubuschok (CSU). „Dass macht es sowohl für die Anwohner als auch für die betreuten Kinder und Jugendlichen sympathisch.“

Der Bezirksauschuss Allach-Untermenzing hat gegen die Nutzungsänderung des Gebäudes keine Einwände. Dies wurde einstimmig beschlossen. Allerdings wird sich der BA 23 bei der Stadtverwaltung über die Vorgehensweise beschweren. Denn: „Der Bezirksausschuss ist mit der Prozedur ganz und gar nicht einverstanden. Erst wieder eingebunden und informiert zur werden, wenn schon längst alles entschieden ist, können wir uns nicht gefallen lassen“, betont die BA-Vorsitzende Heike Kainz.

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