„Wir sind ganz normale Leute, die nicht sehen können”

Die Klasse 3 c der Grundschule an der Schrobenhausener Straße war wissbegierig, als der blinde Aleksander Paukovic erzählte, wie er sein Leben meistert. (Foto: tg)
Die Klasse 3 c der Grundschule an der Schrobenhausener Straße war wissbegierig, als der blinde Aleksander Paukovic erzählte, wie er sein Leben meistert. (Foto: tg)
Die Klasse 3 c der Grundschule an der Schrobenhausener Straße war wissbegierig, als der blinde Aleksander Paukovic erzählte, wie er sein Leben meistert. (Foto: tg)
Die Klasse 3 c der Grundschule an der Schrobenhausener Straße war wissbegierig, als der blinde Aleksander Paukovic erzählte, wie er sein Leben meistert. (Foto: tg)
Die Klasse 3 c der Grundschule an der Schrobenhausener Straße war wissbegierig, als der blinde Aleksander Paukovic erzählte, wie er sein Leben meistert. (Foto: tg)

Es piept. Unmittelbar darauf sagt eine Stimme: „Dunkelgrau, Richtung oliv.“ Genau das ist die Farbe des Pullis, den Aleksander Paukovic trägt. Der 33-Jährige ist blind. Er erklärt den Kindern der Klasse 3 c der Grundschule an der Schrobenhausener Straße, wie es kommt, dass er weiß, welche Farbe sein Pullover hat, obwohl er nicht sehen kann. Das Farberkennungsgerät, das er nah an das Kleidungsstück gehalten hat, helfe ihm zum Beispiel auch beim Sortieren seiner Wäsche, bevor er sie in die Waschmaschine stecke, erfahren die 25 Drittklässler. Die hatten viele Fragen an den kürzlich promovierten Sprachwissenschaftler, der als Übersetzer arbeitet. Das freut Paukovic. Denn: „Erwachsene fragen nicht mehr nach. Für die ist ein Thema schnell abgehakt.“

„Wir gehen in die Schulen“ ist das Motto eines Projektes des Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbundes. Das kommt in der Region München in über hundert Schulen seit 16 Jahren gut an. Ein Team von Ehrenamtlichen besucht regelmäßig Grund-, Haupt-, Realschulen und Gymnasien sowie Fachoberschulen . Dort berichten sie über ihren Alltag, beantworten Fragen der Kinder und zeigen praktisch, wie Blinde ihr Leben meistern. Paukovic: „Wir wollen Vorurteile abbauen. Die Kinder sollen merken, das wir ganz normale Leute sind. Nur: Blinde, können nicht sehen.“ Kinder seien am besten dazu geeignet, das unter die Leute zu bringen. Davon ist dieser Referent überzeugt. Petra Ebert, Konrektorin der Schule hatte ihn eingeladen, weil bei den dritten Klassen das Thema „Auge“ auf dem Lehrplan steht. Ebert: „Das ist viel anschaulicher, als wenn das nur theoretisch behandelt wird.“

Sechs Punkte zum Fühlen

„Die Blindenschrift nach Louis Braille“, war auf der Klassentafel zu lesen. Die Kinder wussten bereits, dass blinde Menschen durch die Braille-Schrift – die Grundform besteht aus sechs leicht erhabenen, also fühlbaren unterschiedlich angeordneten Punkten – lesen können. Schöpfer dieser Schrift war der Franzose Louis Braille. Er erfand sie 1825. Da war er 16 Jahre alt. Braille verlor sein Augenlicht als Kind beim Hantieren mit einer Ahle. Die Punkte der „Braille-Schrift“ sind im Alltag des Sprachwissenschaftlers allgegenwärtig. Er arbeitet „ganz normal“ am Computer. Sein „Bildschirm” heißt „Braille-Zeile“. Wenn er das dazu gehörende Gerät bedient, kann Paukovic sogar im Internet surfen.

„Wie wissen Sie denn, was sie kochen“, fragte Lisa. „Alle Sachen haben ihren festen Platz und sind mit Blindenschrift etikettiert“, lautete die Antwort. Es gebe allerdings weitere Hilfsmittel: „Messbecher mit fühlbaren Mengenangaben oder sprechende Waagen.” Er habe jedoch für sich herausgefunden: „Möglichst alles tasten, das ist praktischer“. So zeigt er den Kindern seine aufklappbare Uhr, auf deren Zifferblatt er die Zahlen fühlt.

Die neue Technik komme den Blinden ebenfalls zugute, so Paukovic. Kürzlich hätten er und seine Frau Annette – sie ist auch blind – Obst und Gemüse vom Biohof bekommen und da seien Gläser – nicht in Braille-Schrift beschriftet – mit Brotaufstrich zum Probieren dabei gewesen. Was tun? Paukovic pfiffig: „Ich habe mit der Handy-Kamera die Sachen fotografiert. Ein Programm hat den Text erkannt und vorgelesen. So konnte ich die Gläser für uns beschriften.“ Gerti fragte: “Wie können Sie wissen, wie die Farbe blau aussieht?“ „Ich habe dazu keine Erinnerung“, sagte Paukovic. Ich bin von Geburt an blind, weil der Sehnerv kaputt ist.“ Das müssten sich die Kinder wie eine Leitung vom Auge zum Gehirn vorstellen“, erklärte der Referent. Woraufhin Petra Ebert an einem überdimensionierten Augenmodell demonstrierte, wo der Sehnerv beim Menschen sitzt.

„Weniger Blindenhunde”

„Haben Sie einen Hund?“, wollte Meiki wissen. „Nein, der wäre sonst heute dabei“, erwiderte Paukovic. Und: Es gebe immer weniger Blindenhunde. Früher hätten die Blinden sehr oft nicht gelernt, sich allein in der Stadt zu bewegen. Ihm sei schon früh beigebracht worden, alleine mit dem Stock zu gehen. Durch pendelnde Bewegungen und die Geräusche, die entstehen, wenn der Stock auf den Untergrund treffe, erfahre er beispielsweise etwas über die Bodenbeschaffenheit. Er könne sich also gut darauf einstellen. Leonie machte sich Sorgen darüber, dass er aus Versehen Frauenkleider kaufen könnte. Das werde ihm nicht passieren, so der Sprachwissenschaftler: „Meine persönliche Modeberaterin ist meine Schwester. Und die sieht.“ Diana interessierte: „Wie können Sie schlafen?“ „Meine Augen fallen einfach zu, wenn ich einschlafe“, ist Paukovis Antwort. Am Ende der Stunde dürfen die Kinder einen Blindenschrift-Text übersetzen. „’Die Feder’, heißt die Überschrift“, schallte es kurz nach dem Verteilen der Blätter durch die Klasse. Und Berfin meinte: „Wenn man sich daran gewöhnt hat, ist das Blindsein doch nicht so schwierig, wie ich gedacht habe.“

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