Veröffentlicht am 13.10.2009 10:46

Schulspeisung und Tintenkleckse

Einen Vortrag über die Historie der Dorfschule Unterpfaffenhofen hielt Albert Bichler, der selbst dort seine Volksschulzeit absolvierte und später Rektor der Kleinfeldschule wurde. (Foto: Eva Schraft)
Einen Vortrag über die Historie der Dorfschule Unterpfaffenhofen hielt Albert Bichler, der selbst dort seine Volksschulzeit absolvierte und später Rektor der Kleinfeldschule wurde. (Foto: Eva Schraft)
Einen Vortrag über die Historie der Dorfschule Unterpfaffenhofen hielt Albert Bichler, der selbst dort seine Volksschulzeit absolvierte und später Rektor der Kleinfeldschule wurde. (Foto: Eva Schraft)
Einen Vortrag über die Historie der Dorfschule Unterpfaffenhofen hielt Albert Bichler, der selbst dort seine Volksschulzeit absolvierte und später Rektor der Kleinfeldschule wurde. (Foto: Eva Schraft)
Einen Vortrag über die Historie der Dorfschule Unterpfaffenhofen hielt Albert Bichler, der selbst dort seine Volksschulzeit absolvierte und später Rektor der Kleinfeldschule wurde. (Foto: Eva Schraft)

Eigentlich sollte die zweitägige Feier anlässlich „100 Jahre Alte Schule Unterpfaffenhofen“ am vergangenen Wochenende im schönen, großen Garten rund um das Gebäude in der Salzstraße stattfinden. Als Vorsorge für schlechtes Wetter hatten die Organisatoren sogar drei Partyzelte unterschiedlicher Größe zum Sitzen, für den Verkauf von Essen und Getränken sowie für die Musikgruppe aufgestellt. Doch dann schüttete es am Samstagnachmittag pünktlich zur offiziellen Eröffnung dermaßen, dass alle Festteilnehmer gleich ins Innere des ehemaligen Schulgebäudes drängten.

Schönstes Gebäude Germerings

Er habe bemerkt, dass eine ganze Menge ehemaliger Schülerinnen und Schüler gekommen seien, eröffnete Holzkünstler Jürgen-Eide Heyken seine Begrüßungsrede, das könne er gut verstehen, sei die Alte Schule doch das schönste Gebäude Germerings! Eigentlich müsse es „Unterpfaffenhofens“ heißen, wurde er hier gleich von mehreren der Senioren korrigiert. Die Stadt Germering habe jedenfalls die Feier initiiert und nun gemeinsam mit den 13 Künstlerinnen und Künstler organisiert, die heutzutage im vormaligen Dorfschulhaus in 11 Ateliers und Werkstätten arbeiteten, so Heyken.

Oberbürgermeister Andreas Haas bezeichnete in seinen Grußworten die Unterpfaffenhofener Dorfschule als „Senfkorn“, dessen Saat aufgegangen sei, wenn man die heutige Schullandschaft in Germering betrachte mit vier Grund- und zwei Hauptschulen, einer Realschule sowie zwei Gymnasien. Seit 1984 habe sich die Stadt Germering darum bemüht, die Alte Schule wieder in Besitz zu bekommen; 2008 sei dies für eine Million Euro gelungen. Das sei viel Geld, sei es aber auch wert, da sich dies „Identitäts stützend“ auswirke und das Schulhaus eine wesentliche, sichtbare Größe in der Geschichte Unterpfaffenhofens, und damit auch Germerings, darstelle. Das zeige auch das große Interesse an dem Gebäude: Seit dem Rückkauf, gebe es sehr viele Vorschläge seitens der Bürger, was man mit Haus und Garten alles machen könne und solle.

Zeitzeugen

Einen Vortrag über die Geschichte der Alten Schule hielt anschließend Albert Bichler, 1935 geboren, ehemaliger Rektor der Kleinfeldschule und Vorsitzender des Fördervereins Heimatpflege Unterpfaffenhofen-Germering. Er selbst sei hier sechs Jahre zur Schule gegangen und damit ein echter Zeitzeuge. Doch auch alte Gebäude könnten Zeitzeugen sein, weshalb es ein „Gebot des Respekts“ sei, diese nachfolgenden Generationen zu erhalten. Für die Geschichte der Stadt sei die Alte Schule ganz wichtig: Zusammen mit der Sankt Jakobskirche gehöre sie „zum Bild unseres Dorfes“ und markiere den Beginn der neueren Schulgeschichte der Stadt Germering.

Bis zur feierlichen Eröffnung des neuen Dorfschulhauses in der Salzstraße im Jahre 1909 hätten die Unterpfaffenhofener Kinder „bei jedem Wetter und natürlich zu Fuß“ ihren drei Kilometer langen Schulweg nach Germering zurücklegen müssen. Als erster Lehrer trat im Februar 1910 Alfons Baumann seinen Dienst an. Er musste alleine mehr als 70 Kinder unterrichten, bis 1912 eine zweite Lehrerstelle genehmigt wurde: Nun konnten die Buben und Mädchen in zwei Klassen unterteilt werden, Baumann unterrichtete die Oberstufe, „Schulfräulein“ Anna Reiter übernahm die Unterstufe. Wegen sinkender Geburtenzahlen nach dem Ersten Weltkrieg wurde diese zweite Stelle allerdings wieder gestrichen. Schwierige Zeiten folgten, so konnte zum Beispiel in kalten Wintern aus Mangel an Brennholz ein Unterricht nur im Erdgeschoss abgehalten werden.

Unterricht im Treppenhaus

Als „unmittelbare Folge der nationalsozialistischen Politik“ sei dann mit dem Bau des Tanklagers am Rande des Kreuzlinger Forstes eine Siedlung entstanden. Die Kinder der dort wohnenden Familien mussten die Dorfschule besuchen, in der Anfangszeit lieferten sich die Kinder aus der neuen Wifo-Siedlung mit den Dorf-Kindern Schlägereien auf der Kreuzlinger Straße. 1944 wurde das Schulhaus bei einem Bombenabwurf beschädigt, ab April 1945 kam der Schulbetrieb fast völlig zum Erliegen, weil Heimatvertriebene im Haus untergebracht werden mussten. „Ich kann mich noch gut an den Unterricht in dieser Zeit erinnern, der teilweise auf den Stufen im Treppenhaus stattfand“, erinnert sich Albert Bichler.

Nach Kriegsende wurden fast zwei Jahre lang 320 Schüler von drei Lehrern unterrichtet, bis 1949 stiegen die Zahlen kontinuierlich an auf 425 Schüler und sieben Lehrkräfte – die Schule „platzte aus allen Nähten“. 1950 fiel der Entschluss zum Bau einer neuen Schule, die Einweihung des großen Schulhauses an der Kleinfeldstraße wurde 1952 sehr begrüßt, die Schule in der Unterpfaffenhofener Salzstraße „verwaiste“. 1961 folgte der Verkauf des Schulhauses für 140.000 DM an die Strumpffabrik Seidl aus Pasing. Mitte der Achtzigerjahre zog sich diese aus dem Gebäude zurück, das umstrittene Altenpflegeheim Magdalenum nahm seinen Betrieb auf und wurde nach etlichen Skandalberichten 1995 geschlossen. Von 2002 bis 06 bot eine Firma für Künstlerbedarf im damals „Villa Arte“ genannten Dorfschulhaus erstmals Künstlerateliers an, die schnell äußerst beliebt wurden. Bei einem Versteigerungstermin im Jahr 2008 konnte die Stadt Germering schließlich das Gebäude mit dem großen Garten, der bereits von Lehrer Alfons Baumann als Schulgarten genutzt worden war, für 960.000 Euro rückkaufen.

Kachelofen und Holzboden

Persönliche Erinnerungen Albert Bichlers stießen bei den zuhörenden Ehemaligen auf viel Beifall und schmunzelnde Zustimmung: Das Klassenzimmer im ersten Stock mit dem grünen Kachelofen und dem ölgetränkten Holzboden; hölzerne Schulbänke mit Tintenfässern; kleine Schiefertafeln, „die immer so schnell vollgeschrieben waren“; das Schaubild von der Schlacht im Teutoburger Wald an der Wand; die Schulranzen, die immer weitervererbt wurden; spitze Schreibfedern, mit denen man immer so schnell Tintenkleckse auf dem nicht holzfreien Papier machte; der Pausenhof zur Salzstraße, der in zwei Bereiche für die Unter- und Oberstufe eingeteilt war; die zwei Buchen, die bereits bei der Eröffnung gepflanzt waren; und schließlich die Schulspeisung, die ab 1946 zum „Bild der Nachkriegszeit“ gehörte – mit Erbsensuppe, Grießbrei und dem Kakao, bei dem die Milch so häufig angebrannt gewesen ist!

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