Zukunft der Vergangenheit

NS-Dokumentationszentrum: Mirjam Zadoff nimmt Arbeit auf

Dr. Mirjam Zadoff ist seit wenigen Tagen als Direktorin des NS-Dokumentationszentrums für die inhaltliche Weiterentwicklung des Hauses verantwortlich.	Foto: © Orla Connolly

Dr. Mirjam Zadoff ist seit wenigen Tagen als Direktorin des NS-Dokumentationszentrums für die inhaltliche Weiterentwicklung des Hauses verantwortlich. Foto: © Orla Connolly

München · Die Historikerin Prof. Dr. Mirjam Zadoff ist die neue Leiterin des NS-Dokumentationszentrums München. Drei Jahre nach der Eröffnung des Erinnerungsortes an geschichtsträchtiger Stelle nahe des Königsplatzes hat sie am 1. Mai die Nachfolge von Gründungsdirektor Winfried Nerdinger angetreten.

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Ihre Aufgaben als Direktorin umfassen neben der Programmverantwortung für den Ausstellungs-, Veranstaltungs- und Bildungsbereich auch die Vernetzung und Repräsentation sowie die strategische, inhaltliche und organisatorische Weiterentwicklung des Lern- und Erinnerungsorts.

Mirjam Zadoff war bis Ende April als Professorin für Geschichte an der Indiana University in Bloomington (USA) tätig, wo sie den Alvin H. Rosenfeld Lehrstuhl für Jüdische Studien innehatte. Die gebürtige Innsbruckerin hat bereits eine »Münchner Vergangenheit«. So wurde sie 2006 »summa cum laude« an der Ludwig-Maximilians-Universität promoviert und hat sich dort 2013 habilitiert.

Die 44-jährige Zadoff blickt auf eine umfangreiche wissenschaftliche und publizistische Tätigkeit zurück. Vorwiegend hat sie sich in Forschung und Lehre mit jüdischer Geschichte und Kultur sowie ­Holocauststudien beschäftigt. Bei der Initiierung, Koordinierung und Leitung aufwendiger Projekte im Forschungs- und Bildungsbereich hat sie Management- und Führungserfahrung erworben. Von ihr geleitete Tagungen und Diskussionen fanden große Beachtung, auch über den universitären Bereich hinaus. Für ihre Leistungen wurde Mirjam Zadoff mehrfach ausgezeichnet, unter anderem für innovative Fortbildungskonzepte, die sich gleichermaßen an Studierende, Forschende und Lehrkräfte richteten.

In der Bildungsarbeit sieht sie ihren Auftrag seit vielen Jahren nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch in der Vermittlung an eine breite Öffentlichkeit. Ihre fachlichen Schwerpunktthemen sind der Holocaust, Rassismus, Antisemitismus, Flucht und Migration – Themen mit einem ­tiefgehenden historischen Hintergrund und zugleich Themen aus der direkten Gegenwart.

»Mit Mirjam Zadoff haben wir eine sehr kompetente und erfahrene Historikerin als neue Direktorin für das NS-Dokumentationszentrum München gewinnen können«, erklärte der Kulturreferant der Stadt München, Hans-Georg Küppers. »Aufbauend auf dem Bestehenden wird sie neue Impulse zur inhaltlichen Weiterentwicklung und zur internationalen Vernetzung des Hauses setzen. Das NS-Dokumentationszentrum ist ein Lern- und Erinnerungsort für ein breites Publikum. Mirjam Zadoff wird weiterhin dafür sorgen, dass mit dem Ausstellungs-, Tagungs- und Vermittlungsprogramm Vergangenheit und Gegenwart in Bezug zueinander gebracht, und damit Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit entgegengewirkt wird.«

Die Erwartungen an die Direktorin des NS-Dokumentationszentrums sind groß. Ihre Befähigung bezieht sie nicht allein aus den historischen Studien, die Zadoff in ihrer beruflichen Laufbahn gemacht hat, sondern auch aus der Beobachtung der Gesellschaft. »Geschichtsbewusstsein und Demokratieverständnis sind eng miteinander verbunden – die unterschiedlichen Umgangsweisen damit habe ich bei meiner Tätigkeit in Deutschland, Österreich, der Schweiz und den USA erfahren«, berichtet die 44-Jährige. Mit dem zunehmenden Verstummen der Zeitzeugen und dem immer wieder hörbaren Ruf nach dem Ende des Erinnerns komme einer Einrichtung wie dem NS-Dokumentationszentrum München umso größere Bedeutung zu.

»Fremdenhass, Rassismus und Antisemitismus sind Teil der Gegenwart, unsere Demokratien sehen sich vor große Herausforderungen gestellt durch wachsenden Nationalismus und Rechtsextremismus. Diesen Entwicklungen entgegenzuwirken ist Aufgabe von uns allen.« Sie hat sich viel vorgenommen. Mirjam Zadoff formuliert hohe Ziele und zeigt sich zugleich zuversichtlich, in ihrer Position in der Gesellschaft etwas bewegen zu können. »Ich freue mich, als Direktorin des NS-Dokumentationszentrums zusammen mit meinem Team künftig aktiv und nachhaltig daran mitzuwirken, dass in der Öffentlichkeit eine kritische und zukunftsorientierte Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit stattfindet.«

Hintergrundinfo:
Mirjam Zadoff wurde 1974 in Innsbruck geboren. Sie hat Geschichte und Judaistik an der Universität Wien studiert und in Neuerer und Neuester Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München promoviert. Ihre Tätigkeit als Dozentin nahm sie am Institut für Jüdische Geschichte und Kultur der LMU auf. Im Sommer 2014 ging sie als Alvin H. Rosenfeld Professorin für Jüdische Studien an der Indiana University nach Bloomington, Indiana (USA). Sie hielt Gastvorträge an der Hochschule in Berkeley, Zürich und Berlin. Ihr Buch »Nächstes Jahr in Marienbad« wurde mehrfach ausgezeichnet. Für »Der rote Hiob. Das Leben des Werner Scholem« erhielt sie 2014 den Fraenkel Prize.

Artikel vom 11.05.2018
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