Bürgerinitiative kämpft für besseres Betreuungsangebot

München · „Wie ein Sechser im Lotto“

In den Jahren 2010 bis 2014 will die Stadt insgesamt 91 Millionen Euro in den Ausbau der Kinderbetreuung investieren. Bezuschusst wurde unter anderem die neue Krippe am Otto-Hahn-Ring in Neuperlach, die im Mai eröffnet hat. Foto: js

In den Jahren 2010 bis 2014 will die Stadt insgesamt 91 Millionen Euro in den Ausbau der Kinderbetreuung investieren. Bezuschusst wurde unter anderem die neue Krippe am Otto-Hahn-Ring in Neuperlach, die im Mai eröffnet hat. Foto: js

München · „Sobald man schwanger wird, ist man für zehn Jahre gefangen in Sorge“, klagt Eva Ziemen, Anwohnerin aus der Au. Ihre vierjährige Tochter Clara geht inzwischen in den Kindergarten am Kolumbusplatz. Doch nun erwartet die junge Mutter weiteren Nachwuchs.

Und wieder sind die Aussichten auf einen Krippenplatz ungewiss. Unklar ist auch, ob Clara in zwei Jahren einen Hortplatz bekommt: „Man hat überhaupt keine Planungssicherheit.“ Zwar werde an der Einrichtung, die ihre Tochter besuche, auch Betreuung für Grundschüler angeboten, jedoch nur für jedes zweite Kind: „Wenn sie bleiben könnte, wäre das wie ein Sechser im Lotto.“

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Tausende Eltern bangen in München jedes Jahr, ob sie den dringend benötigten Krippen-, Kindergarten- oder Hortplatz für ihr Kind auch bekommen. Mit einem „Bürgerbegehren für bessere Ganztagesbetreuung“ wollen Nikolaus Hoenning, ehemaliger Vorsitzender des Stadtvorstands der Grünen, und Dagmar Masch, Jugendbeauftragte des Bezirksausschusses Neuhausen (BA 22), die Stadt dazu auffordern, das Betreuungsangebot auszubauen. Gut 1.000 haben bisher unterschrieben. Besonders dramatisch sei die Lage in kinderreichen Vierteln wie etwa der Au, Haidhausen oder Neuperlach, erklärt Anna Seliger vom Jugendhilfeverein Lilalu. „Ich kenne Mütter“, ergänzt Hoenning, „die deshalb ihren Beruf aufgeben mussten.“ Besonders schwerwiegend sei dies für Alleinerziehende.

Nicht nur bei den ganz Kleinen steigt der Bedarf, auch bei der Mittagsbetreuung für Gundschüler. Das spürt zwar auch Unterföhring, aber auf Wartelisten muss hier trotzdem kein Kind – der Ort ist unter den ohnehin in Sachen Kinderbetreuung optimal ausgestatteten östlichen Landkreisgemeinden an der Spitze – denn Krippen, Hort und Kindergarten sind hier auch noch kostenlos. Die 9.400-Einwohner-Gemeinde meldet einen aktuellen Versorgungsgrad von hundert Prozent, ob Kindergarten oder Krippe, „alle Kinder, die einen Anspruch auf einen Betreuungsplatz haben, werden einen bekommen“, erzählt Lothar Kipp von der Gemeinde. „Einzige Ausnahme können Kinder sein, die zwar das erste Lebensjahr vollendet haben, aber erst nach der Anmeldephase in das Gemeindegebiet zugezogen sind. Da die hierfür vorgesehenen Reserveplätze begrenzt sind, kann es in einem solchen Einzelfall zu einer Wartezeit über den 1. September 2011 hinaus kommen“. Zum Ende des Jahres seien jedoch weitere Räumlichkeiten für bis zu 24 Krippenkinder fertiggestellt.

Davon können die Münchner Eltern bislang nur träumen: Im Bürgerbegehren fordert Hoenning, für 70 Prozent aller Kleinkinder Krippenplätze anzubieten. Derzeit stehen diese nur für rund ein Drittel zur Verfügung, die Stadt plant eine Aufstockung auf 43 Prozent. Einen Kindergartenplatz soll es für jedes Kind geben. Der Versorgungsgrad liegt aktuell bei 83 Prozent. Erklärtes Ziel der Stadt: ein Ausbau auf 90 Prozent. Zudem soll in der Hälfte aller Grundschulen Ganztagsbetreuung stattfinden, die übrigen Schüler sollen die Möglichkeit haben, nachmittags in den Hort, eine Mittagsbetreuung oder ein Tagesheim zu gehen. In diesen Einrichtungen werden derzeit etwa zwei Drittel der Kinder versorgt.

Einen Platz in einer Ganztagsgrundschule gibt es gerade einmal für rund zwei Prozent. Eine absurde Situation zeigt sich dagegen in Trudering. Hier gebe es Bedarf, sogar Platz – und trotzdem wird nicht gebaut, kritisiert Hans Podiuk die rot-grüne Stadtpolitik: 2009 hatte der CSU-Stadtrat eine Kindertagesstätte in der Truderinger Straße 321-325 beantragt. „Das erachtete der ehemalige Sozialreferent zwar als grundsätzlich möglich. Er lehnte es 2010 dennoch ab, weil es, so Graffe, am benachbarten Standort Truderinger Straße 288 die Möglichkeit zum Bau einer Einrichtung gibt“, erklärt Podiuk. Im Mai 2011 fragte Podiuk nach dem Stand der Angelegenheit: „Da teilt mir das Schulreferat mit, dass in diesem Planungsbereich (Kirchtrudering) ,sinkende Kinderzahlen prognostiziert sind‘ und daher ,von der Planung einer Kinderkrippe...abgesehen‘ wird.

Krippenplätze etwa würden Schätzungen der Verwaltung zufolge nur für 50 bis 60 Prozent der Kinder gebraucht, erklärt Eva Maria Volland, Sprecherin des Referats für Bildung und Sport. Allerdings decke der derzeit angestrebte Versorgungsgrad den Bedarf nicht. Die im Bürgerbegehren geforderten Betreuungsmöglichkeiten anzubieten, sei jedoch nicht möglich: „Dafür haben wir nicht ausreichend Flächen und es gibt auch nicht genug Erzieherinnen.“ Um das im Großraum München schwer zu findende Fachpersonal zu gewinnen, hat sich Unterföhring was einfallen lassen: WG-Wohnungen, bislang drei, so Kipp, „in denen Erzieher/innen gemeinsam mit dem Pflegepersonal des ortsansässigen Pflegeheims kostengünstig wohnen können.“

Weitere Infos gibt es zum Bürgerbegehren unter www.buergerbegehren-muenchen.de. Findet das Anliegen bis zum Jahresende 30.000 Unterzeichner, kommt es innerhalb von drei Monaten zum Bürgerentscheid, zu dem alle Wahlberechtigten an die Urnen gerufen werden. Von Julia Stark

Artikel vom 25.08.2011
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