Kommentar zum Erhalt des Sechzger-Stadions

Kommerz statt Kultur

Harald Hettich. Foto: privat

Harald Hettich. Foto: privat

Giesing/Harlaching · Als aufmerksamer Beobachter, nicht nur der Bürgerversammlung in Untergiesing-Harlaching, muss man sich nicht erst in diesen Tagen wundern über die offensichtlich in Stein gemeißelte Absicht der Stadt, München seiner traditionsreichsten Fußballkultstätte zu berauben. Denn unverrückbar halten die Stadtoberen zwar an ihrer Absichtserklärung selbst fest, den Zeitplan hierzu dehnen sie allerdings wie Kaugummi in die Länge und winden sich um faktische Kernaussagen einer Nachnutzung. Finanzielle Aspekte werden vonseiten der Stadt allzu gerne angeführt, sinnstiftende Argumente allerdings fehlen bislang gänzlich.

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Warum wird die von Stadionbefürwortern zu Recht ins Feld geführte Forderung einer umfassenden Sanierung vonseiten der Kommune durch stete Nichtbeachtung gestraft? Warum werden entscheidend mitprägende Traditions- und Kultvereine wie der TSV 1860 und der FC Bayern in puncto künftiger Stadionnutzung für ihre Perspektivspieler und Nachwuchs- Profis derart im Regen stehen gelassen, mit reinen Plattitüden und nur vagen Zukunftsaussagen abgespeist? Von einer Stadt, die sich alljährlich mit den Erfolgen der Vereine selbst schmückt und jetzt den Nachwuchs seiner wichtigsten Spielstätte überhaupt berauben will? Wo bleibt abseits bloßer Finanzdebatten das Recht des Bürgers und Fußballfreundes? Wo ist der Aufbruchgedanke des WM-Jahres 2006 in der »Sportstadt« München?

Die Antwort ist einfach: auf Giesings Höhen – im weiten Rund einer Traditionsarena besonderen Zuschnitts. Was ist falsch an einem Hochhalten der (Fußball-)Tradition in schnelllebiger Zeit, an derart nachvollziehbarer Sentimentalität und Liebe der Fans zu ihrem »Tempel der Freude«? Warum schert sich eine Kommune derart wenig um die Meinung seiner Bürger – und Steuerzahler? Die Finanzen und Erhaltungskosten allein können es wohl nicht sein – denn erstens gibt es auch eine Nachnutzung nicht zum Nulltarif, zweitens wachsen potente wie potentielle Investoren mit gezücktem Scheckbuch nicht auf Bäumen und drittens sollte sich auch eine Stadt wie München ihrer Aufgabe einer Erhaltung wesentlicher Kulturbausteine bewusst sein – zu denen das »Sechzger Stadion« ganz zweifelsohne gehört. Warum kann ein hoher Vertreter des Sportamtes in der letzten Bürgerversammlung vor Ort ungeniert einräumen, es gebe keine geeignete Ersatzspielstätte – und im gleichen Atemzug den talentiertesten Fußballnachwuchskräften der Stadt die Stadiongrundlage entziehen? Apropos Entzug der Grundlage – ein möglicher Großinvestor vor Ort will und muss ein solches Investment refinanziert sehen. Dem Areal würde bei einem Abriss wohl eine ungewisse Nachnutzung stark wirtschaftlich geprägten Zuschnitts unter rein finanziellen Aspekten und zu Lasten gewachsener Viertel- und Geschäftsstrukturen drohen – Bedenken von Bürgern und Geschäftsleuten allerdings wischt die Stadt weg. Oder agiert wie bei der Bürgerversammlung mit in der Substanz hoch fragwürdigen Versprechungen, eine Nachnutzung in die (von der Stadt) gewünschte soziale Richtung steuern zu können.

Mögliche Investoren dürften derlei wirtschaftsfremde Ausführungen sicher abschrecken – aus Gründen fehlender wirtschaftlicher Attraktivität könnte dann aus Giesings traditionsreichen Höhen künftig Brachland entstehen. Denn das Stadion hätten die Stadt-«Planer« dann ja bereits längst dem Erdboden gleich gemacht. Mit einem Abriss würde die Stadt nicht nur ein traditionsreiches Stadion zu Grabe tragen – sondern auch den Nachwuchs der beiden Vorzeigevereine ernsthaft in Schwierigkeiten bringen. Denn ohne geeignete und vom DFB abgesegnete Spielstätte für Regional- und Junioren-Bundesliga verlören die beiden Clubs spürbar an Attraktivität – München als künftige Fußball-Diaspora? Ein furchtbarer Gedanke. Harald Hettich

Lesen Sie zu diesem Thema auch den Artikel Pro Stadionerhalt

Artikel vom 02.11.2007
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