Die Feinstaub-Klage scheitert für’s Erste. Brummis müssen trotzdem draußen bleiben

München - Es bleibt staubig

Wer an einer Straße mit gesundheitsgefährdender Feinstaubbelastung lebt, hat Pech gehabt: Ein Ottonormal-Bürger kann weder den Staat noch die Stadt zwingen, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Das entschied das Bayerische Verwaltungsgericht München am Dienstag im Hauptverfahren des Feinstaub-Prozesses.

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Kläger Dieter Janecek, ein Anwohner der Landshuter Allee, gibt sich damit nicht zufrieden: „Wenn’s sein muss, klage ich mich durch bis vor den Europäischen Gerichtshof“, kündigt er an.

Bis zu 60.000 Autos donnern täglich die Landshuter Allee, Münchens staubigste Meile, entlang. „Hier zu leben ist die Hölle“, klagt der 29-jährige Janecek. „Nachts stört der Lärm beim Schlafen, und wenn ich tagsüber die Wohnung verlasse, werden mir stinkende Abgase ins Gesicht gepustet.“

In der Hauptverhandlung ließ der Vorsitzende Richter Harald Geiger von Anfang an durchscheinen, dass Janecek nichts dagegen unternehmen könne. Im Europarecht stehe „kein Wort vom Bürger drin“. Man könne in Deutschland vieles einklagen, „aber nicht alles“. Vor allem könne man nur auf das eigene Recht pochen, wenn dies nicht zu Lasten anderer gehe. „Den Verkehr umzuleiten, ohne dass Probleme in anderen Straßen entstehen, ist in diesem Fall unmöglich.“ Oberlandesanwalt Peter Samberger ist sogar überzeugt, das Feinstaub-Problem sei nur zu lösen, wenn „ganze Innenstädte“ gesperrt würden. „Wir haben bereits jetzt fünf Millionen Arbeitslose. Eine Verkehrsbeschränkung würde sich katastrophal auswirken“, sagte er. Janeceks Anwalt Remo Klinger warf ihm vor, diese Argumentation schüre unberechtigt Ängste.

Er wies darauf hin, dass das Stuttgarter Verwaltungsgericht vor einigen Wochen angeordnet hatte, umgehend einen Aktionsplan zur Luftreinhaltung aufzustellen. Richter Geiger kommentierte die Entscheidung aus Baden-Württemberg mehr als kritisch dazu: „Gäbe es eine Hitparade schlechter Entscheidungen – jenes Urteil würde ganz oben stehen.“

Klinger, der bereits als Anwalt der ICE-Opfer von Eschede Schlagzeilen machte, ist überzeugt, dass das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts in weiteren Instanzen keinen Bestand hat. „Es ist absurd: Herr Janecek hat keinen Anspruch auf Durchsetzung einer Verkehrsberuhigung, weil es hierfür keinen offiziellen Plan gibt. Gleichzeitig hat er keinen Anspruch darauf, dass solch ein Plan erstellt wird. Damit sind Menschen rechtschutzlos ausgeliefert. Das ist unfassbar. Und unhaltbar.“

Als nächstes werden sie beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof klagen. „Spätestens der Europäische Gerichtshof wird uns Recht geben“, gibt sich Klinger kämpferisch.

Vermutlich aber kommt Janecek seinem Recht auch ohne die Juristerei ein Stück näher: Zumindest will München als erste deutsche Stadt ein Durchfahrverbot für Transit-Lkw über 7,5 Tonnen verhängen, um den Feinstaub zu vermindern. „Brummis müssen draußen bleiben“ wird es voraussichtlich ab Herbst heißen. Nur jene Lkw dürfen die Stadt passieren, die hier ein klares Ziel haben. Mautflüchtlingen bleibt nichts anderes übrig, als auf der Autobahn zu bleiben – sie sollen derzeit 20 Prozent der Brummis auf dem Mittleren Ring ausmachen.

Kreisverwaltungsreferent Wilfried Blume-Beyerle hierzu: „Ein Lkw von Hamburg nach Palermo hat in München nichts zu suchen.“ Diesel-Lkw sind gewaltige Feinstaub-Verursacher. Der Stadtrat plante längst eine Beschränkung des Transit-Verkehrs; die Regierung von Oberbayern und das bayerische Umweltministerium hatten dies jedoch stets abgelehnt. Sie lenkten erst ein, als in München als erster deutschen Stadt die Feinstaub-Grenzwerte mehr als 35 Mal überschritten waren und der öffentliche Druck wuchs.

Die Regierung will aber lediglich den Transitverkehr, der via Autobahn anrollt, unterbinden. Feinstaub-Kläger Janecek hat Sorge, dass der Freistaat alles unternehmen werde, um den Brummis die Durchfahrt nicht gänzlich zu untersagen (siehe Interview): „Der Freistaat fährt eine Blockade-Haltung in Sachen Feinstaub.“

Von Nadine Nöhmaier

Artikel vom 28.07.2005
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