»Alle haben gleich Hunger«

Diskussion um Diskriminierungen bei den Tafeln

Bei fiesen Kommentaren sucht Juliane nach mehr Nächstenliebe in den Tafeln. 	Foto: CC0

Bei fiesen Kommentaren sucht Juliane nach mehr Nächstenliebe in den Tafeln. Foto: CC0

Moosach/Freimann · Essen ist für alle da. Oder nicht? Fast über eintausend Tafeln gibt es in Deutschland, ob in München, Berlin, Essen oder Kiel. Sie alle sind in einem bundesweiten Verein eingetragen und arbeiten gemeinnützig, indem sie Lebensmittel an diejenigen verteilen, die hilfsbedürftig sind.

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In Essen kam es bei diesem Konzept, das sich bereits seit 1993 in Deutschland entwickelt hat, zu Problemen. Doch wie ist es in München?

Verteilen statt vernichten

Die Freiwilligen fahren jeden Morgen zum Beispiel zu den lokalen Supermärkten, um Lebensmittel einzusammeln, die zwar nicht mehr ihren höchsten Frischestandards entsprechen, aber trotzdem durch und durch 1A-Ware sind. Anstatt sie in die Tonne zu werfen, erhalten sie die Fahrer, die die Lebensmittel mitnehmen, um sie dann wiederum in den Ausgabestellen der Tafeln zu verteilen. Diese sind beispielsweise in Pfarrgemeinden untergebracht, wie in München beispielsweise bei St. Martin in Moosach oder bei St. Katharina von Siena in Freimann.

Deutschland und darunter auch München – sieht sich heutzutage vor einer immer stärker werdenden Einwanderer-Welle. Oftmals leben diese in Armut und frequentieren sodann die Tafeln. In jüngster Zeit kam eben die Tafel in Essen in aller Munde, als sie sich entschloss, Neukunden ab sofort nach ihrer Herkunft zu versorgen.

Sprich: Essen vorerst nur noch für Deutsche. Konsequenterweise ist in den Medien von »Diskriminierung« bei der Tafel die Rede. Dies kann Vorurteile schüren und Ausländer umso mehr ausschließen. Das Konzept der Tafeln klingt demnach in der Theorie gut, aber Vorfälle wie in Essen überschatten ihre Arbeit. Selbst Kanzlerin Merkel kritisierte die Essener »Lösung«. Laut welt.de sieht nur gut ein Drittel der Befragten es genauso wie Merkel. Die Mehrheit teilt ihre Meinung tatsächlich nicht und zeigt Verständnis für die Entscheidungen in Essen. Das wird den Tafeln zu Denken geben, Umstrukturierungen werden so mancherorts notwendig sein. Allerdings sollte der Bürger selbst auch über diese Entwicklung in der Gesellschaft reflektieren: Hungernden Migranten helfen lassen oder etwa hungern lassen?

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen hat sich der Wochenanzeiger in den Ausgabestellen Moosach und Freimann umgehört. »Bei uns sind Lebensmittel für alle da. Egal welche Nationalität, Hautfarbe oder Glauben«, so Christiane Schmidt, die ehrenamtlich die Ausgabestelle in Moosach leitet. »Im Endeffekt haben doch alle gleich Hunger. Daher werden alle von uns gleich behandelt.« Sie steht direkt im Kontakt mit den Beziehern der Tafel und resümiert, dass die Atmosphäre friedlich, gesittet und anständig sei. »Sonst würde ich das nicht schon 19 Jahre lang machen« fügt sie hinzu.

Nächstenliebe nicht vergessen

Juliane (Name geändert) bezieht selber Essen von der Tafel in der Ausgabestelle Freimann und ist etwas verunsichert. Sie findet allein den Umstand, dass sie auf die Tafel »angewiesen« ist, nicht einfach, aber findet: »Die Tafel ist toll und ich bin dankbar, dass es sie gibt«. Jedoch berichtet sie auch von einer manchmal zugespitzten Atmosphäre. »Die brauchen ja im Grunde gar nicht das Essen!« hört sie in letzter Zeit oft in der Ausgabestelle, vielleicht weil einer der Hilfsbedürftigen mit einem Auto hergefahren ist oder ein neues Handy hat. Bei solchen geschmacklosen Aussprüchen kann da einem doch glatt der Appetit vergehen. Ihr Appell: Trotz angespannter Situation »darf die Nächstenliebe nicht vergessen werden!« Daniel Mielcarek

Artikel vom 13.03.2018
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