Triple Win soll’s richten

Besonders viele Pflegekräfte werden nach Bayern vermittelt

Jannette Dela Cruz ist eine von inzwischen tausend Pflegekräften, die den Fachkräftemangel hierzulande lindern sollen.	Foto: cr

Jannette Dela Cruz ist eine von inzwischen tausend Pflegekräften, die den Fachkräftemangel hierzulande lindern sollen. Foto: cr

München · Wohl kaum etwas ist so behäbig wie der demografische Wandel. Seit in Deutschland der verheerende Weg in die überalterte Gesellschaft erkannt wurde, wird gegengesteuert. Doch ob die Maßnahmen erfolgreich sind, zeigt sich erst in Jahren, wenn nicht Jahrzehnten.

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Weil aber die Probleme hier und jetzt, vor allem in der Pflege, akut werden, haben die Bundesagentur für Arbeit und die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) das Projekt »Triple Win« ins Leben gerufen. Im Rahmen dieses Projekts ist jetzt die tausendste Pflegekraft nach Deutschland gekommen. Jannette ­Dela Cruz (37) von den Philippinen wurde diese Woche in München empfangen.

In der Pflege kommen in ­Deutschland auf zehn freie ­Stellen vier geeignete Bewerber

Weil es die tausendste Pflegekraft innerhalb von vier Jahren war, sprechen die Initiatoren von einem Erfolgsmodell. »Triple Win« stelle einen Gewinn für alle beteiligten Seiten dar. So leiste das Programm einen Beitrag zur Deckung des Fachkräftebedarfs in Deutschland, die vermittelten Fachkräfte würden von einer neuen beruflichen Perspektive profitieren und die Arbeitsmärkte in den Herkunftsländern würden entlastet.

Anders als in Deutschland, wo der Altersdurchschnitt bei 46 Jahren liegt, sind zum Beispiel die Philippinen einer sehr junges Land, mit 23 Jahren im Durchschnitt gerade mal »halb so alt« wie die Deutschen. Dort drängen junge Menschen auf den Arbeitsmarkt. Zwar ist die offizielle Arbeitslosenquote des asiatischen Inselstaats mit sechs bis sieben Prozent sehr gering, doch gerade im Pflegebereich gibt es dort ein Überangebot an Fachkräften – ganz im Gegensatz zu Deutschland, wo laut Raimund Becker, Vorstand Regionen der Bundesagentur für Arbeit, nur noch sieben geeignete Bewerber auf zehn freie Stellen kommen. Im Pflegebereich liege das Verhältnis sogar nur bei vier zu zehn.

Triple Win soll in erster Linie vermitteln, doch die Anwärter werden noch in ihrem Heimatland intensiv auf ihre neue Aufgabe vorbereitet. Das betrifft auch umfassende Sprachkenntnisse. Mit einer kleinen Dankesrede hat Jannette Dela Cruz bei ihrer Vorstellung am Montag die Anwesenden beeindruckt, darunter auch die philippinische Botschafterin in Deutschland, Melita Sta. Maria-Thomeczek, die eigens für die Präsentation von Berlin angereist war.

Das Projekt wurde 2013 aufgelegt und schon damals war man sich einer Tatsache bewusst, die heute, nach Beginn der Flüchtlingskrise, augenscheinlich wird: »Zuwanderung kann nur dann erfolgreich sein, wenn nicht nur die Integration in den Arbeitsmarkt gelingt, sondern auch in das gesellschaftliche Umfeld«, erklärt Raimund Becker. Bereits in der Heimat würden Sprach- und Vorbereitungskurse durchgeführt, damit sich die Menschen in Deutschland sprachlich, kulturell und fachlich gut zurechtfinden. In Deutschland angekommen, wird die Integration begleitet bis zur Berufsanerkennung.

Die Heimat der Pflegekräfte, das waren seit Beginn von ­Triple Win Serbien, Bosnien-Herzegowina und eben die Philippinen. Seit März besteht die Kooperation mit einem weiteren Land: Tunesien. Das Vertrauen in das Projekt ist groß, besonders bei denen, die schon gute Erfahrungen damit gemacht haben.

Dazu gehört auch Doris Schneider, Geschäftsführerin Altenheime im Diözesan-Caritasverband: »Die komplexen Abstimmungen mit den Behörden in beiden Ländern werden für uns durch die kompetenten Partner deutlich vereinfacht und wir können von den vielfältigen Erfahrungen profitieren. Allein der Diözesan-Caritasverband beschäftigt mittlerweile 33 ausländische Pflegekräfte, die über das Projekt vermittelt wurden.
Am Ende des gesamten Ablaufs steht eine Personengruppe, die auch zu Wort kommt: die Menschen, die Pflege bedürfen. Eine von ihnen ist Hannelore Stürz, die im Caritas Altenheim St. Nikolaus in Schwabing lebt. Sie kann die guten Erfahrungen nur bestätigen und kommt selbst mit den ausländischen Pflegekräften gut klar.
Triple Win hat Schule gemacht und erntet erste Lorbeeren. Das spricht sich auch in der Pflegebranche herum, die ganz allgemein unter dem Fachkräftemangel leidet. Namhafte Organisationen wie die Deutsche Krankenhausgesellschaft konnte zuletzt als Partner gewonnen werden, die Vereinten Nationen bezeichnen das Projekt in einem Bericht als »Best Prac­tice«. Von Carsten Clever-Rott

Hintergrundinfo:
  • Die Nachfrage nach Pflegekräften aus dem Projekt Triple Win ist besonders stark in Bayern. Hierhin wurden bislang 30 Prozent der Bewerber vermittelt. Dahinter liegen Baden-Württemberg (26 %) und Hessen (17 %)
  • Zwei Drittel der Pflegekräfte in Triple Win insgesamt sind weiblich, ein Drittel männlich. Für Tunesien zeichnet sich eine andere Verteilung ab. Hier sind 75 Prozent der bisherigen Bewerber männlich
  • 79 Prozent der Bewerber sind zwischen 25 und 50 Jahre alt. 2 Prozent sind älter, 19 Prozent jünger

Artikel vom 04.08.2017
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