Teil 2 des Gesprächs mit Robert Reisinger, Präsident des TSV München von 1860 e.V.

»Mit der nötigen Geduld und Sachkunde«

Will neue Organisationsformen beim TSV 1860: Präsident Robert Reisinger. Foto: Anne Wild

Will neue Organisationsformen beim TSV 1860: Präsident Robert Reisinger. Foto: Anne Wild

München/Giesing · Der Verwaltungsrat des TSV München von 1860 e.V. hat für den noch in der Nacht des Abstiegs zurückgetretenen Peter Cassalette, Robert Reisinger (53) als Übergangspräsidenten ernannt. Auf der Mitgliederversammlung des Vereins am kommenden Sonntag muss Reisinger von den Mitgliedern für die restliche Amtszeit bis 2019 per Abstimmung bestätigt werden. Die Münchner Wochenanzeiger sprachen mit Reisinger über die Ereignisse der letzten Wochen (Teil 2 von 2).

Lesen Sie hier Teil 2 des zweiteiligen Gesprächs. Teil 1 finden Sie unter: www.wochenanzeiger.de/article/193408.html.

Herr Reisinger, das Interesse an Dauerkarten beim TSV 1860 scheint für die Verhältnisse in der Regionalliga enorm zu sein – teilweise kam es zu sehr langen Warteschlangen an der Grünwalder Straße. Viele Fans sind verärgert über das knappe Zeitfenster für Bestellungen. Manche berichten von chaotischen Zuständen im Kartenverkauf und fehlerhafter Software im Online-Ticketing.

Der Ärger ist berechtigt, die Abläufe waren nicht optimal. Das Online-Ticketing läuft über einen externen Dienstleister. Bei uns in der Kartenstelle arbeiten auch nur Menschen. Ich bitte einfach um Verständnis, wenn aufgrund der Hektik und des Drucks nicht alles reibungslos funktioniert. Ich hätte mir gewünscht, dass mehr Zeit zur Vorbereitung bestanden hätte.

Waren Sie eigentlich überrascht über die hohe Nachfrage?

Stark gehofft, dass es so sein würde, habe ich. Jeder einzelne Fan trägt mit dem Kauf seiner Dauerkarte zum Neuanfang bei. Jedes Mitglied stützt mit seinem Beitrag die Nachwuchsarbeit beim TSV 1860 München. Zusammen mit allen Förderern und Partnern bilden diese Löwen das Rückgrat unseres Vereins. Ich finde die Solidarität, die der TSV 1860 von allen Seiten erfährt, großartig. Allein seit dem erzwungenen Abstieg sind mehr als 1.500 Neumitglieder unserem Verein beigetreten.

Warum wurde der Kartenverkauf dann nicht im Vorfeld besser organisiert, wenn doch damit zu rechnen war?

Das weiß ich nicht im Detail. Ich arbeite auch nicht im Ticketing. Aber ich möchte den Menschen dort nicht ihr Bemühen absprechen. Jeder Mitarbeiter engagiert sich nach Kräften. Das waren Startschwierigkeiten – es wird sich einspielen.

Rollstuhlfahrer sollen im Grünwalder Stadion nur noch zehn Plätze zur Verfügung haben?

Ja, das hab ich gehört. Es handelt sich um zehn Plätze im Block O vor der Stehhalle. Wir versuchen, daran was zu ändern, wenn mehr Löwenfans im Rollstuhl regelmäßig die Spiele sehen wollen. Aber das liegt nicht in unserer Hand – eine entsprechende Erlaubnis kann nur das Sportamt der Stadt erteilen, nicht der TSV 1860 München. Hilfreich ist, wenn Fans mit Handicap, die aus Kapazitätsgründen keine Karte mehr bekommen, sich bei unserem Behindertenbeauftragten Oliver Lilienthal und zugleich beim Behindertenbeauftragten der Stadt München Oswald Utz melden. Das anhaltende Interesse und die zu geringe Kapazität müssen dauerhaft benannt werden.

Informell und weniger kompliziert geht das nicht?

Ich würde es sofort machen, wenn ich könnte, glauben Sie mir. Ich kann leider nicht. Das muss den vorgeschriebenen Weg über die Behörden nehmen. Aber wir sind dran an dem Thema. Der TSV 1860 München ist ein Verein, dem Inklusion viel bedeutet. Seit September letzten Jahres gibt es im e.V. beispielsweise eine eigene Abteilung für Behindertensport mit Birgit Kober an der Spitze, die auch von unserem Hauptsponsor »Die Bayerische« unterstützt wird. Schon länger in der Fußballabteilung des e.V. engagiert sind die Blindenfußballer. Auch jeder Fan mit Handicap ist uns beim TSV 1860 sehr willkommen – nur können wir uns bei der Kapazität im Stadion nicht über die zuständigen Stellen hinwegsetzen.

Wie sieht die Zukunft des TSV 1860 München im Nachwuchsbereich aus – kann das Nachwuchsleistungszentrum in seiner jetzigen Form überhaupt gehalten werden?

Wir wollen, können und werden unsere Nachwuchsarbeit mit der gleichen Intensität wie bisher betreiben. Unser aller Augenmerk ist darauf gerichtet. Im Nachwuchsleistungszentrum geht die Förderung unserer Talente weiter wie bisher. Hier werden wir keinerlei Abstriche machen.

Aber Sie müssen doch in der Fußballabteilung auf Geld verzichten? Sie haben fällige Transferzahlungen der KGaA an den e.V. für die Nachwuchsausbildung gestundet – das war überall zu lesen.

Auch der e.V. hat als Gläubiger der KGaA einen Beitrag zur Fortführung der Gesellschaft geleistet, das ist richtig. Wir sind nicht auf Rosen gebettet, aber jederzeit in der Lage, die Ausbildung auf hohem Niveau fortzuführen. Nehmen Sie als Beleg dafür die Rückkehr von Jürgen Jung als Jugendkoordinator im Leistungsbereich – die geschah auf Initiative der Fußballabteilung. Jung ist im e.V. angestellt und wird zusammen mit Roy Matthes und Wolfgang Schellenberg die hohe Qualität der Ausbildung bei den Junglöwen sichern. Dafür gibt es ein klares Konzept.

Investor Hasan Ismaik wollte die Jugendmannschaften des TSV 1860 en gros vom e.V. in die KGaA überführen – das soll sogar Teil seiner Forderungen zur Stundung seines Darlehens gewesen sein.

Ich möchte zu Vereinbarungen der Gesellschafter untereinander nicht Stellung nehmen. Aber die von Ihnen genannte Forderung wurde von unserem Mitgesellschafter öffentlich erhoben, deshalb kann ich sie bestätigen. Ich kann Ihnen aber auch sagen, dass wir dieser Vorstellung weder entsprechen konnten noch wollten. Die Statuten des Bayerischen Fußball-Verbandes lassen so etwas auch gar nicht zu. Meine organisatorische Vorstellung für die Zukunft ist eine andere.

Nämlich?

Mir schwebt mittelfristig das Modell einer Stiftung vor, ähnlich wie das beim SC Freiburg im Nachwuchsfußball organisiert ist. Wenn die erste Mannschaft wieder unter dem Dach des DFB oder der DFL spielt, wird sich die Frage erneut stellen. Bis dahin will ich das konzeptionell ausgearbeitet haben.

Wie soll der TSV 1860 München mit seiner ersten Mannschaft ohne Investorengelder wieder auf einen grünen Zweig kommen? Von Hasan Ismaik dürfte nichts mehr zu erwarten sein?

Ob und in welcher Form sich unser Mitgesellschafter finanziell beim TSV 1860 München an einem Neuaufbau beteiligen will, vermag ich im Augenblick nicht zu prognostizieren.

Sind Sie auf der Suche nach anderen Investoren?

Der TSV 1860 München ist nach wie vor ein interessanter Klub. Ich bin offen für Menschen, die sich finanziell im Profifußball engagieren möchten und an einer verlässlichen partnerschaftlichen Zusammenarbeit interessiert sind. Meine Überzeugung ist, dass ein nachhaltiges Investment in den TSV 1860 München Spaß machen und sowohl für den Verein wie auch für die Profi-Fußballgesellschaft gewinnbringend sein kann. Vorausgesetzt, es existieren gemeinsame realistische Zielvorstellungen und die Umsetzung erfolgt mit der nötigen Geduld und Sachkunde.

Interview: Alfons Seeler

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Artikel vom 21.07.2017
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