Gespräch mit Robert Reisinger, Präsident des TSV München von 1860 e.V.

»Eine Welle der Solidarität«

Beim Saisonstart der Löwen in Memmingen: Präsident Robert Reisinger. Foto: Anne Wild

Beim Saisonstart der Löwen in Memmingen: Präsident Robert Reisinger. Foto: Anne Wild

München/Giesing · Der Verwaltungsrat des TSV München von 1860 e.V. hat für den noch in der Nacht des Abstiegs zurückgetretenen Peter Cassalette, Robert Reisinger (53) als Übergangspräsidenten ernannt. Auf der Mitgliederversammlung des Vereins am kommenden Sonntag muss Reisinger von den Mitgliedern für die restliche Amtszeit bis 2019 per Abstimmung bestätigt werden. Die Münchner Wochenanzeiger sprachen mit Reisinger über die Ereignisse der letzten Wochen (Teil 1 von 2).

Lesen Sie hier Teil 1 des zweiteiligen Gesprächs. Teil 2 folgt am Freitag, den 21. Juli 2017.

Herr Reisinger, ist der TSV 1860 München nach dem Abstieg finanziell über den Berg?

Die Verhandlungen mit allen Partnern waren intensiv und langwierig, aber letztlich erfolgreich. Markus Fauser hat als Geschäftsführer wie von uns erhofft sehr gute Arbeit geleistet. Es gibt eine Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern, die eine Sanierung und Fortführung der Gesellschaft grundsätzlich ermöglicht. Darüber sind wir alle froh. Jetzt gilt es, den eingeschlagenen Weg weiter zu gehen.

Hasan Ismaik soll dafür ein im Jahr 2018 fälliges Darlehen gestundet haben. (Anmerkung Redaktion: Als Stundung wird das Aufschieben einer fälligen Zahlung bezeichnet.)

Unser Mitgesellschafter hat sich nach reiflicher Überlegung dazu entschlossen – das war ein wichtiger Schritt.

Die öffentliche Ankündigung dafür war von der Investorenseite lang schon erfolgt. Warum dann die Zitterpartie?

Die konkrete Ausgestaltung der Bedingungen für diesen Schritt erwies sich als nicht ganz einfach.

Sie hatten öffentlich erklärt, keinen Redebedarf mit Ismaik zu haben. Hat das die Gespräche erschwert?

Nein, das wurde auch in einem falschen Zusammenhang wiedergegeben. Ich hatte auf Nachfrage eines Journalisten, ob ich in direktem persönlichem Kontakt mit unserem Mitgesellschafter stünde, erklärt, in meiner Rolle als Präsident des e.V. zum Zeitpunkt der Frage keinen Redebedarf zu sehen und das war auch richtig so. Wir hatten eben erst gegen den erklärten Willen unseres Mitgesellschafters durch Pochen auf die 50+1-Regel Markus Fauser als Geschäftsführer durchgesetzt. Alle standen noch unter dem Schock der Nichtlizenzierung für die Dritte Liga.

Erst nachdem Fauser sich einen Überblick über die Finanzen der Gesellschaft verschafft und Bericht erstattet hatte, machten Gespräche überhaupt Sinn. Die Gremien standen im Anschluss daran in einem regen Austausch mit den Vertretern und Anwälten unseres Mitgesellschafters. Es bestand immer Kontakt und es fanden viele Gespräche statt. Beide Gesellschafter mussten ihrer individuellen Verantwortung für das gemeinsame Unternehmen gerecht werden. Der e.V. hat im Rahmen seiner Möglichkeiten alles, aber auch wirklich alles, dafür getan.

Noch einmal: warum haben die Verhandlungen so lange gedauert? Für Mitarbeiter und Fans war die Ungewissheit quälend.

Dafür habe ich vollstes Verständnis. Wir waren auch mehrfach an einem Punkt, an dem wir dachten, Einigkeit erzielt zu haben, alle Vereinbarungen lagen schriftlich vor, ehe in letzter Minute wieder neue Forderungen erhoben wurden, die hinsichtlich ihrer praktischen Auswirkungen und verbandsrechtlichen Gültigkeit erneut Fragen aufwarfen. Wir sind dabei unserem Mitgesellschafter so weit wie nur irgend möglich entgegen gekommen.

Am Ende gab es aber eine Lücke im Etat, die der Sponsor »Die Bayerische« geschlossen hat?

Es gab keine Lücke im Etat, sondern es musste überhaupt erst einmal ein Finanzplan für die Regionalliga aufgestellt und der Umgang mit Altlasten geklärt werden. Danach war der Bedarf für die kommenden zwei Jahre erkennbar. »Die Bayerische« ist für den TSV 1860 München ein verlässlicher Partner. Nicht zuletzt ihrem Engagement ist es zu verdanken, dass die Gesellschaft fortgeführt werden kann. Aber auch viele andere Sponsoren haben sich auf bemerkenswerte Weise zum TSV 1860 München bekannt. Das ist ein starkes Signal.

Aber steht das Darlehen eines Sponsors nicht im Widerspruch zu Ihrer Aussage, keine neuen Schulden mehr aufnehmen zu wollen?

Ich hatte öffentlich ein Ende der bisherigen Politik des immer mehr Schuldenmachens verlangt. Mit mir als Präsident wird die Gesellschaft keine weiteren Darlehen bei unserem Mitgesellschafter aufnehmen. Dazu stehe ich. Der TSV 1860 München muss mit seiner Profi-Fußballgesellschaft auf eigene Beine kommen. Es gibt jedoch Verpflichtungen aus der Vergangenheit, die die Gesellschaft nicht abschütteln kann. Wir sind kein normaler Regionalligist.

Hasan Ismaik soll für die Stundung seiner im Jahr 2018 fälligen Darlehen den Rücktritt mehrerer ihm unliebsamer Funktionäre im e.V. verlangt haben?

Wer den e.V. vertritt, bestimmen die Mitglieder unseres Vereins in demokratischen Wahlen und niemand sonst. Mehr gibt es aus meiner Sicht dazu nicht zu sagen.

Von außen betrachtet wirkt es, als hätte Ismaik sich komplett verzockt. Bei seinem Einstieg vor sechs Jahren erklärte er, das Geld, das er beim TSV 1860 München einsetzen würde, sei ein vergleichsweise kleines Investment für ihn. Letzte Saison ging er »all in«, wollte beweisen, dass er den Profifußball mit Hilfe externer Berater besser versteht und erfolgreicher zu gestalten weiß, als die von ihm gerne kritisierten Funktionsträger beim TSV 1860 München wie beispielsweise Ex-Sportdirektor Oliver Kreuzer. Ismaiks Spiel ging verloren und er wollte, aus welchen Gründen auch immer, kein Geld mehr einsetzen, um weiter zu machen. Und zwar weder in der Zweiten Liga noch in der Dritten. Selbst wenn das Relegationsspiel gewonnen worden wäre – das anschließende Szenario wäre kein anderes gewesen. Zudem hatten ihm seine Berater signalisiert, bei einem Abstieg in die vierte Liga könne er 50+1 aushebeln, weil die Regelung dort nicht in den Statuten verankert sei. Auch dieser Glaube erwies sich am Ende als Trugschluss.

Ich würde Ihre Darstellung nicht grundsätzlich in Abrede stellen. Einige Indizien sprechen dafür.

Im Zentrum mancher Kritik steht die Entscheidung die Allianz Arena zu verlassen und ins Grünwalder Stadion zurück zu kehren. Es heißt, der Klub habe dort keine Perspektive mehr auf Profifußball.

Ich bin kein Fetischist, was das Grünwalder Stadion anbelangt, und sehe durchaus die Probleme dort. Aber aus wirtschaftlicher Sicht war die Kündigung der Verträge in der Allianz Arena völlig unumgänglich. In der Regionalliga und auch in der Dritten Liga ist das Grünwalder Stadion die geeignete Spielstätte für uns. Auch unser Mitgesellschafter hat nach Vorliegen der Konditionen und Rahmenbedingungen dafür votiert. Wenn der sportliche Erfolg – den wir uns alle wünschen – den TSV 1860 München wieder zurück in die Zweite Liga führt, wird der Klub sich hinsichtlich seiner Spielstätte neu orientieren müssen. Aber das ist Zukunftsmusik. Wir müssen uns mit dem Hier und Jetzt beschäftigen. Träumereien waren lange genug Grundlage des Handelns beim TSV 1860.

Was meinen Sie konkret mit Träumereien?

Seit zwölf Jahren sprechen Funktionäre davon, den angeblich nur schlafenden Riesen TSV 1860 München zu neuem Leben erwecken zu wollen – das ist nie gelungen. Trotz teilweise hohen finanziellen Einsatzes. Vielleicht ist ein Schritt zurück eine Chance sich neu zu sammeln. Was mich positiv überrascht hat, war die Welle der Solidarität von Mitgliedern und Partnern nach dem erzwungenen Abstieg. Der TSV 1860 braucht vor allen Dingen endlich Kontinuität über einen längeren Zeitraum hinweg. Die ständigen Personalwechsel auf allen Positionen haben in meinen Augen mehr Unheil als Nutzen gebracht.

Welche sportlichen Ziele haben Sie für den TSV 1860 München?

Ich will grundsätzlich immer den bestmöglichen sportlichen Erfolg. Was das dann bedeutet, ist situationsabhängig. Ich kann nicht in der Regionalliga spielen und von der Champions League faseln. In der Regionalliga muss das sportliche Ziel sein um den Aufstieg zu spielen. Ist das geschafft, können neue Ziele ausgegeben werden. Ich möchte, dass sich der TSV 1860 München Schritt für Schritt entwickelt, gerne auch in Zusammenarbeit mit einem Investor, aber immer auf gesunder wirtschaftlicher Basis, nicht mehr mit Luftschlössern.

Interview: Alfons Seeler

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Artikel vom 19.07.2017
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