Radlfreier Marienplatz

München · Interessenvertreter kämpfen für Erhalt der Radldurchfahrt

Unübersehbar machten die Initiatoren von SOR am vergangenen Montag genau auf dem umstrittenen Straßenstück Werbung für ihr Anliegen. Foto: Green City, André

Unübersehbar machten die Initiatoren von SOR am vergangenen Montag genau auf dem umstrittenen Straßenstück Werbung für ihr Anliegen. Foto: Green City, André

München · Wem gehört die Fußgängerzone? Die Bezeichnung mag ein Hinweis sein, doch sie ist rein technischer Natur. Die Fußgängerzone sperrt als Erstes mal den motorisierten Verkehr aus. Radfahrer dürfen ganz offiziell nicht durchfahren. Erlaubt ist das nur an der Ostseite des Marienplatzes, vom Rindermarkt Richtung Tal oder Dienerstraße, denn dieser Bereich gehört nicht zur Fußgängerzone. Bis jetzt.

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Seit Montag ist diese Durchfahrt gesperrt. Grund ist der Umbau der Buchhandlung Hugendubel. Der dauert nicht ewig. Jedoch: Der Stadtrat hatte bereits im November beschlossen, die Durchfahrt für Busse, Taxis und Radfahrer auch nach dem Abschluss der Baumaßnahmen nicht wieder freizugeben. Interessenvertreter der Zweiradfahrer, darunter die Grünen, Green City e.V., der ADFC und der BUND Naturschutz, protestieren seitdem energisch gegen diese Entscheidung; am vergangenen Montag, anlässlich der erfolgten Sperrung, direkt vor Ort, ganz plakativ. Sie haben mit anderen Institutionen die Initiative SOR ­(SaveOurRadler) ins Leben gerufen. Die Mehrheit im Stadtrat, getragen von den kooperierenden Fraktionen von SPD und CSU, hatte die Erweiterung der Fußgängerzone auf den gesamten Marienplatz beschlossen. Das heißt: keine Radfahrer mehr, aber auch keine Busse und Taxis mehr. Und keine Durchfahrt mehr für Münchenbesucher in der Rikscha.

Die Sprecher der beiden Fraktionen verteidigen ihre Entscheidung. Alexander Reissl (SPD): »Der bisherige Zustand war für alle unbefriedigend: Zum einen für die Fußgänger, die gar nicht realisiert haben, dass da am Marienplatz eine Fahrbahn ist, achtlos über die Straße gingen und aufschreckten, wenn dann ein Radler kam. Aber auch für die Radler, die sich durch die Menschenmassen schlängeln und jede Sekunde damit rechnen mussten, dass ihnen jemand vors Fahrrad läuft. Wir sind zuversichtlich, dass sich die anfänglichen Vorbehalte rasch in Wohlgefallen auflösen werden, wenn sich eine neue Radroute etabliert hat, die mit Sicherheit stressfreier und komfortabler als die jetzige sein wird.«

Um diese Route geht es den Pedalrittern im Kern der Angelegenheit. Sie sehen die Nord-Süd-Querung der Innenstadt auch per Rad als essenziell an. Die Ausweichroute über den Viktualienmarkt, die Sparkassenstraße, die Alfons-Goppel-Straße und den Hofgarten lehnen sie ab. »Kurios wäre es, wenn gerade in einer Radl­hauptstadt die Bürgerinnen und Bürger nicht an ihrem Rathaus vorbeiradeln dürfen«, sagt Dominic Staat vom Rikscha-Service Pedalhelden. Er ruft die Münchner auf, die von SOR gestartete Petition gleichen Namens unter www.SOR.bike virtuell zu unterschreiben und sich so für den Erhalt der Nord-Süd-Querung über den Marienplatz einzusetzen. Oder eben nicht, wenn man den Argumenten der Stadtratsmehrheit folgt. Hans Podiuk (CSU): »Auf dem Marienplatz haben jetzt die Fußgänger Vorfahrt. Durch unsere klare Regelung schützen wir die schwächste und zahlenmäßig vorherrschende Mobilitätsgruppe vor dem Verkehrschaos an dieser Stelle. Mit der schon oft beschriebenen Nord-Süd-Radverbindung bauen wir eine parallel verlaufende Strecke radltauglich um.« Ist doch eigentlich gut durchdacht, oder?

Bündnis SOR: »Produktive Jahre der hohen ­Bürgerbeteiligung wurden vom Tisch gefegt«

Das sehen die SOR-Verteidiger anders: »Damit verlagert man doch nur das Zusammentreffen von Fußgängern, Taxis, Radfahrern, Bussen und Rikschas auf die Kustermannfahrbahn am Viktualienmarkt«, ist Dominik Lypp vom BUND Naturschutz sich sicher. »Bislang nutzen diese lediglich 1.800 Radfahrer pro Tag, jedoch 8.000 die Route über den Marienplatz. Somit ist künftig mit einer Verfünffachung des Radverkehrs auf der neuen Route zu rechnen.«

Durch den Mehrheitsbeschluss von SPD und CSU seien »produktive Jahre der hohen Bürgerbeteiligung« sowie der Mitwirkung der Verbände mit einer schnellen Entscheidung vom Tisch gefegt worden. »Demokratie geht anders«, sagt Thomas Schmidt von den Lastenradlern. »Das werden wir nicht hinnehmen.«

Doch SOR will es nicht auf eine Konfrontation ankommen lassen, sondern sucht den Dialog, den sich die Initiative auch vorab aus dem Rathaus gewünscht hätte. Der Lösungsansatz: Die baulich bedingte Sperrung des Marienplatzes gebe eine Chance, die Verkehrsflüsse und Konfliktbereiche während der Bauphase zu analysieren und Lösungen zu entwickeln, sagt Andreas Schuster von Green City e.V. – also vor allem: gemeinsam. Darauf muss sich der Stadtrat allerdings auch einlassen. Sonst steht jetzt schon fest, dass der Durchlass am Marienplatz für Radfahrer dauerhaft geschlossen bleibt. Außer für diejenigen, die ihr Rad schieben. Das ist in der Fußgängerzone nämlich erlaubt, für Radfahrer aber leider völlig sinnfrei.

cr

Artikel vom 20.02.2016
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