Reisen mal ganz anders

München · Andere Kulturen ganz nah erleben und dabei helfen

Leben wie die Einheimischen, das heißt auch arbeiten auf dem Feld. Für Claudia Lüttel (links) war das eine neue Erfahrung.	Foto: privat

Leben wie die Einheimischen, das heißt auch arbeiten auf dem Feld. Für Claudia Lüttel (links) war das eine neue Erfahrung. Foto: privat

München · Eine Meinung zu haben, ist gut. Eine Meinung zu bilden, ist schwierig. Nur allzu gern verlassen wir uns auf das, was mutmaßlich vertrauenswürdige Zeitgenossen aussprechen.

Selbst alle wichtigen Fakten für eine fundierte Meinung einzuholen, das sprengt in vielen Fällen den Rahmen der Möglichkeiten. Aber es lohnt sich. Diese Erfahrung hat die Münchnerin Claudia Lüttel gemacht.

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Artikel vom 12.02.2016: Samstagsblatt München-Redakteur Carsten Clever-Rott über den richtigen Weg

Sie ist über das Mit-Reiseprojekt des Vereins LebKom e.V. im hessischen Fulda nach Kenia gekommen und hat dort ein ganz neues Bild von Afrika entwickelt. Ihr vorheriger Eindruck war bei einer früheren Reise weiter südlich entstanden und von Frustration geprägt. »Mein Afrikabild hat sich sehr verändert«, sagt sie mit Bild auf Frauenprojekte des Vereins in dem ostafrikanischen Land.

Die Projekte werden von Frauengruppen vor Ort maßgeblich angestoßen, gestaltet und realisiert. Die Frauengruppen sind in Kenia durchaus etabliert und anerkannt. Viel leichter haben sie es deswegen aber nicht. Sie müssen sich mit vielen Argumenten und viel Geduld zu ihren Zielen durchkämpfen. Der Widerstand ist zwar gering, die Unterstützung durch Regierung und Verwaltung aber genauso. Das hat Claudia Lüttel erlebt. Das und mehr. »Wir leben dort mit den Menschen zusammen«, erklärt die Lehrerin in der Erwachsenenbildung. Die Teilnehmer der Mit-Reiseprojekte machen, was die Einheimischen ­machen. Sie essen, was die Einheimischen essen. Sie arbeiten zusammen und verbringen Zeit miteinander. Sie lernen sich gegenseitig verstehen. Es ist kein Pauschalurlaub de Luxe. Ganz im Gegenteil: In Kenia kommen die Menschen im Alltag mit einfachster Infrastruktur zurecht. Für Deutsche bei aller Vorbereitung eine Umstellung.

Das Mit-Reiseprojekt bereitet die Teilnehmer an einem Wochenende auf das vor, was sie erwartet. Kultur, Mentalität, Lebenswirklichkeit. »Das ist eine andere Art von Reisen«, berichtet Lüttel. Das Reiseprogramm wird an die Wünsche der Teilnehmer angepasst. Es gibt einen Reiseleiter, der sich um die Organisation kümmert. Klingt doch ganz angenehm. Ist aber alles andere als ein Full-Service. Die Mitreisenden schauen sich die Projekte vor Ort an. So haben die Frauen den Bau einer Secondary School (weiterführende Schule) realisiert. Auch eine Gesundheitsstation wurde errichtet. Sie schaffen aus dem Nichts eine Infrastruktur, weil sie auch gar keine andere Wahl haben. Fließend Wasser? Gibt’s auf dem Land nicht. Mit Plastikkanistern Wasser von der Wasserzapfstelle holen, das ist die Wirklichkeit. Hierzulande ist es kaum vorstellbar, so zu leben. In Kenia wäre eine Infrastruktur, wie wir sie hier kennen, der reine Luxus. Und trotzdem kommen die Menschen dort mit dem Leben klar. Sie machen das daraus, wozu sie imstande sind und das ist nicht wenig. Zwei Faktoren spielen dabei eine wichtige Rolle: die Unterstützung des Vereins LebKom und die Frauenpower, die Claudia Lüttel mit großem Respekt sieht. Zwei Wochen Kenia, Lüttel hat das jetzt schon dreimal aus nächster Nähe erlebt: »Man betrachtet sein Leben danach mit anderen Augen«, weiß sie aus dieser Erfahrung.

Etwas anderes hat sie auch selbst erlebt: »Ich habe diese Leute nie im Stress gesehen. Sie sehen alles viel entspannter.« Manchmal mag das ein Hemmnis sein, aber Claudia Lüttel sieht das anders: »In mancher Hinsicht sind sie uns voraus.«

Anders reisen, nachhaltig reisen. Als Gastgeber profitieren die Frauengruppen von den Mit-Reiseprojekten. Sie verdienen sich damit Geld, das sie in ihre Projekte stecken. Das ist keine »Entwicklungshilfe«, sondern Bezahlung für Kost und Logis – im herkömmlichen Tourismus gang und gäbe.

Die Mit-Reisenden profitieren von ihren neuen Eindrücken und Erfahrungen. So sagte eine Teilnehmerin hinterher: »Kenia ist so grün, so fruchtbar, nicht arm, wie ich es mir vorgestellt habe.« Wohl dem, der sich eine eigene Meinung bilden kann. Von Carsten Clever-Rott

Artikel vom 12.02.2016
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