Claudia Tausend (SPD) zur aktuellen Flüchtlingsproblematik

Deutschland ist ein starkes Land, wir schaffen das

Claudia Tausend

Claudia Tausend

München · Tausende Flüchtlinge kommen über Ungarn nach München. Was sagen die Münchner Bundestagsabgeordneten der Berliner Regierungskoalition dazu? Antworten von Claudia Tausend (SPD, München-Ost).

Wie kann die Politik Vorbehalte, Verunsicherung und Ängste der Bürger entkräften? Wird das in ausreichender Form gemacht?

Claudia Tausend: Wir erleben gerade eine beispiellose Welle der Solidarität und des Engagements für Flüchtlinge in der Bevölkerung. Hier müssen wir unterstützen und Initiativen stärken. Vorbehalte in der Bevölkerung lassen sich am besten dadurch begegnen, die Anstrengungen offen zu benennen, die vor uns liegen: Sigmar Gabriel nannte die Flüchtlingssituation kürzlich die größte innenpolitische und europapolitische Herausforderung der Gegenwart. Aber Deutschland ist ein starkes Land, wir schaffen das. Die große Koalition hat diese Woche ein erstes Maßnahmenpaket vorgelegt - dies ist ein guter Anfang. Wir werden aber auch in den kommenden Jahren mit ganzem Einsatz dafür arbeiten, Schutzsuchende menschenwürdig aufzunehmen und in unsere Gesellschaft zu integrieren.

Um die Flüchtlingsströme zu verringern, muss die Situation in den Herkunftsländern verbessert werden. Wie kann das Ihrer Meinung nach in Syrien umgesetzt werden?

Claudia Tausend: Es ist klar, dass Menschen so lange fliehen, wie sie zuhause von Tod und Vertreibung bedroht werden. Deutschland gehört seit Beginn der Syrien-Krise 2012 zu den größten Gebern und hat über eine Milliarde Euro zur Verfügung gestellt. Die Versorgung der Menschen mit Nahrungsmitteln und Trinkwasser, der Zugang zu Gesundheitseinrichtungen, die Bereitstellung von Unterkünften und die Sicherstellung einer schulischen Ausbildung für die vom Konflikt betroffenen Kinder stehen im Mittelpunkt unserer Anstrengungen. Langfristig kann die Syrien-Krise nur durch internationales diplomatisches Engagement gelöst werden. Frank-Walter Steinmeier leistet hier unermüdliche Arbeit.

Auch in den Balkanländern, aus denen zurzeit zahlreiche Menschen nach Deutschland kommen und um Asyl ersuchen, herrschen zum Teil sehr schwierige Lebensumstände. Muss die deutsche Politik hier nicht auch darauf hinwirken, dass die Lebensumstände in diesen Ländern nachhaltig verbessert werden?

Claudia Tausend: Auch hier gilt, dass vordringlich die Situation in den Herkunftsländern verbessert werden muss. Wir helfen auf dem Balkan bereits auf verschiedenste Weise - eine dauerhafte Verbesserung der Lage sehe ich aber nur, wenn wir allen Balkanstaaten eine langfristige Beitrittsperspektive in die EU in Aussicht stellen. Die Osterweiterung der EU vor zehn Jahren hat doch gezeigt: Die Annäherung an die EU ist der stärkste Motor für Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Wohlstand.

Wie bewerten Sie die Vorgänge am Münchner Hauptbahnhof, wo zahlreiche freiwillige Helfer die Betreuung der ankommenden Flüchtlinge übernehmen, während der Staat sich auf seine minimalen Aufgaben zurückzieht?

Claudia Tausend: Ich bin überwältigt von der Hilfsbereitschaft Münchens! Viele Menschen haben sich auf den Weg gemacht, die ankommenden Flüchtlinge am Hauptbahnhof jubelnd zu begrüßen und sich um sie zu kümmern. Von der Studentin bis zum Rentner haben viele Münchnerinnen und Münchner hier Menschlichkeit gezeigt, indem sie Sachspenden vorbeigebracht haben, unermüdlich Essen ausgegeben oder Kleider sortiert haben. Dafür kann ich nur ein herzliches, aufrichtiges Dankeschön sagen. Sie haben das Münchner Motto einer Weltstadt mit Herz mit Leben gefüllt.

Auch den Behörden gebührt Lob. Dies ist eine besondere Notsituation, von der die Behörden überrascht wurden. Deutschland hatte am Freitagabend in einer Sonderentscheidung der Ausreise der Flüchtlinge aus Ungarn zugestimmt. Umso beeindruckender was die Stadtverwaltung, die Bundespolizei, die Münchner Feuerwehr, die Hilfswerke und die Regierung von Oberbayern in der Kürze der Zeit auf die Beine gestellt hat. Zudem haben unsere Bürgerinnen und Bürger nicht lange gefackelt und Hilfsbereitschaft gezeigt. In gewisser Weise sind sie damit in Vorleistung gegangen und können nun natürlich zu Recht erwarten, dass der Staat seinerseits schnell handelt.

Artikel vom 09.09.2015
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