Dächer, die aussehen wie überdimensionierte Pilzhüte und bis auf den Boden reichen, Türme, die märchenhaft in den Himmel ragen: Solchen und anderen bizarren Bauformen ist in Grünwald künftig per Gesetz ein Riegel vorgeschoben. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die bereits seit Februar 2005 gültige, neue Ortsgestaltungssatzung (OGS) jetzt für rechtmäßig befunden. Damit dürften die lang anhaltenden, hitzig geführten Diskussionen im Gemeinderat endgültig der Vergangenheit angehören.
ein vehementer Verfechter des immer wieder heftig bekämpften Regelwerks, sieht sich in seiner Politik bestätigt: »An der Wirksamkeit der von der Gemeinde erlassenen Vorschriften bestehen keine Zweifel«, hält er fest. Das Gericht hebe mit seinem Beschluss darauf ab, »dass es ein legitimes Ziel der Gemeinde sei, den historisch begründeten Grünwalder Villenstil zu erhalten und zu fördern«.
Der richterliche Beschluss indirekt ist er auch eine Entscheidung, die an den Kern des Selbstverständnisses in der reichsten Gemeinde der Bundesrepublik rührt. Denn nirgendwo wird das Prinzip der Individualität stärker gelebt als in der Villen-Gemeinde vor den Toren der Landeshauptstadt. Zumindest in puncto Wohnkultur. Lange Zeit waren vor allem im Ortsteil Geiselgasteig baulichem Wildwuchs Tür und Tor geöffnet. Nahezu jeder Bauherr hatte die Freiheit, sein Anwesen nach seinen ganz speziellen Vorstellungen zu gestalten. »In Grünwald darf jeder bauen, wie er will«, munkelten Spötter.
Das änderte sich im Februar 2005, als die Gemeinde die OGS komplett überarbeitete und wesentlich restriktivere Regeln vorschrieb. Eine beispielsweise sieht vor, dass der Kniestock (eine über die Decke hinaus gemauerte Außenwand, auf der die Dachkonstruktion aufliegt, Anm. d. Red.) nur noch maximal 75 Zentimeter hoch sein darf. Das wiederum bedeutet, dass Dachgeschosse nicht mehr beliebig ausgebaut werden können eine Vorgabe, die vor allem für die PBG ein rotes Tuch war und in den Wahlkampf 2008 einfloss. »Die Möglichkeiten für ordentliche Wohnflächen im Dachgeschoss von Neubauten wird durch die Bestimmungen der Grünwalder Ortsgestaltungssatzung wesentlich verschlechtert«, zürnte die Freien-Gruppierung.
In den Sitzungen flogen bisweilen die Fetzen, Neusiedl musste großem Druck standhalten. »In der Tat hat sich die PBG im Gemeinderat vehement gegen die Ortsgestaltungssatzung gestemmt«, räumte der Rathauschef ein, fügt aber hinzu, dass dies »bei den demokratischen Entscheidungen in einer Gemeinde legitim und auch zielführend« sei. Dennoch: An der Überarbeitung der OGS habe kein Weg vorbei geführt, insistiert Neusiedl: »Die Schwierigkeit lag von Anfang an im Bestreben der Gemeinde, Bausünden der Vergangenheit künftig nicht mehr zuzulassen. Diese Bausünden waren vielfältig angefangen von der ungeregelten Dachgestaltung über Einfriedungen bis hin zu kuriosen Beispielen für Werbeanlagen.« Man dürfe allerdings nicht vergessen, dass Grünwald nahezu vollständig bebaut sei: »Regelungen innerhalb eines Baubestandes sind niemals einfach. Trotz alledem ist es uns gelungen, eine rechtlich zulässige und praktisch handhabbare Regelung zu Wege zu bringen«, erklärte das Gemeindeoberhaupt.
Unter anderem waren damals die bis dahin 61 ausgewiesenen Teilgebiete zu drei großen Baugebieten zusammengefasst worden. Zwischen 2005 und 2007 waren knapp 640 neue Bauanträge eingegangen, die unter der Gültigkeit der neuen OGS standen. Die jedoch war nicht nur stillschweigend akzeptiert worden, sondern hatte auch Gegner auf den Plan gerufen: So war eine Grünwalderin vor Gericht gezogen, um gegen die Vorgaben aus dem neuen Regelwerk zu protestieren. Konkret ging es um den Ausbau des Dachgeschosses ihres Anwesens: Die Gemeinde hatte die geplante Form der Dachgauben nicht zugelassen, da sie gegen die neue OGS verstießen. Daraufhin hatte die Frau beim Verwaltungsgericht Klage erhoben vergeblich: Der zuständige Richter hatte die Satzung für rechtmäßig befunden. Auch der Gang vor den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof blieb ohne Erfolg für die Klägerin. Die neue Satzung sei nicht nur »in jeder Hinsicht rechtmäßig«, sondern vielmehr »geboten«, befand das richterliche Gremium. Neusiedl sieht die Gemeinde auf einem guten Weg: Den vielfachen Versuchen, die Ortsgestaltungssatzung zu torpedieren und sie gar als »rechtswidrig oder verfassungsfeindlich« hinzustellen, sei eine Absage erteilt worden: »Sie ist vielmehr geboten, um eine verträgliche Gestaltung des Ortsbildes in Grünwald dauerhaft sicherzustellen«, meint der Rathauschef. mst