Veröffentlicht am 19.07.2018 00:00

Privatangelegenheiten und ein Löwen-Leak

Kursbestimmung: Die Mitglieder des TSV 1860 München.  (Foto: Anne Wild)
Kursbestimmung: Die Mitglieder des TSV 1860 München. (Foto: Anne Wild)
Kursbestimmung: Die Mitglieder des TSV 1860 München. (Foto: Anne Wild)
Kursbestimmung: Die Mitglieder des TSV 1860 München. (Foto: Anne Wild)
Kursbestimmung: Die Mitglieder des TSV 1860 München. (Foto: Anne Wild)

Am kommenden Sonntag findet die Mitgliederversammlung des TSV München von 1860 e.V. statt. Erwartet werden in der Veranstaltungshalle Zenith bis zu 2.000 Mitglieder der Löwen. Die spannende Frage wird sein, ob das als Opposition auftretende »Team Profifußball« genügend Anhänger mobilisieren kann, um eine politische Wende im Gremium herbeizuführen.

Vor drei Monaten stellte sich die neunköpfige Gruppe unter diesem Namen erstmals öffentlich vor. Sprecher sind der Kaufmann Klaus Ruhdorfer, dessen Beteiligungsunternehmen Geschäfte in China vermittelt, und der Systemgastronom Thomas Hirschberger, der sich bereits vor knapp zehn Jahren um Ämter im Verein beworben hat. Ruhdorfer und Hirschberger haben eine Reihe Prominenter um sich geschart, wie etwa Ex-Profi Bernhard Winkler – bis Ende März noch mit unklarem Aufgabenfeld in Diensten der TSV München von 1860 GmbH & Co. KGaA, ehe sich der Klub mit ihm auf eine Vertragsauflösung einigte – und die Volksschauspielerin Senta Auth, manchen aus der Daily Soap »Dahoam is Dahoam« bekannt. Sie bilden zusammen mit fünf weiteren Kandidaten – überwiegend Unternehmern – eine Listenverbindung für die Verwaltungsratswahl des TSV München von 1860 e.V. Gemeinsam ist ihnen eine wohlgesonnene Haltung gegenüber dem umstrittenen Investor Hasan Ismaik, aus dessen enger Umklammerung sich das Präsidium seit vergangenem Sommer zu lösen versucht. Ein Irrweg, wie das »Team Profifußball« glaubt.

In einer Erklärung der Gruppierung heißt es: »In den letzten Monaten war zunehmend absehbar, dass sich für die anstehenden Verwaltungsratswahlen eine Alternative zur gegenwärtigen Führung bilden wird«, und weiter: »Wir werden geschlossen antreten.« Beim Wahlausschuss vorgeschlagen wurden alle Bewerber der Liste »Team Profifußball« von Franz Hell, seines Zeichens »Allesfahrer« und als Beisitzer Vorstandsmitglied der Fanklubvereinigung ARGE. Mit Hell präsentierte der ARGE-Vorstand zeitgleich im Dezember 2017 öffentlich Sascha Üblacker als neuen Verantwortlichen für Internet und Social Media. Ein Dutzend Wahlkampfauftritte hat das »Team Profifußball« seither bei ARGE-Fanklubs in den bayerischen Regionen absolviert. Schlug man zunächst harsche Töne an, veränderte sich im Laufe der Zeit die Melodie. Zu viele positive Ereignisse drohten das Zerrbild vom Gegner bei den Wählern nicht mehr vermittelbar zu machen. Ein Taktieren ähnlich wie in der Politik.

Bereits auf der Mitgliederversammlung des TSV 1860 München im vergangenen Jahr, bei der Robert Reisinger von den Anwesenden mehrheitlich als Präsident bestätigt wurde, hatten sich Hell und die ARGE-Vorstandschaft für Hasan Ismaik stark gemacht und waren zur Nachwahl von vier Verwaltungsratsposten im Verein mit einer Liste angetreten. Auf der befand sich neben dem heutigen Sprecher des Investors Athanasios »Saki« Stimoniaris auch Ismaiks Bruder Yahya. Doch nur Stimoniaris schaffte bei der Wahl knapp den Sprung ins Gremium, aus dem er keine fünf Monate später wieder zurücktrat, um kurz darauf zusammen mit Ex-Präsident Peter Cassalette überraschend als Investorenvertreter im Aufsichtsrat der KGaA zu wirken.

Einige Wochen nach Stimoniaris Ausscheiden aus dem Verwaltungsrat veröffentlichte das »Kicker-Sportmagazin« im Januar 2018 ein auf internen Dokumenten des Klubs basierendes Potpourri an Zahlen, das Einblick in die wirtschaftlichen Vorgänge in der ausgegliederten Profifußball-Tochter des TSV 1860 München nach dem Absturz in die Regionalliga bot. Vereinsintern für Wirbel sorgte dabei ein Zitat im Artikel des »Kicker« aus einer E-Mail des Verwaltungsratsvorsitzenden Markus Drees, die laut einer später erfolgten Stellungnahme des Vereins »ausschließlich an den geschlossenen Kreis der Verwaltungsräte des TSV München von 1860 e.V. zur internen Abstimmung gerichtet war«.

Gut ein halbes Jahr später taucht nun eine Kopie dieser E-Mail in anderem Zusammenhang erneut auf. Helmut Kirmaier, bekannt geworden durch zahlreiche teils verlorene, teils gewonnene Prozesse gegen den Verein, kandidiert bei der Mitgliederversammlung selbstbewusst für den Verwaltungsrat und den Wahlausschuss und hält es in diesem Zusammenhang für eine gute Idee, allerhand vertrauliche Geschäftsdokumente, derer er auf die eine oder andere Weise habhaft wurde, als PDF-Dateien auf einem Server in der Schweiz zum allgemeinen Download anzubieten. Darunter befindet sich auch der angesprochene Mailverkehr. Was er mit seiner Materialsammlung bezwecken will, erklärt Kirmaier in einem etwas wirren Schreiben mit dem Titel »So schaut’s aus«. Die Unterlagen sollen den Verein bloßstellen. Nun könnte man diesen Vorfall als lediglich weitere schrille Note im etwas rätselhaften Kampf eines Exzentrikers abtun, der sich in seinem Steckbrief zur Wahl als früherer Pornodarsteller beschreibt und erklärt, er habe in seinem Leben »wie Picasso verschiedene Schaffensperioden« gehabt.

Brisanz erhält das Löwen-Leak jedoch, wenn man die Metadaten der hochgeladenen Dokumente untersucht. Zwar wurde bei den meisten Dateien versucht, Spuren zu vermeiden, die Rückschlüsse darauf zulassen, wer die PDF-Dateien zusammengestellt haben könnte. Doch der oder die Ersteller gingen dabei nicht sorgfältig vor. Ein PDF-Dokument, das Teile des Hauptsponsorvertrags des TSV 1860 München mit dem Versicherungskonzern »Die Bayerische« offenlegt, enthält in den Metadaten den Namen seines mutmaßlichen Bearbeiters: Sascha Üblacker – der Internet und Social-Media-Beauftragte der ARGE.

Üblacker war es auch, der Kirmaier im April diesen Jahres als Kandidaten für ein Vereinsamt vorschlug. Besorgt ob möglicher negativer öffentlicher Reaktionen, beeilte sich der ARGE-Vorstand nach Bekanntwerden zu versichern, es handele sich bei der Nominierung um eine reine Privatangelegenheit Üblackers. Kirmaier selbst will, wie er nach Wochenanzeiger-Informationen Präsident Reisinger in einem versuchten Schlichtungsgespräch versichert haben soll, noch am Jahresbeginn persönlich zu einer Unterredung in Abu Dhabi gewesen sein. Eine seltsame Koinzidenz.

(as)

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