Kirchseeon hat einen neuen Behindertenbeauftragten. Ab September steht Kurt Lausch ehrenamtlich betroffenen Bürgern für ihre Anliegen und Fragen zur Verfügung.
Der 59-Jährige, der vor einem Jahr von München in die Marktgemeinde zog, ist aufgrund verschiedener Erkrankungen selbst schwerstbehindert und kennt sich vor allem im behördlichen und rechtlichen Dschungel gut aus. Lausch war 30 Jahre lang Fachverkäufer in einem großen Handwerkermarkt. Als er ein halbes Jahr wegen Krankheit ausfiel, wurde ihm gekündigt. Von betrieblichen Eingliederungsmaßnahmen, zu denen der Arbeitgeber in so einem Fall verpflichtet ist, wusste er damals noch nichts. Nun freut er sich, durch seine eigenen Erfahrungen anderen helfen zu können. Etwa mit Informationen, wo man einen Behindertenausweis beantragen muss, welche Abstufungen es gibt und welche Vorteile man von einem solchen Ausweis hat. Dass er Kirchseeon als seine neue Heimat ausgesucht hat, dafür gibt es mehrere Gründe. Vor etwa zehn Jahren hat er hier im Berufsförderwerk eine Umschulung zum Bürokaufmann gemacht bis er die Ausbildung wegen eines Bandscheibenvorfalls abbrechen musste. Die Gegend gefiel ihm schon damals sehr gut. Dann passierten vor einem Jahr zwei Dinge gleichzeitig: Er freundete sich mit einem kroatischen Straßenhund im Tierheim an und nahm ihn zu sich. Und eine Bekannte erzählte ihm, dass in Kirchseeon eine hübsche, kleine Wohnung mit Garten frei
würde. So zog Lausch mit seinem vierbeinigen Freund Ingo aufs Land. Und wurde gleich aktiv: Der Aufzug am S-Bahnhof war defekt und wurde als Toilette missbraucht. Also hat der Neubürger bei der Deutschen Bahn angerufen und darum gebeten, die Missstände zu beheben mit Erfolg. Seitdem funktioniert der Aufzug wieder und ist sauber. Laut Lausch wird das Berufsförderwerk von vielen Rollstuhlfahrern besucht, die täglich mit der S-Bahn anreisen. »Da ist ein intakter Aufzug sehr wichtig.«
Beruflich ist er selbst inzwischen sehr eingeschränkt. Er darf nur drei Stunden am Tag arbeiten, was er derzeit in der Inneren Mission München tut. Deshalb hatte Kurt Lausch viel Zeit und kam auf die Idee, sich als Behindertenbeauftragter zu bewerben. Die Gemeinde freut sich, denn das Amt war ein gutes Jahr unbesetzt. »Es ist problematisch, jemanden zu finden, der sich für die Belange Behinderter einsetzt, und das auch noch ehrenamtlich«, sagt Bürgermeister Udo Ockel.
Zwar habe sich die Gemeinde in der Zeit um Anliegen der Bürger gekümmert. So beispielsweise auf Anregung einer Frau, deren Mann einen Schlaganfall erlitten hatte, einen Lifter im Hallenbad eingebaut. Aber ein persönlicher Ansprechpartner ist laut Rathauschef Ockel für die Bürger besser.
Unterstützung für den Einstieg in das Ehrenamt hat Lausch auch schon: Die Kolleginnen des Kreises Ebersberg sowie der Stadt Ebersberg haben ihm ihre Hilfe angeboten. Außerdem ist ein gemeinsames Treffen aller Behindertenbeauftragter des Landkreises geplant und es findet ein ständiger Austausch statt.
Noch hat Lausch kein Diensttelefon, aber der Termin für die erste persönliche Sprechstunde im Rathaus steht bereits fest: Am Mittwoch, 11. September, von 15 bis 16 Uhr. Bis dahin will er sich zwar schon mal ein wenig in der Gemeinde umsehen, wo man eventuell etwas verbessern könnte, aber eigentlich möchte er erst einmal abwarten, »was den Bürgern am Herzen liegt«.
Von Sybille Föll